Textilkunst des Mittelalters
Die Textilkunst des Mittelalters umfasst vor allem Paramente, liturgische Gewänder, bestickte Antependien, Hungertücher und Teppiche. In Europa fand die Herstellung solcher Gewebe fast ausschließlich in Frauenklöstern statt. Sie dienten neben der kirchlichen, höfischen und städtischen Repräsentation auch als mobile Träger von Geschichten.
Material
Als Materialien für Gobelins, Teppiche und Gewänder wurde Leinwand, Wollstoff oder Seide verwendet, Stickfäden waren ebenfalls aus Seide und Wolle, sowie Gold- und Silberfäden, dazu kamen gelegentlich auch Perlen und Edelsteine.
Motive
Tiermotive
Tiermotive waren vor allem im 13. und 14. Jahrhundert sehr beliebt. Eine Hauptquelle für die symbolbeladene Darstellung von Tieren in sakralem Zusammenhang war der Physiologus, der vor allem in lateinischen Übersetzungen in zahlreichen Handschriften und Textfassungen verbreitet war. An den Höfen und in der gesellschaftlichen Elite waren gemusterte Seiden, deren Bilder sich zu lebhaften Szenen zusammenfügten, Statussymbol der gesellschaftlichen Elite. Die kostbaren Materialien und der aufwendige Prozess des Webens machten die Textilien zu begehrten Luxusgütern.
Pelikan und Panther
In der Sonderausstellung 2016 der Abegg-Stiftung befindet sich ein Kirchengewand, das vermutlich in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstand. Auf dem Kleidungsstück reiht sich das Motiv eines Pelikans und eines Panthers, die sich gegenüberstehen. Der Pelikan füttert seine Jungen mit Fleisch aus seiner eigenen Brust. Die Darstellung ist bezogen auf den Physiologus, einer im zweiten Jahrhundert n. Chr. verfassten Naturlehre. Diese beschreibt, wie sich der Pelikan für seine Jungen aufopfert. Aus christlicher Perspektive interpretiert, macht ihn das zum Sinnbild selbstloser Hingabe. Der Panther wird im Physiologus als sanftes, friedfertiges Tier, dem alle anderen Tiere folgen, beschrieben. Somit gelten beide Tiere als Symbol für Christus.
Heraldische Tiere
Tiermotive ließen sich häufig auf Wappen finden. Weit verbreitet waren Löwen, Adler und Kraniche, deren ihnen zugeschriebene Eigenschaften die unanfechtbare Herrschaft bestimmter Adelsfamilien untermauerten. Bei Ritterturnieren, deren Teilnehmer durch die Rüstungen nicht zu erkennen waren, standen die heraldischen Tiere stellvertretend für die kämpfende Person. Viele Stoffe zeigten sich Wiederholende Muster aus Wappen, Spruchbändern und heraldischen Tieren und fungierten als Statussymbol und Mittel zur öffentlichen Kommunikation.
Jagdmotive
Darstellungen einander jagender oder von Jägern erlegten Tieren waren weit verbreitet. Die Motive, die auch springende Hunde und an Ästen hängende Hörner beinhalten, bilden in ihrer Gesamtheit oft kleine Erzählungen. Sie spiegelten die mittelalterliche Hochwildjagd wider, die ein Recht der Herrschaft war. Es handelte sich dabei viel mehr um einen privilegierten Zeitvertreib, als um eine Maßnahme zur Nahrungsbeschaffung.
Literatur
- Lisa Monnas: Merchants, Princes and Painters. Silk Fabrics in Italian and Northern Paintings, 1300-1550. New Haven: Yale University Press 2008. ISBN 978-0300-11117-0
- Evelin Wetter: Mittelalterliche Textilien III. Stickerei bis um 1500 und figürlich gewebte Borten. Riggisberg: Selbstverlag 2012. (Textilsammlung der Abegg-Stiftung. 6.) ISBN 978-3-905014-50-1