AdBlue
AdBlue ist eine Marke für Produkte und Dienstleistungen in Bezug auf Abgasnachbehandlung bei Dieselmotoren mittels selektiver katalytischer Reduktion (SCR).[2] Die Abgasnachbehandlung in dieser Form ermöglicht dabei eine Reduktion der ausgestoßenen Stickoxide (NOx) um bis zu 90 Prozent.[3] Die hierfür u. a. notwendige wässrige Harnstofflösung ist in ISO 22241[4] als AUS 32 genormt.
AdBlue | |
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Besitzer/Verwender | 224 Lizenznehmer (Stand März 2021)[1] |
Inhaber | Verband der Automobilindustrie (VDA) |
Einführungsjahr | 2009 |
Produkte | Abgasnachbehandlung |
Märkte | Weltweit |
Website | VDA (deutsch) |
Die Marke gehört dem deutschen Verband der Automobilindustrie (VDA).[5] Sie kann von Unternehmen zur Herstellung entsprechender Produkte lizenziert werden.
Zur technischen Wirkungsweise der Abgasnachbehandlung siehe SCR für den Einsatz in Fahrzeugen und Schiffen
Lizenzbedingungen
Die eigenen Vergaberichtlinien werden vom Markeninhaber selber wie folgt beschrieben:
„AdBlue® ist eine eingetragene Marke des VDA (Verband der Automobilindustrie) und wird in Lizenz vor allem von Fahrzeugherstellern, Zulieferern und Unternehmen der chemischen Industrie sowie der Mineralölwirtschaft zur Verfügung gestellt. Die Marke AdBlue® ist u. a. anwendbar auf Kraftfahrzeuge, Kfz-Teile, in Bedienungsanleitungen von Kfz und für den Harnstoff AUS 32.“
Die aktuellen Lizenzbedingungen können beim Inhaber angefragt werden.[2] Zur Einführung 2009 wurden die Lizenz- und Zertifizierungskosten exemplarisch für einen Hersteller der Harnstofflösung genannt.[6]
Die der Marke zugrunde liegende ISO-Norm standardisiert und benennt die wässrige Lösung dabei international mit AUS 32 für aqueous urea solution. Die Norm beschreibt weiterhin notwendige Test- und Qualitätssicherungsverfahren, sowie Lager- und Logistikanforderungen. Der Verband lizenziert die Marke nur in Verbindung mit umfangreichen Auditierungsmaßnahmen, die vom jeweiligen Lizenznehmer zu tragen sind.[7]
Lizenznehmer
Die Marke wird weltweit von vielen Industriebetrieben lizenziert, die sie für Benennung und Qualifizierung der Harnstofflösung nutzen. Die Anzahl an Lizenznehmern wuchs von 124 im Oktober 2014[8] auf 177 im Mai 2018.[1]
Spezifikationen
AdBlue besteht aus einem Gemisch von demineralisiertem Wasser und ca. 32 % Harnstoff. Die Flüssigkeit besitzt folgende physikalische Eigenschaften:
Eigenschaft | Wert | Einheit |
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Harnstoffgehalt | 31,8–33,2 | Gew.-% |
Kristallisationsbeginn | −11,5 | °C |
Brechungsindex | 1,3817–1,3843 | – |
Wärmeleitfähigkeit | 0,57 | W/(m·K) |
Spezifische Wärmekapazität | 3,51 | J/(g·K) |
Schmelzenthalpie | 270 | J/g |
Dichte bei 20 °C | 1,087–1,093 | g/cm³ |
Dynamische Viskosität | 1,4 | mPa·s |
Herstellungsprozess
