Unterschneidung (Typografie)
Unterschneidung (in der digitalen Typografie meist: Kerning) bezeichnet in der Typografie den Vorgang, den horizontalen Abstand (den Weißraum) zwischen mehreren Buchstaben (Standarddickte) durch optischen Ausgleich so zu verringern, dass er gleichmäßig erscheint und so vom Betrachter als angenehmer empfunden wird.
Beispiel
Die Zeichenfolge VA verdeutlicht die Unterschneidung:
Ohne Unterschneidung erscheint besonders im Fließtext eine große Lücke zwischen den beiden Schrägen der Buchstaben. | |
Wenn nun der Abstand zwischen den Buchstaben V und A etwas verringert wird, ergibt sich ein viel ästhetischeres Aussehen und ein optisch gleichmäßiger Buchstabenabstand. |
Weitere Beispiele für Unterschneidungspaare:
Av, AV, Aw, AW, LT, LV, Ly, Ta, Te, To, Ty, T., Va, Vo, V., Ya, Yo, Y.
Unterschneidung im Bleisatz
Zu Zeiten des Bleisatzes war die Zeichenbreite (Dickte) einschließlich des nicht bedruckten Abstandes zu den benachbarten Buchstaben links und rechts (Fleisch) normalerweise durch die physische Breite einer einzelnen Letter bestimmt. Unterschneidung war für längere Texte kaum möglich, da diese zu aufwendig gewesen wäre. Sie kam daher nur bei relativ großen Buchstaben zur Anwendung. Dabei wurde der Kegel (Schaft) so geschnitten, dass der Buchstabe teilweise in den Bereich des benachbarten Buchstabens hineinragte, also vor dessen Kegel lag. Vom sogenannten Fleisch unter dem Buchstaben wurde etwas weggeschnitten, sodass die Buchstaben näher zusammengerückt werden konnten. Für häufig vorkommende Buchstabenkombinationen wurden Unterschneidungspaare auch als Ligaturen in Blei gegossen.
Unterschneidung im Computersatz
Dementsprechend sind auch bei den meisten TrueType-, OpenType- und PostScript-Schriftarten für den Computersatz Informationen zur Definition von Unterschneidungspaaren (Kerning-Paaren) hinterlegt. Diese werden auch von vielen landläufigen Textverarbeitungsprogrammen berücksichtigt, wobei das oftmals erst explizit eingestellt werden muss. Bei Metafont geschieht die Vorgabe beispielsweise mit der ligtable-Definition, bei Microsoft Word über Zeichenformat – Zeichenabstand – Unterschneidung ab Schriftgröße x. Zusätzlich ermöglichen die meisten DTP-Programme die Definition von Unterschneidungen per Hand.
Schriften ohne Unterschneidung
Für besondere Zwecke gibt es auch Schriftarten ohne Unterschneidung, zumeist sind dies nicht-proportionale, d. h. dicktengleiche Schriften, wie beispielsweise die Schreibmaschinenschrift Courier.
Überschneidung und Unterschneidung
Zwar handelt es sich bei einer Überschneidung wie auch bei der Unterschneidung ebenfalls um eine Überlappung von nebeneinander liegenden Zeichen, die Überschneidung ist aber dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht umgebungsabhängig ist:
- Überschneidung ist keine nachträgliche (weder automatisch noch manuell vorgenommene) Verringerung des Abstandes zweier Zeichen, sondern bereits von vornherein durch den Schriftschnitt bedingt; sie ist also fontgebunden und betrifft ein oder mehrere spezielle Schriftzeichen in ganz grundsätzlicher Weise (namentlich z. B. den Buchstaben „z“).
- Überschneidung ist somit eine Überlappung, die ausnahmslos in sämtlichen möglichen Zeichenkombinationen erfolgt – demgegenüber beschränkt sich die Unterschneidung (Kerning) auf die oben genannten (siehe Beispiel) wenigen Zeichenkombinationen, die nicht grundsätzlicher, sondern individueller Natur sind.
- Die Überschneidung dient nicht der Vermeidung von Weißraum.
Das kleine z der Garamond-Kursiven ragt beispielsweise mit seinem geschwungenen unteren Strich immer in den Bereich des rechts nachfolgenden Zeichens hinein.
Siehe auch
Literatur
- Lothar Jegensdorf: Schriftgestaltung und Textanordnung. Ravensburg: Otto Maier Verlag 1980, ISBN 3-473-61427-0.
- Erhard D. Stiebner, Walter Leonhard: Bruckmanns Handbuch der Schrift. München, Bruckmann 1992 (4), ISBN 3-8307-1230-8.