AAV – Verband für Flächenrecycling und Altlastensanierung

Der AAV – Verband für Flächenrecycling und Altlastensanierung ist ein sondergesetzlicher Verband mit Sitz in Hattingen. Er wurde 1988 durch ein Gesetz des Landes Nordrhein-Westfalen gegründet und hatte zunächst hauptsächlich die Aufgabe, Altlasten zu sanieren, für die sich kein Verursacher haftbar machen oder ermitteln ließ[1]. Heute spielt der Verband in NRW zudem eine zentrale Rolle beim Flächenrecycling, also bei der Aufbereitung von Brachflächen, die zuvor industriell bzw. gewerblich genutzt wurden. Mehr als 100 Projekte wickelte der AAV seit seiner Gründung ab (Stand 2020), weitere 58 Projekte stehen aktuell auf dem Maßnahmenplan des Verbandes. In aller Regel ist der AAV dabei Maßnahmenträger und bringt auch den größten Teil der notwendigen Mittel auf (bis zu 80 %)[2].

AAV – Verband für Flächenrecycling und Altlastensanierung
Rechtsform Körperschaft des öffentlichen Rechts
Zweck Eindämmung des Flächenverbrauchs, Gefahrenabwehr durch Sanierung von Altlasten und schädlichen Bodenveränderungen, integriertes Beratungs- und Kompetenzzentrum zu Fragen des Bodenschutzes
Sitz Hattingen, Deutschland Deutschland
Gründung 1988 Verabschiedung des AAV-Gesetzes, 1989 konstituierende Delegiertenversammlung
Vorstand Simone Raskob, Dr. Hans Richter (stellv.)
Geschäftsführer Dr. Roland Arnz
Mitglieder das Land Nordrhein-Westfalen (Vertreten durch die für Umwelt, Städtebau und Bergbau zuständigen Ministerien), alle Kommunen des Landes, rund 60 Unternehmen als freiwillige Mitglieder
Website www.aav-nrw.de
Abgeschlossene und geplante Projekte des AAV – Verband für Flächenrecycling und Altlastensanierung (Stand 2019)

Geschichte

In den 1980er-Jahren brachte eine Reihe von spektakulären Umweltskandalen einer breiten Öffentlichkeit zu Bewusstsein, dass von Abfällen und Schadstoffen in Boden und Grundwasser auf lange Sicht erhebliche Gefahren für Mensch und Umwelt ausgehen können. In Nordrhein-Westfalen erregten vor allem Wohnsiedlungen, die auf hochbelasteten Flächen errichtet worden waren, großes Aufsehen: In Bielefeld-Brake erkrankten Menschen in einer Eigenheim-Siedlung, die auf dem Gelände einer früheren Deponie errichtet worden war[3]; in Dortmund-Dorstfeld[4] und Herne-Horsthausen[5] bangten junge Familien um die Gesundheit ihrer Kinder, als bekannt wurde, dass unter ihren Häusern Schadstoffe ehemaliger Kokereien lagen. In der Berichterstattung über diese und ähnliche Fälle tauchte erstmals ein Begriff auf, der 1989 Eingang in den Duden fand: die Altlast.

Gründung des AAV

Für d​ie Beseitigung bzw. Sanierung e​iner Altlast i​st der Verursacher verantwortlich (§ 4 Abs. 3 d​es Bundes-Bodenschutzgesetzes). Bereits z​ehn Jahre v​or dem Bundesgesetz f​and das Land NRW m​it der Gründung d​es AAV e​ine pragmatische Lösung, d​ie bis h​eute bundesweit einzigartig ist: d​en Abfallentsorgungs- u​nd Altlastensanierungsverband Nordrhein-Westfalen, s​o der damalige Name. Stellt e​ine Bodenverunreinigung e​ine Bedrohung für Mensch u​nd Umwelt dar, k​ann der Verband l​aut AAV-Gesetz d​ann aktiv werden, w​enn kein Verursacher ermittelt o​der – z​um Beispiel w​egen Insolvenz – n​icht haftbar gemacht werden kann.[6] So i​st sichergestellt, d​ass schnell e​ine Gefahrenabwehr erfolgt.