Harnstoff (CH4N2O) wird in der chemischen Industrie großtechnisch aus Ammoniak (NH3) und Kohlendioxid (CO2) hergestellt. Ammoniak wird dazu mit Strom (85 bis 160 kWh pro t) aus Stickstoff (N2) und Wasserstoff (H2) mittels Methan (CH4) hergestellt.[9][10]
Verbrauch
Abhängig von der NOx-Konzentration und dem Motorzustand wird Adblue zur Reduktion zu Stickstoff, Kohlendioxid und Wasser eingebracht. Der Verbrauch weicht unter den verschiedenen PKWs deutlich ab.[11] Im Jahr 2018 hat Bosch für einen prototypisch veränderten VW Golf, der den Euro-6-Grenzwert von 80 mg NOx/km im Realbetrieb deutlich unterschritten hat, je nach Fahrweise einen AdBlue-Verbrauch von 0,5 bis 1,8 l/1000 km angegeben.[12] Andere Quellen geben einen Verbrauch an AdBlue von etwa 4 % bis 6 % des Kraftstoffverbrauchs[13] oder bei PKWs bis zu 8,5 Liter pro 1000 Kilometer an.[14] Bei Wohnmobilen der Abgasnorm Euro 6d-TEMP machen Hersteller teils gar keine Angaben, oder geben eine sehr große Spanne an, wie z. B. 1 bis 5 Prozent des Kraftstoffverbrauchs bei Ford.[15]
Befindet sich im Abgas, dann wird zunächst das gesamte zusammen mit der entsprechenden Menge durch schnelle Selektive katalytische Reduktion ("Fast SCR") verbraucht. Erst danach findet "Standard SCR" statt.[16] Liegt das Mischungsverhältnis aus und bei 1:1 oder knapp darunter, dann liegt der Verbrauch bei 1 Liter pro 450 g NOx:
Setzt man die Atommassen N=14u, H=1u, C=12u und O=16u ein, ergeben sich Molekülmassen von 60u für und 18u für . Um das Masseverhältnis von 32,5 % zu 67,5 % zu erhalten, muss das molekulare Verhältnis bei ca. 1:6,92 liegen. Bei der Reaktion wird jeweils 1 Molekül und verbraucht, der verbleibende Wasseranteil nimmt an keiner Reaktion zur Reduktion von Stickoxiden teil.
Aus 60u und 6,92*18 = 124,6u , in der Summe also 184,6u, erhält man folglich ausreichend Ammoniak für die Reduktion eines - und eines -Moleküls mit 30u und 46u. Da mit 184,6u AdBlue 76u und reduziert werden, reduziert 1 kg AdBlue ca. 412 g Stickoxide. Mit einer Dichte von 1,09 kg/l ergibt sich gerundet, dass 1 Liter AdBlue etwa 450 g Stickoxide reduziert. Der oben angegebene Spitzenwert von 8,5 l/1000 km bezieht sich folglich auf eine Fahrsituation, in der ohne Stickoxid-Nachbehandlung ca. 3800 mg NOx/km ausgestoßen werden.
Diese Berechnung bezieht sich auf die tatsächliche Masse der - und -Moleküle. Die Verordnung 692/2008[17] sieht jedoch vor, dass die -Emissionen in ()-Äquivalent ausgedrückt werden, d. h. für -Emissionen wird nicht die tatsächliche Masse angegeben, sondern es wird angegeben, welche Masse an daraus durch Oxidation entstehen kann. In diesem Fall müsste man in der obigen Berechnung auch -Moleküle mit 46u statt 30u ansetzen. Dann reduziert man mittels der 2 -Moleküle, die aus 184,6u AdBlue gewonnen werden, 92u ()-Äquivalent, d. h. 1 kg AdBlue reduziert 498 g ()-Äquivalent, 1 Liter AdBlue also 543 g ()-Äquivalent. Bei dieser Betrachtungsweise spielt es auch keine Rolle mehr, ob Fast SCR oder Standard SCR stattfindet, da in beiden Fällen 1 Mol Stickoxide mittels 1 Mol Ammoniak reduziert wird.
