Vom Bäumlein, das andere Blätter hat gewollt (Gedicht)
Vom Bäumlein, das andere Blätter hat gewollt ist ein Gedicht des deutschen Schriftstellers und Sprachgelehrten Friedrich Rückert. In 13 Strophen wird der Weg eines kleinen Nadelbaums geschildert, der in Selbstgesprächen als redendes Wesen auftritt.
Inhalt und Wirkung
Friedrich Rückert (1788–1866) verfasste zu Weihnachten 1813 für seine jüngste Schwester Marie (1810–1835) Fünf Märlein zum Einschläfern für mein Schwesterlein. Vom Bäumlein ist das zweite dieser fünf Werke.[1] Der Protagonist des Gedichts ist mit seinen naturgegebenen Nadeln unzufrieden und äußert verschiedene Änderungswünsche. Diese werden alle erfüllt und bewirken kurzzeitige Zufriedenheit, führen aber aufgrund äußerer Einwirkungen stets zu neuen Enttäuschungen. Goldene Blätter werden von einem umherziehenden „Juden“ eingesammelt, gläserne Blätter vom Wirbelwind hinweggefegt und grüne Blätter von einer Geiß weggefressen. Schließlich bekommt das Bäumlein seine ursprünglichen Nadeln zurück und freut sich darüber, auch wenn es von den anderen Bäumen ausgelacht wird. Das Gedicht ist in einem kindergerechten Stil geschrieben, mit einigen dialektalen Wendungen („geh ’naus“ in der letzten Strophe).
1940 diente Vom Bäumlein als Vorlage für einen gleichnamigen antisemitischen, siebenminütigen Zeichentrick-Kurzfilm von Heinz Tischmeyer.
Wegen des judenfeindlichen Inhaltes der vierten Strophe beschwerten sich in den 1960er Jahren jüdische Organisationen in West- und Süddeutschland gegen den Abdruck des Gedichtes in einem von der Bremer Kaffeefirma Eduscho an Kunden verteilten Märchen- und Gedichtbuch. Daraufhin wurden alle Eduscho-Filialleiter angewiesen, in den bei ihnen ausliegenden Werbegeschenken das Wort „Jude“ zu streichen.[2] In heutigen Ausgaben wird „der Jude“ meist durch „der Räuber“ oder „ein Bauer“ ersetzt.[3]
Von Henry van Dyke (1852–1933) gibt es eine freie englische Übersetzung unter dem Titel The foolish fir-tree.[4]
Der Winterthurer Graphiker Heinz Keller (1928–2019) illustrierte das Werk mit ganzseitigen Farbholzschnitten (Sonnenberg Presse 1997).
Einzelnachweise
Weblinks
- Friedrich Rückert: Gesammelte Gedichte. Sauerländer, Frankfurt am Main 1843. S. 330.