Vexilla regis
Vexilla regis prodeunt ist ein lateinischer Hymnus auf das Kreuz Jesu Christi, den Venantius Fortunatus (ca. 530–609) verfasste. Text und Melodie sind weltbekannt. Der Hymnus gilt als ein herausragendes Beispiel der christlichen lateinischen Hymnodie.
Metrik
Der Text folgt den Regeln des jambischen Versmaßes der lateinischen Metrik. Er wird wie ein jambisches Gedicht rezitiert. Im Hymnus Vexilla regis hat jeder Vers zwei Metra, ist also ein Dimeter. Jedes der beiden Metra besteht aus zwei Versfüßen, wobei hier der erste entweder ein Jambus (υ –) oder Spondeus (– –), der zweite aber immer ein Jambus ist. Da der Vers insgesamt aus vier Füßen besteht, wird er auch Quaternarius genannt.
Metrisierung und Text des Hymnus
Im Folgenden wird der lateinische Text vorgestellt. Um ihn leichter singen oder rezitieren zu können, sind Vokale, die gemäß den Elisionsregeln der klassischen Verslehre beim Aneinandertreffen von zwei Vokalen an Wortgrenzen elidieren, das heißt nicht ausgesprochen werden dürfen, in eckige Klammern gesetzt. Beim ersten Wort „pretium“ im zweiten Vers der sechsten Strophe sollte man das „i“ konsonantisch sprechen. Man dürfte aber auch „pre-zi-um“ sagen und somit den Vers mit einem Anapäst (υ υ –) beginnen lassen; auch das entspräche den Regeln des jambischen Versmaßes.
Metrisierung | Hymnus in Honore sanctae crucis | Hymnus zu Ehren des heiligen Kreuzes (Übersetzung) |
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——◡———◡— |
Vexilla regis prodeunt, |
Die Standarten des Königs treten vor; |
——◡———◡◡ |
Confixa clavis viscera |
Den Leib mit Nägeln angeheftet, |
——◡—◡—◡— |
Quo vulneratus insuper |
Wo er überdies verwundet war |
——◡———◡— |
Impleta sunt, quae concinit |
Erfüllt ward, was verkündet hat |
——◡———◡◡ |
Arbor decor[a] et fulgida, |
Du schöner, blitzender Baum, |
◡—◡———◡— |
Beata, cuius brachiis |
Seliger Baum, an dessen Ästen |
—◡◡—◡—◡◡ |
Fundis aroma cortice, |
Du verströmst Wohlgeruch aus deiner Rinde, |
——◡———◡— |
Salv[e], ara, salve, victima, |
Sei gegrüßt, Altar, sei gegrüßt, Opferlamm |
Hinweise:
- — lange Silbe; ◡ kurze Silbe; k Vokalkürzung; × eigentlich kurz, aber lang gebraucht
- Eckig eingeklammerte Vokale elidieren, d. h., sie werden nicht ausgesprochen.
Liturgische Verwendung
In der Liturgie (Liber Usualis, Graduale Romanum) gab es Änderungen sowie Streichungen einiger Strophen. Dafür gibt es liturgisch hinzugefügte Strophen. Es folgt die metrisch korrekte Version derselben:
Metrisierung | Liturgische Ergänzungen | Übersetzung |
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——◡———◡× |
O crux, ave, spes unica |
Sei gegrüßt, o Kreuz, du einzige Hoffnung |
——◡———◡— |
Te, fons salutis Trinitas, |
Dich, Quell des Heils, Dreifaltigkeit, |
Der Hymnus Vexilla regis wird im Stundengebet vom Palmsonntag bis zum Karsamstag zur Vesper gesungen, früher auch am Passionssonntag. Ebenso wird er am Hochfest Kreuzerhöhung genommen. Er wird nur noch selten als Prozessionshymnus verwendet. Bis zur Reform der Karwochenliturgie 1955 war der Hymnus für den Karfreitag vorgesehen, wenn das Allerheiligste zum Hochaltar gebracht wurde.[1]
In mehreren Regionalanhängen des Gotteslob (1975) findet sich die deutsche Übertragung von Peter Soemer Des Königs Banner wallt empor (z. B. Aachen Nr. 862, Osnabrück Nr. 864). Das Gotteslob (2013) enthält unter Nr. 299 die Nachdichtung Der König siegt, sein Banner glänzt aus dem römischen Stundenbuch von 1978; die (Münster 1846) ist eine vereinfachte Version der gregorianischen Singweise.
Textanalyse
Ein Vexillum regis ist ein Königsbanner; das Symbol deutet auf die Königsherrschaft Christi hin.
Historischer Hintergrund
Der Hymnus wurde das erste Mal am 19. November 569 in Poitiers als Prozessionshymnus gesungen. Damals wurde die Kreuzreliquie von dem byzantinischen Kaiser Justin II. auf Bitten der hl. Radegundis feierlich in das Kloster La Sainte-Croix übertragen.
Vertonungen
Die gregorianische Vertonung
Die in der Liturgie vorherrschende Vertonung ist die im Graduale Romanum und Liber Usualis notierte gregorianische. Sie wird von den gregorianischen Schulen, etwa der Schola Gregoriana Mediolanensis in Mailand, gepflegt. Auch Maria Carta folgt dieser Melodie, singt sie aber in sardischer Sprache.
Mehrstimmige Vertonungen
Mehrstimmige Vertonungen existieren von Guillaume Du Fay (für dreistimmigen Chor), Franz Liszt, Anton Bruckner (für vierstimmigen gemischten Chor, WAB 51) und Rihards Dubra. Franz Liszt verwendet drei Strophen in seinem Spätwerk Via Crucis.
Literatur
- Matthew Britt: The Hymns of the Breviary and Missal. New York (2. Auflage) 1924, S. 123–125.
- Guido Maria Dreves, Clemens Blume: Ein Jahrtausend lateinischer Hymnendichtung. Eine Blütenlese aus den Analektika Hymnika mit literarhistorischen Erläuterungen. Leipzig, O.R. Reisland, 1909. Teil I, S. 36–38.
- Wolfgang Joseph Emmerig: Anleitung zur lateinischen Versekunst. Vierte, viel verbesserte Auflage. J. M. Daisenberger, Regensburg 1825
Weblinks
Einzelnachweise
- Missale Romanum XXVIII. (1920) (PDF; S. 330 von 1220) S. 226