Zum Vergleich: Das Umweltbundesamt gibt für Diesel-PKW der Abgasnorm Euro 5 einen Flottendurchschnitt von 950 mg NOx/km an.[18] Eine Veröffentlichung des ADAC bestätigt, dass bei Euro 5 - Fahrzeugen ohne Stickoxid-Nachbehandlung das Mischungsverhältnis zwischen und ausreichend nah an 1:1 liegt, um die obigen Betrachtungen auch dann anzuwenden, wenn nicht mit dem ()-Äquivalent gearbeitet wird.[19] Die Darstellung, der AdBlue-Verbrauch bei PKW müsste bei 4–6 % des Kraftstoffverbrauchs liegen, ist daher nicht nur unvereinbar mit den Ergebnissen von Bosch an einem Fahrzeug, das den Euro-6-Grenzwert im Realbetrieb einhält, sondern ist auch rechnerisch unvereinbar mit den bekannten Werten für die Produktion von Stickoxiden in Euro-5-Motoren ohne Stickoxid-Nachbehandlung. Des Weiteren bezieht sich der Wert von 950 mg NOx/km auf die tatsächliche Fahrzeugflotte, inklusive der Abschalteinrichtungen in der Abgasrückführung. Eine wirksamere Abgasrückführung würde zu weniger Stickoxid-Produktion führen, und damit rechnerisch zu einem geringeren AdBlue-Verbrauch.
Es gibt Quellen, die solche Werte aus Erfahrungswerten von LKW hergeleitet haben[20], allerdings ohne dabei die Übertragbarkeit dieser Erfahrungswerte zu hinterfragen. Bereits im Jahr 2014 hatte Scania einen Wert von 6 % für seine Euro VI-Motoren ohne Abgasrückführung, und 3 % für seine Euro VI-Motoren mit Abgasrückführung veröffentlicht.[21] Bereits damals war also klar, dass der AdBlue-Verbrauch, je nach genauer Konstruktion und Funktionsweise des Motors, stark schwankt.
Kartellvorwürfe
In einem Kartell hatten sich Volkswagen, Daimler und BMW über die Größe der Tanks für die Harnstofflösung verständigt. Daimler und VW hatten sich selbst angezeigt und hofften auf die Kronzeugenregelung.[22][23]
In diesem Zusammenhang wurde behauptet, dass damit die Abgasreinigung nur kompromittiert möglich war.[24] Allerdings hat das Volumen des AdBlue-Tanks an sich keinen direkten Einfluss auf die Funktion der Abgasreinigung. Die Darstellung, dass die Abgasreinigung durch kleinere Tanks beeinträchtigt werde, ist nur haltbar, wenn man annimmt, dass es Fahrern nicht möglich ist, AdBlue bei Bedarf nachzufüllen, obwohl der Einfüllstutzen, wie im Bild oben, direkt neben den Diesel-Einfüllstützen konstruiert werden kann und obwohl AdBlue ausreichend verfügbar ist.
Die Europäische Kommission meint in einer Pressemitteilung vom 8. Juli 2021, dass die Geldbußen in Höhe von 875 Mio. EUR gegen Daimler, BMW, Volkswagen, Audi und Porsche (Daimler genoss jedoch die Kronzeugenregelung) dadurch gerechtfertigt seien, dass die Unternehmen im Rahmen mehrerer Fachkonferenzen unter anderem beschlossen hätten, nicht untereinander einen Wettbewerb darum auszutragen, die gesetzlichen Forderungen nach NOx-Reduzierung im Abgas überzuerfüllen, obwohl sie die Technologie dazu besaßen. In den Treffen über fünf Jahre (2009 bis 2014) sei es darum gegangen, Verbrauchsrichtlinien und Nachfüll-Reichweiten zu vereinbaren.[25]
Zapfsäulen
Es gibt verschiedene Zapfsäulen für PKW und LKW.[26] Ende 2020 verfügten in Deutschland 932 öffentliche Tankstellen über AdBlue-Zapfsäulen für Pkw.[27] Einige PKW werden heute so konstruiert, dass eine Betankung mit AdBlue auch an LKW-Zapfsäulen technisch möglich ist.[28]
Einzelnachweise
- Liste der Lizenznehmer auf VDA.de (PDF), abgerufen am 17. März 2021.
