AYPA
Ali Yildirims Presseagentur, kurz AYPA, ist ein deutsch-türkisches Journalistenduo. Mit AYPA-TV betrieb es zwischen 1993 und 2007 eine kleine Fernsehstation in Berlin, deren Sendungen zu festen Zeiten über das Berliner Kabelnetz verbreitet wurden. Diese berichteten investigativ aus der Welt der Migranten in Deutschland. Recherchen von AYPA führten u. a. zum Verbot der islamistischen Organisation Hizb ut-Tahrir oder der Zeitung Vakit.[1] Hiernach nutzten große TV-Stationen im In- und Ausland den Sender trotz seiner von Finanzknappheit geprägten Produktionsbedingungen als „renommierten Zulieferer“.[2] AYPA gilt auch als Lieferant mit der „wichtigsten Erkenntnisse über die islamistische Szenerie in Deutschland“ der letzten Jahre.[1]
AYPA | |
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Fernsehsender (Privatrechtlich) | |
Empfang | Spreekanal, Sonderkanal 10 des Berliner Kabelnetzes |
Bildauflösung | (Eintrag fehlt) |
Sendestart | 27. Februar 1993 |
Eigentümer | Ali Yildirim |
Liste von Fernsehsendern | |
Website |
AYPA-TV war laut Eintrag des Guinness-Buch der Rekorde der kleinste Fernsehsender der Welt[3] und wurde auch in der Fachliteratur als eigenständiger Fernsehsender der türkischen Minderheit in Deutschland behandelt.[4][5][6]
Geschichte
AYPA besteht seit seiner Gründung allein aus dem Diplom-Ingenieur und Namensgeber Ali Yildirim und der Arabistin Claudia Dantschke. Die einzige Sendung im Programm von AYPA-TV ging am 27. Februar 1993 unter dem Titel „Berlin-Spiegel für alle, die toleranter sein wollen“, eingespeist über den Spreekanal, erstmals auf Sendung. Seitdem sendete AYPA sein einstündiges Programm (abgesehen von einer alljährlichen Sommerpause) zunächst täglich.[7] Die Sendung prägte „ausführliche Information, Toleranz gegenüber anderen Kulturen, Engagement für das deutsch-türkische Zusammenleben in Berlin“ (Die Zeit).[8] Bundesweites Aufsehen in der türkischen Bevölkerung erregte 1995 eine auf dem über Satellit in ganz Deutschland empfangbaren deutsch-türkische Sender TD1 angekündigte Übertragung eines Champions-League-Spiels mit türkischer Beteiligung, als AYPA recherchierte, dass der Sender die Senderechte gar nicht besitze und so die Ausstrahlung verhinderte.[7] Zudem berichtet AYPA massiv über islamistische Kräfte in Deutschland. Finanzielle Probleme, auch hervorgerufen durch zahlreiche (wenn auch stets gewonnene) zeitraubende und kostenintensive Prozesse, etwa gegen die Islamische Föderation Berlin, der AYPA Verbindungen zur vom Verfassungsschutz beobachteten Millî Görüş nachgesagt hatte[7], führten später zu einer Verknappung des TV-Angebots auf nur noch mehrere Tage in der Woche: Allein in den ersten 10 Jahren des Sendebetriebs musste AYPA-TV sich zeitgleich gegen ein Dutzend Unterlassungsklagen zur Wehr setzen.[9] Nach Recherchen, die zum Verbot der radikalislamistischen Hizb ut-Tahrir oder der Vakit führten, war allerdings bisweilen Bildmaterial von AYPA in renommierten Nachrichten- und Politmagazinen großer Sender „von Tagesschau und Tagesthemen bis Panorama, Frontal 21 oder Spiegel-TV“ zu sehen.[10] Nahezu alle türkischen Sender musste AYPA 2006 mit Bildern von dem Gründer der türkischen Partei Neue Demokratiebewegung Cem Boyner, der in Berlin in eine Schlägerei mit Linksextremisten verwickelt wurde, beliefern.[10] In deutschen Verfassungsschutzberichten wurde AYPA-TV seit der Jahrtausendwende häufiger als Quelle erwähnt.[11][12][13] Neben fortwährenden Unterlassungsklagen sowie weiteren langwierigen Rechtsstreitigkeiten sah sich die AYPA samt Informanten in den letzten Jahren als Reaktion auf Berichte auch „Messerattacken, wirtschaftlichen Sanktionen, Einschüchterungsversuchen und gewalttätigen Übergriffen“[14] gegenüber.[15] Im Januar 2007 wurde der Sendebetrieb eingestellt.[16] Ein inzwischen aufgebautes umfangreiches Internetangebot existiert weiter.
