20er (Zeitung)
Der 20er (gesprochen: Zwanzger) ist eine Tiroler Straßenzeitung. Sie erscheint seit 1998 in Innsbruck und gehört so mit dem Megaphon in Graz (seit 1995) und dem Augustin in Wien (seit 1995) zu den ältesten Straßenzeitungen in Österreich.
Die Zeitung erscheint zehn Mal im Jahr und wird „von Menschen in sozialen Notlagen auf selbstständiger Basis verkauft“. Die Straßenzeitung berichtet über aktuelle Themen aus dem sozialen und kulturellen Bereich sowie dem Innsbrucker Stadtleben.[1] Sie wird hauptsächlich in Innsbruck verkauft, ein Teil der Auflage auch in anderen Tiroler Gemeinden wie etwa Kitzbühel.[2]
Zur inhaltlichen Ausrichtung des 20er hieß es 2012 in der Wiener Zeitung, er sei „in Innsbruck zur Stadtzeitung geworden, mit Sozial- und Kulturschwerpunkt, weniger politisches Sprachrohr“.[3] Heute nennt sich der 20er im Untertitel auch nicht mehr nur Die Tiroler Straßenzeitung wie in früheren Jahren, sondern Die Tiroler Stadt- und Straßenzeitung. Der Zusatz „Ein Projekt auf Gegenseitigkeit“ ist geblieben.[4]
Der 20er ist Mitglied der Initiative Klimakultur.[5] Seit 2003 ist er Teil des International Network of Street Papers (INSP).[6]
Geschichte
1996 wurde der Verein zur Förderung einer Straßenzeitung in Tirol[7] in Innsbruck gegründet, zu den Initiatoren des Projektes und Vereinsgründern zählten Uwe Steger[8] und Thomas Pupp. 1998 erschien die erste Ausgabe nach dem Vorbild der US-amerikanischen Zeitung Streetsnews of New York.
Der Name 20er leitet sich vom ursprünglichen Verkaufspreis der Zeitung her: Sie kostete zu Beginn 20,- Schilling, der umgangssprachliche Begriff für die Zwanzig-Schilling-Note lautete „Zwanzger“.[9] Nach der Währungsumstellung war der Preis der Zeitung bei 2,- Euro, der Name blieb weiterhin erhalten. Aktuell (Stand Februar 2022) kostet die Zeitung 2,80[10], wobei nach dem Grundprinzip der Straßenzeitungen der Verkäufer die Hälfte des Verkaufspreises erhält. Im Jahr 2002 hatte die Zeitung eine Auflage von 10.000 Stück.[11]
In den Anfangsjahren der Tiroler Straßenzeitung war ein egalitäres, zwei- bis dreiköpfiges Redaktionsgremium für den Inhalt der Zeitung verantwortlich, unter zeitweiser Mitarbeit von u. a. Benedikt Sauer, Barbara Hundegger oder Hannes Schlosser. Nach einer Umstrukturierung und mit einem neuen Konzept wurde 2004 eine Chefredaktion bestellt. Chefredakteure waren Sylvia Riedmann-Flatz,[12] der spätere Der-Standard-Tirol-Korrespondent Steffen Arora,[13] Julia Staller[14] und Uwe Schwinghammer.[15]
2010 und 2012 war der 20er Gegenstand von Diplomarbeiten an der Universität Innsbruck, einmal am Institut für Germanistik, einmal am Institut für Erziehungswissenschaften.[16]
Seit Jänner 2020 ist Rebecca Sandbichler[17] Chefredakteurin, im März 2020 wurde die Zeitung „einem umfassenden Relaunch unterzogen“, der herausgebende Vorstand besteht aus Stefan Jenewein, Thomas Pupp, Birgit Schmoltner und Uwe Steger.[18]
2020 war der 20er in der Kategorie „Armut, Sozialstaat“ bei Orte des Respekts nominiert. 2022 wird erstmals, in Kooperation mit der Stadt Innsbruck, der nach der Fotografin Erika Hubatschek benannte Erika-Hubatschek-Preis für Dokumentarfotografie ausgelobt. „Der 20er richtet seinen Blick konsequent auf Missstände, möchte mit seiner Berichterstattung aber auch Lösungen für eine bessere Zukunft vermitteln. Arbeiten mit einer lösungsjournalistischen Ausrichtung sind deshalb ebenso willkommen“, wird Chefredakteurin Sandbichler im Ausschreibungstext zitiert.[19]
Autoren
Die 154-teilige Kolumne Brief aus Wien bestritt bis Februar 2020 der Schriftsteller Markus Köhle. Eine Aufstellung aller bis dahin im 20er veröffentlichten Autoren fand sich auf dem Titelblatt und im Inneren der Ausgabe 212 vom Februar 2020.[20] Darunter finden sich Namen wie Bernhard Aichner, Raphaela Edelbauer,[21] Martin Gostner, Barbara Hundegger, Bernhard Kathan, Birge Krondorfer, Sebastian Reinfeldt, Anja Salomonowitz, Benedikt Sauer, Helmuth Schönauer, Volker Schönwiese, Verena Teissl, Peter Turrini, Günter Vallaster oder Franz Wassermann. Im Jahr 2003 erhielt die Zeitung gemeinsam mit anderen Straßenzeitungen die Erlaubnis, das erste Kapitel von Harry Potter und der Orden des Phönix von Joanne K. Rowling abzudrucken.[22]
Literatur
- Andrea Sommerauer: Kennen Sie den Zwanzger. Die Tiroler Straßenzeitung? In: Lisa Gensluckner, Horst Schreiber, Ingrid Tschugg, Alexandra Weiss (Hrsg.): Gaismair-Jahrbuch 2001. Tirol: Gegen den Strom. Studienverlag, Innsbruck 2001, ISBN 978-3-7065-1547-4.
