Zeitungsausschnittbüro
Ein Zeitungsausschnittbüro, bekannt auch unter Begriffen wie Presseausschnittbüro, Pressebeobachtungsbüro, Zeitungsdienst, Ausschnittdienst und Clippingdienst, bietet eine Dienstleistung im Rahmen der Medienbeobachtung an: die Presseberichterstattung je nach Auftrag auf bestimmte Stichwörter hin zu beobachten, die entsprechenden Artikel möglichst vollständig zu erfassen und dem Auftraggeber als Zeitungsausschnitt im Original oder als Kopie rasch zuzustellen.
Diese Dienste werden vor allem durch Unternehmen, Verbände, Parteien, Verwaltungen, Institute, Kultureinrichtungen, Touristikfirmen und ähnliche Organisationen in Anspruch genommen. Sie wollen so umfassend und schnell wie möglich erfahren, in welcher Form Presseorgane im Print- wie im Onlinebereich sowie andere Medien über sie berichten.
Geschichte
Der früheste Ausschnittdienst ist das 1879 gegründete Büro „L'Argus de la Presse“ (Paris). Es geht auf die Franzosen Alfred Chérié und Auguste de Chambure zurück, die mit den gesammelten Ausschnitten zunächst Künstler bedienten. Zu dessen Kunden zählte aber auch der Mediziner Rudolf Virchow, ein besonders eifriger Sammler von Zeitungsausschnitten. Von 1881 an befasste sich zunächst in London auch Henry Romeike mit der Idee, Zeitungsausschnitte systematisch zu sammeln und weiterzuleiten.[1] 1883 eröffnete er ein New York eine einschlägige Firma. Berlin folgte 1885. Dort war Clemens Freyer, ein Mitarbeiter des Reichstagsabgeordneten und Zentrumspolitikers Ludwig Windthorst, als Gründer des ersten deutschen Ausschnittbüros tätig. Dem neuen Gewerbe mit den dafür tätigen Lektorinnen und Lektoren kam es bald zugute, dass auch Politiker mehr und mehr Interesse an dem hatten, was in der Presse über sie zu lesen war, um darauf reagieren zu können. Um 1936 gab es in Berlin bereits sechs Ausschnittbüros (darunter die Firma Max Goldschmidt), 1968 waren es sogar 13.[2]
Dienstleistung
Heutige Büros beschäftigen sich nicht nur mit Ausschnitten aus Zeitungen, Zeitschriften und Anzeigenblättern; ebenso erfassen sie Hörfunk- und Fernsehsendungen, Nachrichtenagenturen, Online-Portale, Newsgroups und Weblogs. Neben kommerziellen Ausschnittbüros beobachten sehr häufig auch Beschäftigte in Pressestellen etwa von Firmen, Parteien, Ministerien, Kommunalverwaltungen und dergleichen systematisch die sie betreffenden Medienbeiträge; sie fertigen daraus Pressespiegel und ähnliche Übersichten.
Für eine gute Dienstleistung ist es entscheidend, dass die Auswerterinnen und Auswerter ein sehr zuverlässiges Gedächtnis und hohe Konzentration mit Blick auf die sehr zahlreichen und häufig wechselnden Stichwörter und Themen haben, die die Auftraggeber (Kunden) ihnen vorgegeben haben. Diese bezahlen in der Regel eine monatliche Grundgebühr für jedes Stichwort (oft wird dabei nach Kurz- oder Langzeitbeobachtung unterschieden) sowie einen Betrag pro Ausschnitt.
Üblich ist es, die erfassten Pressetexte mit einem Klebezettel zu versehen. Auf ihm sind neben der Anschrift des Ausschnittbüros der Name des Periodikums, das Datum der Ausgabe, die Seite und die Auflagenhöhe vermerkt.
Ein Beispiel dafür, wie stark sich die Arbeit der Dienstleistung verändert hat und welche Fehler dabei gemacht werden können, gab im Spätherbst 2013 die Insolvenz der früher führenden Firma Infopaq. Sie ist aus dem 1887 gegründeten "Argus Nachrichten-Büro" (Berlin) hervorgegangen und war zuletzt im Besitz dänischer Eigentümer.[3]
Forschung
1939 promovierte Irene Hertha Schmidt an der staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg (Schweiz) mit dem Thema „Die wirtschaftliche Bedeutung und Organisation der Zeitungsausschnitte-Büros“ (veröffentlicht 1939 in Berlin). Schmidt selbst leitete von 1941 an den Ausschnittdienst „Observer“ (Wien).
