Ökotourismus
Ökotourismus (auch: naturnaher Tourismus) ist eine auf die Belange von Umwelt und ansässiger Bevölkerung besondere Rücksicht nehmende Form des Tourismus.
Definition
Im Einzelnen ergeben sich freilich erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten. Einige verstehen darunter die Reise in relativ unberührte Gebiete, ohne dass die Umwelt und die lokale Bevölkerung negative Folgen davontragen. Oft werden jedoch auch Flugreisen in naturnahe Gebiete (zum Beispiel Nationalparks) getätigt, um dort Ökotourismus zu betreiben, was insgesamt nicht ökologisch nachhaltig ist.
Gemäß der Weltorganisation für Tourismus (UNWTO) und der damit verbundenen‚ Quebec Declaration’, die im Zuge des ‚International Year of Ecotourism 2002’ verfasst wurde, umfasst Ökotourismus nicht nur die Grundpfeiler der nachhaltigen Entwicklung im wirtschaftlichen, ökologischen und soziokulturellen Sinne, sondern differenziert sich zu anderen nachhaltigen Formen des Tourismus durch die strikte Orientierung an folgenden Prinzipien:
- Ökotourismus trägt aktiv zum Erhalt des natürlichen und kulturellen Erbes bei.
- Er berücksichtigt und involviert die lokale oder indigene Bevölkerung in dessen
- Planung, Entwicklung und Durchführung und trägt weiters zu deren Wohl bei.
- Ökotourismus legt den Besuchern das natürliche und kulturelle Erbe näher.
- Er eignet sich für Individualreisende oder kleinere organisierte Gruppen.[1][2]
Das Bundesamt für Naturschutz beschreibt Ökotourismus wie folgt: Ökologischer Tourismus ist die Weiterentwicklung der Konzeptidee des umweltverträglichen bzw. umweltfreundlichen Tourismus. Da im deutschen Sprachgebrauch Umweltverträglichkeit tendenziell unter anthropozentrischer Sichtweise auf die Umwelt des Menschen eingegrenzt wird, obwohl umfassender eigentlich ein intakter Naturhaushalt und eine auch für wildlebende Pflanzen und Tiere angemessene Umwelt erforderlich ist, ist die Sichtweise im Ökotourismus auf ökosystemare Zusammenhänge ausgedehnt worden. Ziel, insbesondere von wissenschaftlicher und NGO-Seite, ist ein „Ökologisch verantwortlicher Tourismus“.
Das Wort Ökotourismus bezieht sich dabei meist weniger auf die An- und Abreise, sondern (vor allem international) auf ein umweltfreundliches Verhalten am Urlaubsort.
Zur Definition von Naturtourismus laut GTZ (Ludwig Ellenberg): „Es handelt sich um ein spezielles Nachfragesegment, welches sich dadurch auszeichnet, dass naturbezogene Aktivitäten in attraktiven naturnahen Landschaften, bevorzugt in Schutzgebieten, ausgeübt werden.“
Dazu zählen:
- Wissenschaftstourismus
- Tierbeobachtungen
- Naturphotographie
- Konsumtive Aktivitäten (Fischen, Jagen)
- Sport und Abenteuertourismus
Um nicht nur reinen Naturtourismus, sondern Ökotourismus zu betreiben, sollte die Aktivität immer in nachhaltigem Sinne die Natur schützen und einen Beitrag für die lokale Bevölkerung leisten. Bei den konsumtiven Aktivitäten ist in Betracht zu ziehen, wie hoch die Rendite pro Reisenden im Vergleich zu anderen Aktivitäten liegt (Jagd ↔ Fotosafari). Eine Frage die vermutlich immer Widerspruch auslösen wird.
Die mittlerweile nicht mehr existierende Naturschutz-Organisation PAN Parks Foundation hat ein Konzept erarbeitet, um Ökotourismus, lokale Wirtschaftsförderung und Naturschutz in europäischen Schutzgebieten mit Wildnischarakter zu verbinden. Das Konzept wird von der Organisation European Wilderness Society weitergeführt.