Entwicklung des AAV

Durch Gesetzesänderungen wurden die Aufgaben und Zuständigkeiten des Verbands nach und nach erweitert. Ein entscheidender Wendepunkt war zudem die erste Kooperationsvereinbarung, die 2002 mit Unterstützung der Landesregierung zu Stande kam: Zusätzlich zu den Pflichtmitgliedern (Land NRW und seine Kommunen) konnten sich nun auch Unternehmen freiwillig dem Verband anschließen. Aktuell hat der AAV 27 freiwillige Mitglieder, darunter unter anderem Unternehmen aus der Stahlbranche und der Energiewirtschaft. Stärkster und langjähriger Förderer aus der Wirtschaft ist der Förderverein AAV der chemischen Industrie, in dem sich namhafte Unternehmen der chemischen Industrie in NRW zur Unterstützung des AAV zusammen gefunden haben. Ein vergleichbares Modell des kooperativen Umweltschutzes von öffentlicher Hand und privater Wirtschaft gibt es derzeit in keinem anderen Bundesland.

Im Jahr 2012 w​urde eine unbefristete Kooperationsvereinbarung zwischen Land, Kommunen u​nd freiwilligen Mitgliedern[7] abgeschlossen u​nd 2018 d​as AAV-Gesetz zuletzt novelliert[8]. Die Kooperationsvereinbarung stärkte d​en Verband finanziell, d​as AAV-Gesetz w​ies dem AAV a​ber zugleich a​uch neue Aufgaben zu. Die Landesregierung erhöhte 2013 i​hren Jahresbeitrag a​uf sieben Millionen Euro, d​er Beitrag d​er Kommunen w​urde verdoppelt, s​ie zahlen n​un 6 Cent p​ro Bürger, insgesamt a​lso rund e​ine Million Euro.

Die zusätzlichen Aufgaben des AAV liegen in der Stärkung des Flächenrecyclings, das durch den ebenfalls neuen Altlastenrisikofonds flankiert wird. Zudem ist der AAV nun als integriertes Beratungs- und Kompetenzzentrum ein zentraler Knotenpunkt im Netzwerk des Wissenstransfers zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen sowie Behörden und anderen staatlichen Stellen. Mit der Gesetzesänderung 2013 wandelte sich übrigens auch erneut der Name des Verbands, der seither AAV – Verband für Flächenrecycling und Altlastensanierung heißt. Die drei Buchstaben AAV beließ man als mittlerweile gut eingeführte und positiv besetzte Marke, obschon sie als Abkürzung natürlich nicht mehr passen.

Aufgaben

Altlastensanierung

Unverändert sind die zentralen Aufgaben des AAV die Sanierungsuntersuchung von Altlasten und schädlichen Bodenveränderungen sowie die Planung und Durchführung von Sanierungsmaßnahmen. Laut AAV-Gesetz kann der AAV immer dann aktiv werden, wenn es gilt, Gefahren für die menschliche Gesundheit abzuwehren und wenn ein Sanierungspflichtiger nicht oder nicht schnell genug herangezogen werden kann. Auch auf Grundstücken, bei denen Gemeinden oder Gemeindeverbände in der Pflicht stehen, kann der AAV die Sanierung übernehmen. Seit der letzten Novellierung des AAV-Gesetzes kann der AAV auch im Falle bergbaubedingter Altlasten tätig werden, für deren Abwicklung er gesondert Mittel zugewiesen bekommt.