Heutige Firmen (Beispiele)
- APA-Comm (Wien)
- Argus Data Insights (Berlin und Zürich)
- blueReport (Berlin und Zürich)
- Breitenbach Media (Köln)
- Echobot Media Technologies GmbH (Karlsruhe)
- Fleischauer (Berlin)
- Landau Media (Berlin)
- mediatpress (Stuttgart)
- Meltwater (Berlin, München, Wien)
- PMG Presse-Monitor (Berlin)
- Pressrelations (Düsseldorf und Berlin)
- Observer (Wien)
Zitate
„Zeitungen und Zeitschriften waren zu einer allseits befragbaren Informationsbörse geworden, auf die niemand mehr verzichten konnte. Die Zeitungsseite entwickelte sich zum Handelsplatz. (...) Das Medium Zeitung wurde durch diese Industrie (die Zeitungsausschnittindustrie) neu geordnet. (...) Dem flüchtigen Medium Zeitung wurde so ein neues Haltbarkeitsdatum gegeben.“ (S. 27 und 28)
Die Kulturwissenschaftlerin und Museologin Anke te Heesen (2002)[4]
„Es kann eine Zukunft ohne clippings und ohne Papier geben, aber noch sind nicht alle Sachen im Netz. Hier fehlen die Bilder, oder da ist der Titel gekürzt, oder die Lokalseiten sind anders als im Original. Mit dem Medium Zeitung (...) wird es nicht bergab gehen. Das Internet stellt für uns keine so große Gefahr dar, wie wir noch vor einigen Jahren glaubten.“
Lucia Hertweck, Auswerterin bei der Fa. Metropol (2001)[5]
„Ausschnittagenturen sind kein Fall von gestern, nicht an den Rand gedrängt oder gar ausgestorben. Im Gegenteil, sie sind nach wie vor gefragt, und das nicht nur beim Beobachten und Ausschlachten von Printmedien, sondern ebenso bei Inhalten, die es als Folge des Internets erst seit einigen Jahren gibt (...) in großer Zahl, mit früher unvorstellbaren Varianten.“
Der Journalist und Medienforscher Eckart Roloff (2010)[6]
Literatur
- Ralph Geisenhanslueke: Lesen und lesen lassen. In: Die Zeit vom 3. Mai 2001, Nr. 19
- Anke te Heesen (Gastherausgeberin): Cut and paste um 1900. Der Zeitungsausschnitt in den Wissenschaften. Siehe vor allem das Vorwort (S. 10–18), ferner den Beitrag auf S. 20–37 und das ausführliche Interview mit Lucia Hertweck vom Berliner Pressedienst „Metropol“ über ihre Arbeit, S. 161–170, Vertrieb Vice Versa (Berlin) 2002, ISSN 1432-0118.
- Anke te Heesen: Der Zeitungsausschnitt. Ein Papierobjekt der Moderne. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-596-16584-9.
Einzelnachweise
- http://siris-archives.si.edu/ipac20/ipac.jsp?uri=full=3100001~!140620!0
- Anke te Heesen: Cut and paste um 1900. Der Zeitungsausschnitt in den Wissenschaften. Vertrieb Vice Versa (Berlin) 2002.
- https://mmm.verdi.de/medien-wirtschaft/01-2014/ausgeclippt
- Anke te Heesen: Vorwort zu Cut and Paste um 1900, S. 27–28.
- Interview auf den S. 161–170 des Bandes von Anke te Heesen: Cut and paste um 1900. Der Zeitungsausschnitt in den Wissenschaften. Vertrieb Vice Versa (Berlin) 2002, S. 169–170.
- Eckart Roloff: Aus-Lese mit Schere und Skalpell. Der Zeitungsausschnitt als Kulturgut. In: Das Archiv. Magazin für Kommunikationsgeschichte, Heft 3/2010, S. 29.