Šamaš
Šamaš (Schamasch) war in der akkadischen und babylonischen Mythologie der Sonnengott, Gott der Gerechtigkeit und des Wahrsagens. Er entsprach dem Gott Utu der Sumerer. Ähnlich wie bei dem Gott Ninurta gibt es Hinweise darauf, dass es sich ursprünglich um eine weibliche Gottheit handelte. Daher kann Šamaš durchaus in Namenstiteln als „Mutter“ bezeichnet werden. Erst beim Zusammentreffen mit der sumerischen Kultur am Anfang der Akkadzeit und der Gleichsetzung von Šamaš mit dem sumerischen Sonnengott Utu wurde aus der weiblichen Sonne ein männlicher Gott[1]. Sein Symbol war die Sonnenscheibe mit meist achtstrahligem Stern und wellenförmigen Strahlen, Sonnenstrahlen an seinen Schultern, der Löwe und die Säge. Er wird oft dargestellt, wie er zwischen den Bergen in den Himmel steigt, die Säge in der Hand, mit der er sich seinen Weg aus dem Gebirge gebahnt hat.
Genealogie
Šamaš war der Sohn des Mondgottes Nanna/Sin. Mit der Göttin Aja (Anunitu) zeugte Šamaš die Söhne Mešaru (Mišaru) und Kettu (Kittu), die Personifikationen von Recht und Gerechtigkeit und seine ständigen Begleiter. Weitere Kinder sind die Traumgötter Mamu und Ziqiqu (Sisig), sowie Išum mit Ninlil.
Geschichte
Šamaš war im babylonischen Pantheon niemals ein bedeutender Gott. Anders als andere Götter kommt er nur in wenigen Mythen vor. Seine Hauptheiligtum war der Tempel E-Babbar in Sippar, jedoch gab es auch Tempel, die er sich mit anderen Göttern, z. B. dem Mondgott Nanna in Aššur, teilen musste. Als Sonnengott, der alles sehen konnte und die Dunkelheit bezwang, galt er auch als Gott der Gerechtigkeit und der Rechtsprechung. Dementsprechend ließ sich Hammurapi auf der berühmten Gesetzesstele, dem Codex Ḫammurapi darstellen, wie er die Herrschaftssymbole von Šamaš, dem Gott der Gerechtigkeit empfängt. Während Šamaš in akkadischer und babylonischer Zeit als sanftmütiger Gott galt, und nur als Richter besondere Bedeutung hatte, bekam Šamaš in assyrischer Zeit durchaus einen kriegerischen Charakter und verschmolz teilweise mit dem assyrischen Gott Aššur. In griechisch-römischer Zeit war Šamaš unter den arabischen Einwohnern der syrischen Oasenstadt Palmyra beliebt. Er wurde besonders von Stammesmitgliedern der Bene Zabdibol zusammen mit dem arabischen Gott Rahim im Tempel der al-Lat, der „Herrin des Tempels“ verehrt. In Palmyra behauptete Šamaš seinen Platz neben den zur selben Zeit verehrten Sonnengöttern Jarḥibol und Malakbel. Auf mehreren Tesserae ist Šamaš mit dem Hochgott von Palmyra, Bel, abgebildet, was seinen Anteil am offiziellen Tempelkult des Bel unterstreicht[2].
Die Wurzel Š-m-š bzw. S-m-s steht in allen semitischen Sprachen für „Sonne“, etwa im arabischen شَمْس (Schams) oder im Hebräischen שֶׁמֶשׁ (Schemesch)
Mythologie
Šamaš trat jeden Tag aus dem Berg Maschu aus und bestieg den Himmel. Seine Lichtstrahlen drangen überallhin, wodurch er jedes Geheimnis und jede Missetat erkannte. Am Abend trat er wieder in die Erde ein und durchquerte sie bis zum nächsten Morgen. Sein Symbol war die Säge, seine heilige Zahl die Zwanzig.
Im Gilgamesch-Epos steht Šamaš dem Helden Gilgamesch bei seinem Kampf gegen den Dämonen Ḫumbaba bei, indem er dreizehn Sturmwinde gegen ihn entfacht.
Literatur
- Jimmy Jack McBee Roberts: The Earliest Semitic Pantheon. A Study of the Semitic Deities Attested in Mesopotamia Before Ur III. Johns Hopkins University Press, London 1972, ISBN 0801813883
- Helmut Freydank u. a.: Lexikon Alter Orient. Ägypten, Indien, China, Vorderasien. VMA-Verlag, Wiesbaden 1997, ISBN 3-928127-40-3
- Brigitte Groneberg: Die Götter des Zweistromlandes. Kulte, Mythen, Epen. Artemis & Winkler, Stuttgart 2004, ISBN 3-7608-2306-8
- Peter Werner: Der Sîn-Šamaš-Tempel in Assur (= Wissenschaftliche Veröffentlichungen der Deutschen Orient-Gesellschaft 122). Harrassowitz, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-447-05946-6
Weblinks
- Versuche zur Rekonstruktion des gesprochenen Akkadisch. U.a. auch die eingesprochene Hymne an Šamaš mit Transkription. Website der School of Oriental and African Studies, Universität London
Einzelnachweise
- Jimmy Jack McBee Roberts: The earliest semitic pantheon. Johns Hopkins University Press, London 1972
- Javier Teixidor: The Pantheon of Palmyra. (= Études préliminaires aux religions orientales dans l'Émpire romain 79). Leiden 1979, S. 64–66