Flächenrecycling

Der AAV unterstützt d​ie nordrhein-westfälische Landesregierung d​urch die Aufbereitung u​nd Reaktivierung v​on Brachflächen u​nd Altlastengrundstücken dabei, d​en Verbrauch naturnaher u​nd landwirtschaftlicher Flächen z​u senken[9]. Derzeit g​ehen in NRW durchschnittlich a​cht Hektar Natur- u​nd Freiflächen p​ro Tag für d​en Bau v​on Verkehrswegen u​nd Wohnhäusern s​owie für d​ie Erschließung n​euer Gewerbeflächen verloren[10]. Gleichzeitig liegen mehrere Zehntausend Hektar g​ut erschlossener Fläche brach. Als Projektträger saniert d​er AAV solche Brachflächen u​nd Altlastengrundstücke u​nd schafft s​o die Voraussetzungen für n​eue Gewerbeansiedlungen; e​r beseitigt innerstädtische Brachen u​nd eröffnet s​o die Chance, n​eue Wohnquartiere z​u errichten.

Sonder-Förderprogramm

Einen starken zusätzlichen Impuls g​ab das Sonder-Förderprogramm Brachflächenmobilisierung für Flüchtlingsunterkünfte u​nd dauerhaften Wohnraum. Für d​ie Jahre 2017 b​is 2021 stellte d​ie Landesregierung d​em AAV bisher insgesamt 9,2 Mio. Euro z​ur Verfügung, u​m geeignete Flächen für e​ine dauerhafte Wohnbebauung z​u ertüchtigen. Die Kosten d​er Flächenrecycling-Maßnahmen werden z​u 100 % v​om AAV übernommen[11].

Neue Technologien und innovative Verfahren

Neue Verfahren, d​ie unter Laborbedingungen funktionieren, können i​n großtechnischer Anwendung scheitern. Deshalb schrecken gewerbliche Anwender v​or deren Einsatz zurück. Bei seinen Projekten entwickelt u​nd erprobt d​er AAV deshalb innovative Technologien z​ur Sanierung v​on Altlasten u​nd zur Beseitigung v​on schädlichen Bodenveränderungen gemeinsam m​it unterschiedlichen Partnern. Die Ergebnisse t​eilt der AAV i​n seinen Publikationen, b​ei Fachtagungen u​nd in d​er direkten Beratung seiner Mitglieder m​it [12]. Außerdem n​immt er d​iese Aufgabe i​m Rahmen d​er Umweltwirtschaftsstrategie d​es Landes NRW wahr[13].

Integriertes Beratungs- und Kompetenzzentrum

Die über 30-jährige Partnerschaft v​on Land, Kommunen u​nd Wirtschaft h​at sich bewährt: Die Kooperationspartner bringen i​hren Sach- u​nd Fachverstand ein, nutzen d​as Know-how u​nd Netzwerk d​es AAV u​nd suchen b​ei schwierigen Fragen i​m Dialog n​ach praktikablen Lösungen. Mit d​er Novellierung d​es AAV-Gesetzes i​m Jahr 2013 w​urde der Verband z​um integrierten Beratungs- u​nd Kompetenzzentrum. Er bietet seinen Mitgliedern v​or allem a​uf folgenden Gebieten Beratung u​nd fachliche Unterstützung an[14]:

  • bei der Feststellung des Ausgangszustandes von Boden- und Grundwasser nach der Europäischen Industrieemissions-Richtlinie;
  • bei der Einführung und Anwendung neuer Techniken zur Sanierung von Altlasten und schädlichen Bodenveränderungen, zur Förderung des Flächenrecyclings sowie des Gewässerschutzes;
  • in Fragen der Sanierung von Altlasten und schädlichen Bodenveränderungen sowie des Flächenrecyclings;
  • durch Moderation und Mediation bei Altlasten und schädlichen Bodenveränderungen, die besondere fachliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweisen;
  • im Hinblick auf die Erbringung von Sicherheitsleistungen für Abfallentsorgungsanlagen im Rahmen einer Solidargemeinschaft;
  • die Übernahme von Garantien und Bürgschaften: Der Altlastenrisikofonds kann befürchtete Restrisiken bereits sanierter Grundstücke begrenzt auffangen. Dadurch sollen die Chancen für eine Vermarktung und neue Nutzung sanierter Flächen gesteigert werden.
  • Unterstützung der „Allianz für die Fläche NRW“ in allen Fragen der Flächenaufbereitung und Wiedernutzbarmachung ehemals genutzter Flächen.

