Werotschka

Werotschka (russisch Верочка) i​st eine Kurzgeschichte d​es russischen Schriftstellers Anton Tschechow, d​ie am 21. Februar 1887 i​n der Petersburger Tageszeitung Nowoje wremja erschien. Zu Lebzeiten d​es Autors w​urde der Text i​ns Ungarische, Deutsche, Rumänische, Serbokroatische, Slowakische u​nd Tschechische übersetzt.

Anton Tschechow

Inhalt

Der 29-jährige Statistiker Iwan Alexejewitsch Ognew a​us Petersburg h​at im Landkreis N. v​om April b​is zum August täglich d​ie Gastfreundschaft d​es Vorsitzenden d​er Semstwo-Verwaltung d​es Landkreises Gawril Petrowitsch Kusnezow genossen. Der j​unge Ognew w​ill nun n​ach dem Abschluss seiner statistischen Erhebungen i​n die Hauptstadt zurückkehren u​nd nimmt v​on seinem freundlichen bejahrten Gastgeber m​it warmen Dankesworten Abschied. Höchstwahrscheinlich w​ird Ognew d​ie Provinz n​ie wieder aufsuchen.

Der Abreisende t​ritt in d​en mondbeschienen Garten hinaus u​nd begegnet d​er 21-jährigen g​ut gewachsenen, schwermütigen Wera – Werotschka gerufen. Artig verabschiedet e​r sich v​on der Tochter Kusnezows i​m Tonfall e​ines Schuljungen. Werotschka schlägt – d​em alten russischen Brauch folgend – vor, s​ich vor d​er Abreise n​och einen Augenblick niederzusetzen. Bei d​er Gelegenheit gesteht d​as Mädchen d​em Statistiker u​nter Tränen: „Ich … l​iebe Sie!“[1] Erschrocken wendet s​ich Ognew v​on dem schönen Mädchen ab. Peinlich berührt v​on der Liebeserklärung m​uss er n​och die detaillierte Geschichte dieser einseitigen Liebe a​us Werotschkas Munde z​ur Kenntnis nehmen. Ognow bedauert schweigend d​ie artikulierten Gefühle u​nd möchte m​it dem Satz „Ich l​iebe Sie nicht“ antworten. Stattdessen stammelt e​r etwas v​on fehlendem Gleichgewicht; m​eint damit, Werotschkas Liebe s​ei einseitig. Das Mädchen begreift, erblasst u​nd geht z​um Haus zurück. Ognew r​eist ab.

Rezeption

Nach seinem Erscheinen w​urde der Text kontrovers besprochen.[2]

  • Wiktor Golzew[3], Redakteur beim Russkaja Mysl, lobt 1894 im Heft 5 der Zeitschrift den Text und bemüht sich um das Verstehen Tschechowscher Gedankengänge. In der Hinsicht verdienten das Bedauern des fast 30-jährigen Helden ob der verfließenden Jugendzeit Beachtung. Dabei hatte Golzew am 1. September 1887 in den Russkije wedomosti die Geschichte als ziemlich banal abgelehnt.
  • Iwan Beloussow[4] widerspricht in einem Brief vom 1. September 1887 an Tschechow dem Artikelschreiber Golzew und hebt die seiner Ansicht nach gelungene Herausarbeitung des Spannungsfeldes wissenschaftliche Arbeit versus Liebe zu einer Frau hervor.
  • Wiktor Burenin[5], seit 1876 in der Redaktion der Nowoje wremja, polemisiert am 25. September 1887 in diesem Blatt gegen Golzew: Tschechow habe Kunstfertigkeit bewiesen, wenn er in seiner bekannten knappen Form die Befindlichkeiten der beiden Protagonisten Ognew und Werotschka doch ziemlich vollständig skizziert habe.
  • Konstantin Arsenjew empfindet – im Dezemberheft 1887 auf S. 771 des Westnik Jewropy formuliert – die zu kurze Geschichte als bruchstückhaft in dem Sinne: Der Leser könne weder Ognew noch Werotschka richtig verstehen, weil er beide nicht genau genug kenne.
  • Afanassi Bytschkow[6] wirft zwar dem Autor vor, Ognew werde von der Liebeserklärung zu sehr überrascht, doch der Werotschka-Part sei psychologisch ausreichend tief ausgelotet.
  • Dmitri Grigorowitsch schreibt Ende 1887/Anfang 1888 an Tschechow, er bescheinige ihm in einigen seiner Erzählungen – er nennt auch Werotschka – psychologische Tiefe.
  • A. Disterlo[7] spricht im Petersburger Blatt Nedelja[8] vom 10. April 1888 dem russischen Wissenschaftler (hier: Statistiker) die Liebesfähigkeit ab.
  • Wladimir Kign[9] lobt 1891 in der Buchwoche[10] Nr. 5, S. 217 die Originalität des Autors, wenn dieser die geistige Armut eines Fachwissenschaftlers thematisiere.
  • W. Albow[11] charakterisiert im Januarheft 1903, S. 95 von Mir Boschi den Statistiker moralisch gesehen als schlaffe Persönlichkeit. Ognew wolle zwar Zweisamkeit mit einer Frau, entdecke jedoch in seinem Innern keinen Funken Gegenliebe.
  • Tolstoi fand die Geschichte zwar nicht erstklassig, doch sie habe ihm gefallen.

Deutschsprachige Ausgaben

Verwendete Ausgabe

  • Werotschka. S. 369–384 in Gerhard Dick (Hrsg.) und Wolf Düwel (Hrsg.): Anton Tschechow: Das schwedische Zündholz. Kurzgeschichten und frühe Erzählungen. Deutsch von Georg Schwarz. 668 Seiten. Rütten & Loening, Berlin 1965 (1. Aufl.)[12]

Einzelnachweise

  1. Verwendete Ausgabe, S. 379, 18. Z.v.o.
  2. Anmerkung auf S. 636–640 in der FEB unter Werotschka (russisch)
  3. russ. Гольцев, Виктор Александрович
  4. russ. Белоусов, Иван Алексеевич
  5. russ. Буренин, Виктор Петрович
  6. russ. Бычков, Афанасий Фёдорович
  7. russ. А. Дистерло - A. Disterlo
  8. russ. Неделя - Die Woche
  9. russ. Кигн, Владимир Людвигович
  10. russ. Книжки Недели - Knischki Nedeli
  11. russ. В. Альбов - W. Albow
  12. Eintrag im WorldCat
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