Im spanischen Sprachgebrauch kann mit ecoturismo dagegen ein bloßer Ausflug ins Grüne gemeint sein. In Ecuador wird die Bezeichnung als Marketingstrategie verwendet, um den potentiellen Kunden einen weiteren Grund für den Kauf einer naturtouristischen Reise zu bieten, die jedoch tatsächlich wenig mit umweltfreundlichem Reisen zu tun haben.
Im Vergleich zum Ökotourismus kann Nachhaltiger Tourismus nicht nur in beinahe unberührten Gebieten, sondern auch in Städten stattfinden.
Geschichte
Der Begriff Ökotourismus entstand in den 1960er-Jahren in den USA: Ecotourism is responsible travel to natural areas that conserves the environment and sustains the well being of local people (The Ecotourism Society 1991). Namibia war 1990 eines der ersten Länder der Erde, das dem Umweltschutz einen Verfassungsschutz einräumte und seitdem einen ökologischen Tourismus mittels des dafür geschaffenen Ministerium für Umwelt und Tourismus koordiniert.
Im Jahr 1992 rückte das Thema „Nachhaltigkeit“ auch in den Fokus der Vereinten Nationen: Während der Rio-Konferenz verständigte sich die Staatengemeinschaft auf das „Nachhaltigkeitsprinzip“, das auch im Tourismus eine Rolle spielen sollte. Konkret sollten die Gästezufriedenheit und die Stärkung der regionalen Wirtschaft mit dem Naturschutz und der Verbesserung der Lebensqualität der Einheimischen einhergehen. In Deutschland ist es Aufgabe des Bundesamtes für Naturschutz, diese Forderungen durch konkrete Projekte umzusetzen.[3]
Beispiele
Ökotourismus ist zu einem eigenen Marktsegment geworden und weltweit verbreitet. Zwei Beispiele in Afrika, die der WWF positiv bewertet, sind das Schutzgebiet Kavango-Zambezi (KAZA) und der Virunga-Nationalpark.[4]
Kritik
Meist handelt es sich beim Ökotourismus um Reisen in die Natur. Dabei wird sie oft durch übermäßigen Gebrauch geschädigt. Zum Beispiel wurden in Nepal ganze Wälder abgeholzt, um „Trekker“ mit Holz zu versorgen. Oft reisen „Öko-Touristen“ in Gebiete, die viele seltene Pflanzen und Tiere beheimaten. Diese werden dadurch unter Umständen gefährdet.
Kritiker des Ökotourismus weisen darauf hin, dass Gebiete, die für den Ökotourismus geöffnet werden, bald ausgedehnte Erschließungen samt Infrastrukturausbau und schließlich auch Massentourismus mit all seinen umweltschädigenden Auswirkungen nach sich ziehen können. Besonders gefährdet seien "Entwicklungsländer" mit ihren eher geringen Umweltschutzauflagen, da sie für ausländische Tourismusunternehmen, die mit geringem Kapitaleinsatz hohe Gewinne erzielen wollen, besonders attraktiv seien. Außerdem werde die Anreise – vielfach mit dem stark umweltschädigenden Flugzeug – außer Acht gelassen.
Im Übrigen bringt auch der Ökotourismus selbst Belastungen für das Zielgebiet mit sich. Die Idee, der Tourismus solle den Schutz der Natur mitfinanzieren, erscheint sinnvoll, doch geht die Rechnung oft nicht auf: So bringen etwa Reisen in die Laichgebiete von Meeresschildkröten, mit denen angeblich deren Schutz finanziert wird, unabsehbare und vielleicht nicht offensichtliche Beeinträchtigungen des betreffenden Ökosystems mit sich. Hier wäre zum Beispiel die Verschmutzung des Lebensraumes der Schildkröte durch die Hotelabwässer zu nennen, die in Entwicklungsländern oftmals ungeklärt in das Meer eingeleitet werden. Auch halten die Einnahmen aus dem Tauchtourismus in Kenia keineswegs das Riffesterben auf; Die ökologischen Belastungen durch den Tourismus jenseits der Parkzäune und auf dem Weg bis an die Tore der Parks (Speedboote, Hotelabwässer) müssen vollumfänglich mitberechnet werden. Eine naturverträgliche Lenkung der steigenden Besucherzahlen kostet zusätzlich Geld, das die Kassen vieler Parkverwaltungen gar nicht hergeben.
