Absolutivum
Das Absolutivum ist ein Adverbialpartizip, das sich in indoiranischen Sprachen findet. Die Bezeichnung soll ausdrücken, dass es sich um ein Gerundium ohne Kasusbeziehung zu einem der Satzglieder handelt.
Darüber hinaus findet sich eine vergleichbare Konstruktion in den Dravida-Sprachen, s. Konverb.
Nicht zu verwechseln ist das Absolutivum mit dem funktional verwandten Locativus absolutus. Hierbei handelt es sich jedoch um eine Form des absoluten Kasusgebrauchs.
Absolutivum im Sanskrit
Das Absolutivum zählt zu den am häufigsten anzutreffenden Mitteln des Satzbaus im klassischen Sanskrit.
Im Sanskrit können mit den Suffixen -tvā (Absolutivum I, bei Verben ohne Präfix), -ya (Absolutivum II, bei Verben mit Präfix) und das seltenere -am ... -am (Absolutivum III) indeklinable adverbiale Partizipien gebildet werden, die den slawischen Adverbialpartizipien entsprechen und eine abgeschlossene Handlung bei gleichem Subjekt mit dem Hauptsatz bezeichnen.[1][2]
Beim Absolutivum I auf -tvā handelt es sich wahrscheinlich um einen erstarrten Instr.Sg. des Verbalabtraktums auf -tu (vgl. jantu- „Nachkomme“, dhātu- „Element, Wurzel“, vāstu- „Stätte, Haus, Gemach“).
Das Absolutivum II auf -(t)ya ist nach Franklin Edgerton vermutlich ebenfalls der Instr.Sg. eines Verbalnomens auf -(t)i mit Kürzung des ā > a. Albert Debrunner hingegen vermutet einen Zusammenhang mit dem Verbalabstraktum auf -yā.
Das Absolutivum III auf -am mit Wiederholung ist selten im klassischen Sanskrit und findet sich dagegen vorwiegend in den Brāhmanas. Im Awestischen findet sich eine vergleichbare Bildung auf -jum (-jīvəm), was einem altindischen -jīvam entsprechen würde.[3]
Beispiele:
- mama duḥkhamutpannaṃ dṛṣṭvā yuṣmān „Als ich euch gesehen hatte, entstand mein Kummer“
- viśramya viśramya na yāti kālaḥ „unaufhöhrlich vergeht die Zeit (wtl. ruhend ruhend vergeht die Zeit nicht)“
- uktvā chalitāsmi tena „Nachdem er gesprochen hatte, wurde ich von ihm getäuscht“
- tacchrutvāśrukaluṣāṃ dṛṣṭiṃ kṛtvā sa provāca „als dieser das gehört hatte, machte er ein tränentrübes Gesicht und sprach...“
- mama samīparvatinau bhūtvā vadatam „nachdem ihr beide mir in der Nähe Befindliche geworden seid, sprecht...“
- śṛgālo 'yam iti matvā ... procuḥ ... „«ein Schakal ist dieser», inden sie so dachten, sprachen sie...“
- pāyaṃ pāyaṃ vrajati „er geht, nachdem er wiederholt getrunken hat“
Manche Absolutiva haben sich zu Präpositionen entwickelt:
- kṛtvā „in Folge von“ (wtl. „getan habend“)
- akṛtvā „ohne zu“ (wtl. „ungetan habend“)
- ādāya „mit“ (wtl. „zu sich nehmend“)
- muktvā „außer“ (wtl. „aufgegeben habend“)
Absolutivum im Hindī
Auch im Hindī wird die koordinierte Satzverknüpfung bei gleichem Subjekt mit einer speziellen Form ausgedrückt, die mittels -kar (aus dem Verb karnā „tun“), bzw. -ke (in formalerem Stil) gebildet wird.[4] Hierbei handelt es sich vermutlich um eine grammatikalisierte Versteinerung des Sanskrit-Absolutivums kṛtvā.
Beispiele:
- ham āgre jākar tāj mahl dekheṁ „Laßt uns nach Agra gehen und das Taj Mahal besichtigen.“
- maiṁ hindī sīkhkar hī bhārat jāūṁgā „Ich werde erst nach Indien gehen, nachdem ich Hindi gelernt habe.“
- vah backar bhāg gae. „Er entkam sicher (wtl. Sicher-seiend floh er).“
- hāthī jhūmkar caltā hai. „Ein Elefant läuft schwankend.“
Einzelnachweise
- A.F. Stenzler: Elementarbuch der Sanskrit-Sprache. 17. Auflage. de Gruyter, Berlin 1980, §§283–285.
- Albert Thumb, Richard Hauschild: Handbuch des Sanskrit. II. Teil: Formenlehre. Dritte, stark umgearbeitete Auflage. Carl Winter, Heidelberg 1959, §§635–645.
- Hans Reichelt: Awestisches Elementarbuch. Carl Winter, Heidelberg 1909, § 682.
- Ronald Stuart McGregor: Outline of Hindi Grammar. 2. Auflage. Clarendon Press, Oxford 1976, S. 38f.