Vollzug der Ehe
Der Vollzug der Ehe (auch Ehevollzug) gehört in der christlich-abendländischen Tradition nach der Trauung zur Schließung einer Ehe und bezeichnet den ersten Geschlechtsverkehr nach der Trauung.
Der Vollzug der Ehe im kanonischen Recht
Die Ehe, welche immer als Schwelle für die Ausübung legitimer Sexualität verstanden wurde, wurde durch contractio (Ehevertrag, Eheversprechen) und consummatio (Vollzug der Ehe) geschlossen. Weil der Vollzug zur Rechtsgültigkeit der Ehe erforderlich war, wurde er im Mittelalter bisweilen unter Zeugen vorgenommen oder durch „Beweise“ dokumentiert (vgl. auch Beilager).[1] Im Allgemeinen galt aber die (widerlegbare) rechtliche Vermutung des Ehevollzugs ab dem Zeitpunkt, zu dem der Bräutigam seine Braut „heimführte“ und zu sich nahm. Bei der Stellvertreterehe konnte die Entblößung je eines Beines durch Braut und Stellvertreter als Vollzug der Ehe gelten.
Der Vollzug der Ehe im Privatrecht (Deutschland)
Auch heute gilt der Nichtvollzug im römisch-katholischen Kirchenrecht als eine Voraussetzung für ein Ehenichtigkeitsverfahren, wenn nach der Heirat kein Geschlechtsverkehr (Ehevollzug) stattgefunden hat (Nichtvollzugsverfahren).[2]
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in Deutschland sieht seit 1998 vor, dass eine Ehe aufgehoben werden kann, wenn beide Ehegatten sich bei der Eheschließung darüber einig waren, dass sie keine Verpflichtung gemäß § 1353 Abs. 1 (Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft/Vollzug der Ehe) begründen wollen. Ziel dieser Regelung ist die Bekämpfung von Scheinehen, die nur geschlossen wurden, um einem ausländischen Ehegatten ein Aufenthaltsrecht in Deutschland zu verschaffen.
Ein Urteil auf „Herstellung des ehelichen Lebens“ ist nach § 120 Abs. 3 FamFG (bis 2009 § 888 Abs. 3 ZPO) nicht vollstreckbar. Dennoch war die praktische Sexualität in Ehen immer wieder Thema der deutschen Rechtsprechung.[3]
Vollzug der Ehe im amerikanischen Familienrecht
Neben Gründen wie Zwang, Betrug, Bigamie oder Inzest ist im US-amerikanischen Recht das Fehlen des Vollzugs der Ehe ein Grund zur Annullierung (annulment) der Ehe. Die Ehe gilt dann als rechtlich nichtexistent, im Unterschied zur Scheidung, die die Ehe lediglich beendet. Vor allem aus religiösen Gründen wird diese Form der Eheauflösung von einigen Amerikanern gewählt.[4]
Siehe auch
- Abschnitt Geschichtliche Entwicklung im Artikel Hochzeitsfeier
- als gegenläufiges Konzept: Josefsehe
Einzelnachweise
- Thomas Frenz: Grundbegriffe der Mediävistik - Ehe. (Trauung und Ehe im Mittelalter) phil.uni-passau.de, 2002; abgerufen am 29. Oktober 2016.
- Exemplarisch beim Bistum Fulda
- Valerie Suhr, Dana-Sophia Valentiener: Sex in der Ehe als rechtliche Erwartung? (PDF) Forum Recht, 02/14
- Annulment auf justicia.com.