Wanderkönig (Schach)
Unter einem Wanderkönig versteht man im Schach einen König, der im Mittelspiel nicht wie meistens durch einen Bauernwall geschützt ist, sondern frei über das Feld wandert – meist im Kreuzfeuer gegnerischer Figuren.
Ein Wanderkönig ist in den meisten Fällen ein Nachteil für den Spieler, aber nicht immer. Wanderkönige, die im Mittelspiel in die gegnerische Bretthälfte vordringen und deren Seite dabei siegreich bleibt, sammelt Schachmäzen Tim Krabbé unter der Bezeichnung Steel-Könige.
Im Endspiel spielt der König meistens eine aktive Rolle – in diesem Falle spricht man nicht von einem Wanderkönig.
Partiebeispiele
Fernpartie, 1981/82
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Der schwarze König wanderte, getrieben durch weiße Angriffe, ins gegnerische Lager und wurde dort mattgesetzt: 33. Te1–b1+! Lf5xb1 34. Th1xb1+ Kb2xb1 35. Dg3–b3+ Kb1–a1 36. Kd2–c1! und weil Schwarz nach 36. … Dh8–h6+ 37. Kc1–c2 d4–d3+ 38. Db3xd3 machtlos ist, gab er hier auf.
Oft wird ein Wanderkönig durch Materialopfer erzwungen. Manchmal reicht das verbliebene Material dann nicht mehr, den König matt zu setzen. In der Unsterblichen Remispartie konnte Schwarz zumindest noch ewiges Schach erzwingen:
Wien, 1872
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Es folgte 16. … Lc8–b7+! 17. Kc6–b5!
17. Kc6xb7? führt zum Matt nach 17. … Kd8–d7 18. Dd1–g4+ Kd7d6 nebst Th8–b8# 17. … Lb7–a6+ 18. Kb5–c6 mit Remis. (18. Kb5–a4? La6–c4 nebst b6–b5#)
Wenn der Wanderkönig ausreichende Unterstützung durch eigene Figuren hat, kann seine Seite auch den Sieg davontragen.
Wien, 1898
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Der schwarze König steht durch die verhinderte Rochade nicht sicherer als der weiße. In der Partie gelangte der weiße König zuletzt in sichere Deckung, wonach Weiß seinerseits entscheidenden Angriff hatte: 25. … Dh3–g2+ 26. Kd5–c4 b7–b5+ 27. Kc4–d3 Dg2–f3+ 28. Kd3–c2 Df3–f2+ 29 Kc2–b3 Td8–c8 30. Tc1–c2 Df2xf4 31. Kb3–b2 Sc6–a5 32. Kb2–a1 Df4–c4 33. e5–e6 Sa5–c6 34. Db1–d1 h7–h5 35. Te1–g1 Th8–h7? 36. Tg1xg7! nebst Matt.
In Ausnahmefällen wird ein Wanderkönig sogar selber zur entscheidenden Angriffsfigur.
Tilburg, 1991
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Weiß hat seinen Gegner gelähmt, aber der Springer f3 ist durch die Mattdrohung der schwarzen Batterie aus Läufer und Dame auf g2 daran gehindert, den Angriff zu unterstützen. Short löste das Problem, indem den König selbst zur Verstärkung des Mattangriffs nach vorne spielte – Schwarz hatte keinerlei Verteidigung:
- 32. Kh2–g3!! Tc8–e8 33. Kg3–f4! 33. … Lb7–c8 34. Kf4–g5!
Timman gab hier auf. Auf 34. … Lc8xd7 folgt 35. Kg5–h6 und Weiß setzt im nächsten Zug mit Df6–g7 matt. Spielt Schwarz 34. … Kg8–h7, so nimmt Weiß mit 35. Df6-xg6+ den dann ungedeckten Bauern g6 (f7 ist gefesselt) und setzt wenige Züge später matt.
Doppelte Wanderkönige
Partien, in denen die Könige beider Seiten wandern, sind besonders selten.
Minsk, 1971
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Weiß zog hier aus dem Schach und bot gleichzeitig eines – symptomatisch für doppelte Wanderkönige. Das nützte ihm aber nichts, denn der schwarze König kam auf c8 unter, während der weiße ganz ins Freie musste: 24. Kd2–e3+ Kd7–c8 25. Dh6–g7 f5–f4+! 26. Ke3xf4 Db2xf2+ Kf4–g5 Df2xg2+. Weiß gab auf.
Łódź, 1953
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Hier haben beide Seiten den gegnerischen König quer über das Brett gejagt. Schwarz, mit Minusfigur, versuchte es mit weiteren Materialopfern, doch er machte am Ende aus seinem Gegner einen Steel-König: 48. … Tf1–f3+! 49. Ke3xf3! Le2xf3 führt zu ewigem Schach Dc1–h1+ 50. Kf3–g4 Tb1–g1+ 51. Td3–g3 Dh1xe4+ 52. Kg4–g5 Tg1xg3+ 53. Kg5–f6 Tg3–f3+! Ein zweites Turmopfer auf demselben Feld! Nach 53. … g7–g5 dreht Weiß den Spieß um und setzt mit Te8–d8+ und Dd2–a5+ schnell matt. 54. Le2xf3 De4xf3+ 55. Sg7–f5! Df3xf5+ 56. Kf6–g7 g6–g5 Droht ewiges Schach. 57. Dd2–h2! Pariert alles. Df5–g6+ 58. Kg7–h8 f7–f6 59. Te8–a8 a6–a5 60. Dh2–b2 Schwarz gab auf.
Beispiele aus der Eröffnung
Wie schon erwähnt, wird ein Wanderkönig in der Eröffnung mitunter durch Materialopfer erzwungen. Manchmal begibt es sich aber auch freiwillig auf die Reise.
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Wilhelm Steinitz erfand mit dem Steinitz-Gambit eine Eröffnung, in der der König freiwillig über das Brett wandert: 1. e2–e4 e7–e5 2. Sb1–c3 Sb8–c6 3. f2–f4 e5xf4 4. d2–d4 Dd8–h4+ 5. Ke1–e2 Um den Lf1 zu befreien, muss der König auf den Damenflügel wandern. Es versteht sich von selbst, dass Weiß dann nicht gut steht. Trotzdem hatte Steinitz durch sein Können und den Überraschungseffekt eine positive Bilanz mit seinem Gambit.
Mitunter kann ein Wanderkönig in der Eröffnung aber trotzdem gut sein.
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In dieser Variante von Sizilianisch-Sweschnikow scheint Schwarz bereits vor dem Aus zu stehen: Weiß droht 11. Sb5–c7# oder (als Antwort auf 10. … Sf6–d7) 11. Sb5xd6#, und auf z. B. 11. … a6xb5 12. Lf1xb5+ Se7–c6 13. d5xc6 Ta8xa4? 14. c6–c7+ ist der Kampf zu Ende. Aber mit 11. … Ke8–d7!! rettet Schwarz den Tag. Ein Fehler wäre nun 12. Sb5–a7+?? Kd7–c7 13. Da4–a5+ b7–b6 14. Da5xa6 Kc7–b8!, und der Wanderkönig gewinnt eine Figur. Erzwungen ist 12. Sb5–a3+ b7–b5, mit beiderseitigen Chancen.[1]
Einzelnachweise
- Rolf Schwarz: Sizilianisch mit 5. … e7–e5, 2. Auflage. Schachverlag Rudi Schmaus, Heidelberg 1981, S. 188.