Probleme ergeben sich auch im Kulturbereich. Besonders betroffen sind insofern die indigenen Völker, die rund 300 Millionen Menschen, die schätzungsweise 90 Prozent der Gebiete bewohnen, welche die höchste Artenvielfalt und die seltensten Arten der Welt beherbergen. Sie wurden etwa im Zuge ökologisch motivierter Tourismusprojekte aus ihrem angestammten Lebensraum vertrieben, indem ihnen das Betreten der Schutzgebiete durch Zäune verwehrt wurde. Da ihre Landrechte juristisch sehr labil sind, stellt der Tourismus vielfach eine reale Gefährdung ihrer Existenzgrundlage dar. Eine ähnliche Situation ist auch in Kenias Samburu Nationalpark anzutreffen. Der Vorsitzende des Kenya Pastoralist Forums beklagt, dass den Viehhirten selbst in der Trockenzeit der Zugang zum Wasser innerhalb des Parks unter Waffengewalt verwehrt wird. In Bangladesch bangen 1000 Familien um den Zugang zu ihren Wäldern, seit der Plan für einen »Eco-Park« bekannt wurde und die Forst- und Umweltbehörde die Siedlungen der Bewohner für illegal erklärte. Die Anwohner der historischen Stätte Kuelap in Peru sollen von ihren Anbaugebieten und ihrem kulturellen Erbe vertrieben werden, um einem touristischen Projekt Platz zu machen. Dabei verzichtet die nationale Kulturbehörde auch nicht auf Drohungen und gewaltsame Übergriffe auf die Bauern.
Siehe auch
Literatur
- L. Ellenberg u. a.: Ökotourismus: Reisen zwischen Ökonomie und Ökologie. Heidelberg u. a. 1997.
- Ulrich Grober: Vom Wandern. Neue Wege zu einer alten Kunst. Zweitausendeins Verlag, Frankfurt 2006, ISBN 3-86150-772-2.
- K. Lindberg u. a.: Ecotourism, A Guide For Planners and Managers. Volume 1, North Bennington 1993. (englisch)
- K. Lindberg u. a.: Ecotourism, A Guide For Planners and Managers. Volume 2, North Bennington 1998. (englisch)
- Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Hrsg.): Ökotourismus als Instrument des Naturschutzes?: Möglichkeiten zur Erhöhung der Attraktivität von Naturschutzvorhaben. Arbeitsgruppe Ökotourismus, München u. a. 1995.
- G. Danielli, R. Sonderegger: Kompaktwissen Naturtourismus. Rüegger Verlag, Zürich 2009, ISBN 978-3-7253-0924-5.
- D. Siegrist, M. Stremlow: Sehnsucht – Erlebnis – Landschaft. Naturnaher Tourismus in Pärken und UNESCO-Gebieten. Zürich 2009, ISBN 978-3-85869-393-8.
Weblinks
- respect – Institut für Integrativen Tourismus und Entwicklung: www.respect.at
- Bundesamt für Naturschutz: www.bfn.de
Einzelnachweise
- Ecotourism and Protected areas | UNWTO. Abgerufen am 20. Juni 2021.
- Anick Löffler: Touristische Entwicklung auf Mauritius unter Berücksichtigung des Ökotourismus. wien 2011 (univie.ac.at [abgerufen am 20. Juni 2021] uniwien).
- Ökotourismus: Begriffe und Definitionen. Bundesamt für Naturschutz, abgerufen am 22. März 2020.
- Brit Reichelt-Zolho, Johannes Kirchgatter: Ökotourismus in Afrika. auf: dandc.eu