- Alexander Piff und Claudius Ströhle: Was beim '20er' alles mitgekauft wird. Tauschökonomien im Umfeld der Tiroler Straßenzeitung, in: Bricolage. Innsbrucker Zeitschrift für Europäische Ethnologie, Jahrgang 7, Heft 7 (2014), S. 191–215.
Weblinks
- Österreichs Orte des Respekts: 20er. Die Tiroler Straßenzeitung
Einzelnachweise
- 20er. Impressum. Abgerufen am 18. Oktober 2021.
- Harald Angerer: Straßenzeitung: Reaktion auf Beschwerden in Kitzbühel folgte rasch. In: Tiroler Tageszeitung. 20. Dezember 2019, abgerufen am 18. Oktober 2021.
- Ina Weber: O du liebe Straßenzeitung. Wiener Zeitung, 24. Mai 2012, abgerufen am 19. Oktober 2021.
- Siehe Impressum der aktuellen Printausgaben oder https://de-de.facebook.com/20er.Zeitung
- Über die Initiative Klimakultur Tirol. Abgerufen am 20. Oktober 2021.
- Street Papers of the World. Abgerufen am 18. Oktober 2021 (englisch).
- Vereinsname und Gründungsdatum siehe ZVR, Vereinsregisterauszug zum Stichtag 18.10.2021
- Daniel Feichtner: Uwe Steger: Anecken, wo es Sinn macht. Universität Innsbruck - Gemeinsam sind wir Uni, abgerufen am 18. Oktober 2021.
- (ars, hag, mue, neu, ook, set, wei): Initiativen in der Corona-Krise: Anker für den Alltag. In: Der Standard. 3. April 2020, abgerufen am 3. Januar 2022.
- Im Austria Kiosk der APA sind die einzelnen Ausgaben digital um 3,08 Euro verfügbar.
- Österreichs Straßenzeitungen leiden unter Absatzschwund. Der Standard, 17. Juli 2002, abgerufen am 19. Oktober 2021.
- Sylvia Riedmann. Abgerufen am 18. Oktober 2021.
- Steffan Arora. In: derstandard.de. Abgerufen am 18. Oktober 2021.
- Julia Staller-Niederhammer, Redakteur. In: Falstaff. Abgerufen am 18. Oktober 2021.
- Vgl. Impressum 20er - Die Tiroler Straßenzeitung / Nr. 211, November 2019
- Eva Janovsky: Literaturkritik in Straßenzeitungen, Innsbruck, Univ., Dipl.-Arb., 2010 und Julia Staller: Erwerbsarbeit als Integrationsinstanz bei AsylwerberInnen in Österreich am Beispiel der Tiroler Straßenzeitung 20er, Innsbruck, Univ., Dipl.-Arb., 2012.
- (jole): „20er“ feiert Neustart mit einem Überraschungsei. In: Tiroler Tageszeitung. 4. Februar 2020, abgerufen am 18. Oktober 2021.
- Erleichterung bei der Tiroler Straßenzeitung 20er: Sozialministerium erlaubt Straßenverkauf in ganz Österreich. APA (ots), 18. November 2020, abgerufen am 18. Oktober 2021.
- Flucht-Realitäten im Bild: „Erika Hubatschek Preis für Dokumentarfotografie“ erstmals ausgeschrieben. In: Innsbruck informiert. 21. Februar 2022, abgerufen am 2. März 2022.
- Komplette Ausgabe unter https://www.rog.at/wp-content/uploads/2020/02/20er-TEASER-web.pdf
- 20er, März 2021.
- Vorabdruck von "Harry Potter" in Obdachlosenzeitungen. Der Standard, 3. Oktober 2003, abgerufen am 19. Oktober 2021.