- Lizenzierung der Marke
- Robert Bosch GmbH: Kraftfahrtechnisches Taschenbuch. 28. Aufl., Springer Vieweg, Wiesbaden 2014, ISBN 978-3-658-03800-7, S. 719.
- Vorschau ISO 22241-1, abgerufen 2018-04-03.
- Liste der weltweiten Markenregistrierungen, Januar 2019 (PDF)
- Advantages of the AdBlue®-Audit, August 2009 (PDF, englisch)
- AdBlue_Audit-Requirements%20V1%205.pdf (engl.)
- Liste der Lizenznehmer, Oktober 2014 (PDF)
- So viel Strom brauchen Autos mit Verbrennungsmotor | Edison. Abgerufen am 31. Juli 2019.
- Manfred Lindinger: Hoffnungsträger Methan: Wasserstoff aus dem Elektro-Ofen. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 28. Dezember 2019]).
- Diesel-Spezial – Wie Hersteller mit AdBlue und Co. gegen Stickoxide und Rußpartikel kämpfen. Abgerufen am 28. Dezember 2019.
- The Path to a Negligible NO2 Immission Contribution from the Diesel Powertrain. (PDF) Abgerufen am 4. Januar 2021 (englisch).
- Adblue: Der große Ratgeber. 28. Juni 2017, abgerufen am 3. August 2019.
- Kartellverdacht: Autokonzerne sahen Dieselkrise kommen – „Ohne Bescheißen werden wir es nicht schaffen“. Abgerufen am 28. Dezember 2019.
- AD-BLUE VERBRAUCH IM WOHNMOBIL - Wie viel verbrauchen die Basisfahrzeuge? Abgerufen am 5. März 2022.
- Manfred Koebel, Giuseppe Madia, Martin Elsener: Selective catalytic reduction of NO and NO2 at low temperatures. 2002.
- Verordnung (EG) Nr. 692/2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge
- Umweltbundesamt: Reale Stickoxid-Emissionen von Diesel-Pkw nach wie vor zu hoch. 11. September 2019, abgerufen am 3. November 2019.
- Christof Gauss, ADAC Technik Zentrum: Messungen an Euro 5- und Euro 6-Pkw im ADAC EcoTest. 11. Juli 2011, S. 9.
- Werner Ludwig: Für saubere Abgase sind große Mengen Adblue nötig. Abgerufen am 25. Mai 2021.
- Scania introduces Euro VI engine without EGR. Abgerufen am 27. September 2021 (englisch).
- Thomas Fromm, Max Hägler, Klaus Ott: Autokartell: BMW fühlt sich von Daimler hintergangen. Abgerufen am 28. Dezember 2019.
- tagesschau.de: BMW, Daimler und VW: Illegale Absprachen bei Abgastechnik? Abgerufen am 28. Dezember 2019.
- https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/abgas-skandal-kartellvorwurf-gegen-daimler-vw-bmw-und-co-/20091746.html
- Europäische Kommission: Kartellrecht: Kommission verhängt Geldbußen von 875 Mio. EUR gegen Automobilhersteller wegen Beschränkung des Wettbewerbs bei der Abgasreinigung neuer Diesel-Pkw, Pressemitteilung, Brüssel, 8. Juli 2021, abgerufen am 20. Okt. 2021
- ADAC: AdBlue kaufen, tanken und nachfüllen. 5. Mai 2020, abgerufen am 4. Januar 2021.
- Was Dieselfahrer zu Adblue wissen müssen. Harnstofflösung im Tank. NTV, 13. Juli 2021, abgerufen am 20. Oktober 2021.
- Auto Motor Sport: Bis zu 10-facher Preis, wenig Zapfsäulen. 12. August 2020, abgerufen am 4. Januar 2021.