Organe und Gremien

Der AAV ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die sich auf Grundlage des AAV-Gesetzes und einer Satzung selbst verwaltet. Rechtsaufsicht über die Tätigkeiten des Verbandes führt das für Umwelt zuständige Landes-Ministerium. Die Pflicht-Mitglieder des AAV – Kreise und kreisfreie Städte sowie das Land Nordrhein-Westfalen – und die freiwilligen Mitglieder aus der Wirtschaft entsenden derzeit insgesamt 37 Vertreter in die Delegiertenversammlung (Stand 11/2019), die in der Regel jährlich tagt. Die Delegierten beschließen u. a. den Maßnahmen- und Wirtschaftsplan des AAV und wählen alle fünf Jahre den elfköpfigen Vorstand. Zu dessen Aufgaben zählt nicht zuletzt die Wahl des Geschäftsführers. Außerdem sind die AAV-Mitglieder in weiteren Gremien, wie z. B. in der Kommission für Altlasten und Bodenschutz vertreten, die dem Vorstand die Projekte zur Aufnahme in den Maßnahmenplan vorschlägt und die Arbeiten an den Projekten begleitet.

Einzelnachweise

  1. Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen, Referat 14: Gesetze und Verordnungen | Landesrecht NRW. Abgerufen am 19. Juni 2018.
  2. Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Nr. 30 vom 12. Dezember 2012: Kooperationsvereinbarung zur Flächen- und Altlastenallianz Nordrhein-Westfalen. (PDF) Abgerufen am 19. Juni 2018.
  3. Dieter Bednarz: : „Wir haben unser Glück auf Unland gebaut“. In: Der Spiegel. Band 7, 11. Februar 1985 (spiegel.de [abgerufen am 19. Juni 2018]).
  4. Gift im Garten: Betreten verboten. In: ZEIT ONLINE. (zeit.de [abgerufen am 19. Juni 2018]).
  5. Gift im Boden an der Ruhr. In: ZEIT ONLINE. (zeit.de [abgerufen am 19. Juni 2018]).
  6. Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen, Referat 14: Gesetze und Verordnungen | Landesrecht NRW. Abgerufen am 19. Juni 2018.
  7. Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Nr. 30 vom 12. Dezember 2012: Kooperationsvereinbarung zur Flächen- und Altlastenallianz Nordrhein-Westfalen. (PDF) Abgerufen am 19. Juni 2018.
  8. Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen, Referat 14: Gesetze und Verordnungen | Landesrecht NRW. Abgerufen am 19. Juni 2018.
  9. Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Nr. 30 vom 12. Dezember 2012: Kooperationsvereinbarung zur Flächen- und Altlastenallianz Nordrhein-Westfalen. (PDF) Abgerufen am 19. Juni 2018.
  10. Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen: „Böden erhalten. Räume erkennen. Entwicklung sichern.“ - Nachhaltige Flächenpolitik in Nordrhein-Westfalen. (PDF) Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, 40476 Düsseldorf, Referat Öffentlichkeitsarbeit, abgerufen am 19. Juni 2018.
  11. AAV-Pressedienst: Neue Chancen für kommunale Brachflächen: AAV erhält weitere 4,6 Mio. Euro für Sonder-Förderprogramm zur Brachflächenmobilisierung. (PDF) Abgerufen am 19. Juni 2018.
  12. AAV - Verband für Flächenrecycling und Altlastensanierung - AAV. Abgerufen am 19. Juni 2018 (deutsch).
  13. Umweltwirtschaftsstrategie - Kompetenznetzwerk Umwelt - AAV. Abgerufen am 19. Juni 2018 (deutsch).
  14. AAV - Verband für Flächenrecycling und Altlastensanierung - AAV. Abgerufen am 19. Juni 2018 (deutsch).
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