Organisationsform
AYPA wird von seinen beiden Mitarbeitern unabhängig von Dritten, insbesondere dem türkischen Staat und jedweder türkischer Institutionen, betrieben. Darin bildete der Sender eine „positive Ausnahme“ innerhalb der türkischen Medienkultur in Deutschland.[17] Yildirim setzte zu diesem Zweck Eigenkapital ein und verschuldete sich darüber hinaus. Ein Teil des Programms wurde auch über Werbung finanziert. Auch vom Sendeplatz zur Verfügung stellenden Spreekanal war AYPA unabhängig; sie ist bzw. war „als eine unabhängige Einzelfirma mit eigener Lizenz organisiert.“[18] Anfänglich wurde AYPA noch redaktionell unterstützt von Mitarbeitern der deutschen Redaktion der türkischen Zeitung Milliyet, aus deren Büro gesendet wurde.[10] Ab 1995 gab es einen durch Zuschauer gegründeten Förderverein, der AYPA finanziell unterstützte.[9] Allerdings deckten Werbeeinnahmen und Spenden seit jeher nur „das Nötigste“ ab.[9]
Sendekonzept
AYPA sendete in deutscher und türkischer Sprache (der größere Anteil ist im Gegensatz zu anderen deutsch-türkischen Sendern Deutsch) und griff überwiegend journalistische Themen auf. In der Presse kokettierte man mit den von Finanznot geprägten Produktionsbedingungen, charakterisierte die relevanten Berichte z. B. als „Störsignal aus dem Wohnzimmer“[9]. Die Ursprungsidee der Sendung war ein investigativer Journalismus aus der Einwandererszene Berlins, den es zuvor in der Form nicht gegeben hatte: „Im Jahre 1992 (…) hatte ich hier im Fernsehbereich gesehen, dass recherchierte Beiträge über islamische und islamistische Szene waren kaum zu sehen [sic!]. Und das wollte ich eigentlich mit meiner Kollegin zusammen recherchieren, und die Zuschauer sollten sich selbst ein Bild machen (…)“[2], beschrieb Yildirim einmal eine der Motivationen zur Gründung der AYPA.
Weblinks
Einzelnachweise
- Gesundes Volksempfinden 2006, Taz am 7. Oktober 2006
- Im Fadenkreuz des Islamismus. Der Berliner Sender Aypa TV., Deutschlandradio am 11. November 2006
- Guinness-Buch der Rekorde 2003, Guinness Verlag (2002)
- Ortrud Aumüller : Regulierung und Wettbewerb auf dem Telekommunikations- und Strommarkt : eine vergleichende Analyse der Regulierungsstrukturen und der Marktentwicklungen im deutschen Telekommunikations- und Stromsektor; Berlin 2006, S. 84f.
- Bonfadelli/Moser: Medien und Migration: Europa als multikultureller Raum? ; Wiesbaden 2007, S. 27
- Geissler/Pöttker : Massenmedien und die Integration ethnischer Minderheiten in Deutschland; Michigan 2005
- Tobias Matern: AYPA-TV heißt der kleinste Fernsehsender der Welt, der Feinde hat wie ein großer; in: Süddeutsche Zeitung, 11. Juni 2002
- Toleranz als Programm, Die Zeit 44/1995
- Susanne Balthasar: Störsignale aus dem Wohnzimmer; in: Frankfurter Rundschau, 19. August 2002
- „Freie Information ist wichtig“, Taz am 18. September 2006
- berlin.de: Verfassungsschutzbericht 2005 (Memento vom 30. Mai 2009 im Internet Archive; PDF; 3,26 MB)
- Kirchen und Universitäten als Ansprechpartner islamistischer Aktivisten (Memento vom 12. Januar 2011 im Internet Archive)
- verfassungsschutz-bw.de: Verfassungsschutz in Baden-Württemberg (Memento vom 1. Januar 2007 im Internet Archive; PDF; 3,69 MB)
- Heute in den Feuilletons am 7. Oktober 2006
- bmi.bund.de: Islamismus (Memento vom 20. August 2007 im Internet Archive; PDF; 5,02 MB), S. 118ff.
- Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten: Jahrbuch 2007: Verzeichnis privates Fernsehen. (PDF) (Nicht mehr online verfügbar.) Ehemals im Original; abgerufen am 5. August 2021. (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)
- Türkische Medienkultur in Deutschland: Dokumentation einer Tagung der evangelischen Akademie Loccum; Veröffentlicht von der Evangelischen Akademie Loccum, 2000
- Gesa Paqué: Integrationsprogramme im deutschen Fernsehen (Memento vom 5. Januar 2005 im Internet Archive)