Walseerkapelle

Die Walseerkapelle i​st ein gotischer Anbau a​n die damalige Minoritenkirche i​n Enns i​n Oberösterreich.

Chor der Walseerkapelle
Schaugiebel
Inneres

Geschichte

Heinrich I. v​on Walsee-Enns übernahm z​u Beginn d​es 14. Jh. d​ie Hauptmannschaft z​u Enns u​nd begründete d​ie Linie Walsee-Enns. Nach seinem Tod i​m Jahr 1326 folgten i​hm seine Söhne Heinrich II. u​nd Reinprecht I. a​ls Hauptleute z​u Enns nach. Der Baubeginn d​er Kapelle i​st bald n​ach 1343 anzusetzen, fertiggestellt w​urde sie 1350/55.

Laut einer vom letzten männlichen Spross der Ennser Linie der Walseer 1475 ausgestellten Urkunde waren in der Walseerkapelle die drei Söhne Heinrichs I., nämlich Heinrich II, Reinprecht I. und Friedrich II., begraben. Ein Grabstein ist jedoch nur für Heinrich I. und seine Frau erhalten. Der ist heute an der Wand hinter der Eingangstüre zum Kirchenvorraum aufgestellt. Als 1970 bei Bauarbeiten unter dem Mitteljoch des Chores die Krypta der Walseerkapelle gefunden und geöffnet wurde, fanden sich nur Särge mit den Leichen von Mönchen aus dem 17./18. Jh. Nach einem jüngeren Quellenfund befand sich einst in der Walseerkapelle zwischen den vier Säulen des dreischiffigen Chorabschlusses eine Tumba („Monument“). An den vier Säulen sollen sich demzufolge walseeische Wappen befunden haben. Das Schicksal einer noch 1835 vorhandenen Zeichnung dieses „Monuments“ von Reichard Streun von Schwarzenau ist ungeklärt. Das Grab selbst wurde vermutlich bereits im Zuge der Gegenreformation nach der Rückkehr der Minoriten zerstört. Laut einer ebenfalls bei Richard Streun von Schwarzenau überlieferten Zeichnung war neben dem Portal auf einer Glasmalerei eine Stiftungsszene aus der Zeit um 1355 dargestellt: Reinprecht I. und Friedrich II. knien mit ihren Frauen vor der eben vollendeten Kapelle. Die Kapelle unterstand ursprünglich dem Allerheiligenpatrozinium.

Architektur

Die Walseerkapelle wurde im Norden an das Kirchenschiff der Minoritenkirche angebaut. Dadurch wurde der angrenzende rechteckige Anger verkleinert. Der Schaugiebel der Walseerkapelle ist in der österreichischen Architektur dieser Epoche einzigartig. Es wird angenommen, dass für die Gliederung der Fassade südböhmische Anregungen (Budweis, Dominikanerinnenkirche, um 1300; Znaim, St. Niklaskirche, nach 1335) übernommen wurden.

Das Kircheninnere wechselt v​on einem zweischiffigen Langhaus i​n einen dreischiffigen Chor. Daraus ergibt s​ich im Chor e​ine Pfeilerstellung i​m Quadrat, d​ie eine gleichbleibende Breite ermöglicht. Dieser Gestaltung k​ommt in d​er spätgotischen Gewölbearchitektur besondere Bedeutung z​u und g​ilt als Vorbild für d​en Umbau d​er Pfarrkirche Maria Pöllauberg i​n der Steiermark.

Die Verbindung d​er Walseerkapelle m​it einer Bettelordenskirche (Minoriten) h​at eine Parallele i​n der Dominikanerkirche i​n Imbach, w​o die Entstehung d​er Katharinenkapelle m​it der Linie Walsee-Drosendorf i​n Verbindung gebracht wird. Bei d​er Augustinerkirche i​n Wien (Georgskapelle), d​ie als Stiftung Ulrichs II. v​on Walsee betrachtet wird, besteht ebenfalls e​ine Verbindung v​on Privatkapelle u​nd Bettelordenskirche.

Literatur

  • Helmut Schneider: Die Krypta der Walseerkapelle gefunden. In: Ennser Turm. 16/1970, Folge 5, S. 1ff.
  • Norbert Haslhofer: Die Stadt Enns in Spätmittelalter und Früher Neuzeit (= Forschungen zur Geschichte der Stadt Enns im Mittelalter. Band 3). Norderstedt 2020, ISBN 978-3-7528-1099-8, S. 150ff.
  • Herta Hageneder: Beiträge zur Geschichte der Minoriten in Enns. In: Mitteilungen des oberösterreichischen Landesarchivs. Jahrgang 11, Linz 1974, S. 249–280 (S. 249–258 (ooegeschichte.at [PDF]), S. 259–280 (ooegeschichte.at [PDF])).
  • Elisabeth Washietl: Die ehemalige Minoritenkirche mit der Wallseerkapelle in Enns. Diplomarbeit, Wien 2012 (PDF auf univie.ac.at).
Commons: Wallseerkapelle (Enns) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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