Telenotarzt
Der Telenotarzt („tele“ griechisch für „fern“, Abkürzung: TNA) ist ein rettungsmedizinisches Konzept für die präklinische Patientenversorgung, welches aus mehreren beteiligten Instanzen besteht. Zum einen umfasst es den Telenotarzt und zum anderen das Rettungsdienstpersonal sowie die technische Unterstützung, die den Austausch zwischen Rettungsfachpersonal und dem Telenotarzt erlaubt. Es kann also mithilfe von Kommunikations- und Informationstechnologien medizinische Expertise über räumliche Distanzen angeboten werden und sowohl das Rettungsfachpersonal unterstützen als auch den Patienten bestmöglich versorgen. Der TNA ist im Rettungsdienst erfahren, hat Vorerfahrungen als Notarzt und wird als Telenotarzt zusätzlich qualifiziert. Die Versorgung des Patienten geschieht mittels Anweisungen vom TNA, der nicht physisch vor Ort ist, an das Notfallpersonal (z. B. Notfallsanitäter), das sich am Einsatzort befindet. Die technische Unterstützung besteht unter anderem aus Telekommunikation, Echtzeit-Vitaldaten-Übertragung und ggf. Live-Videoübertragung aus dem Rettungswagen (RTW).
Definitionen
Telenotarzt (TNA)
Der Telenotarzt ist ein im Rettungsdienst geschulter und erfahrener Notarzt mit einer Zusatzqualifikation in Telenotfallmedizin (mehr dazu unter Qualifikation). Mithilfe von Telekommunikation, Echtzeit-Vitaldatenübertragung, Sprach- und ggf. Sichtkontakt versorgt der TNA Patienten im Regelrettungsdienst.
Telenotarzt-System (TNA-System)
Das TNA-System versteht sich als ein ganzheitliches System, das unter Berücksichtigung der Anforderungen des Datenschutzes, der Dokumentationsqualität, technischer Standards, der Rechtssicherheit sowie definierten Qualitätsmerkmalen das Rettungsfachpersonal unterstützt. Mithilfe der technischen Ausstattung der Rettungswägen können Patienten aus der Ferne ärztlich versorgt werden.
Das System selbst besteht aus zwei Komponenten: der TNA-Zentrale (gleichzusetzen mit einem Arbeitsplatz, siehe auch TNA-Zentrale) mit dem TNA und dem telenotfallmedizinisch ausgestatteten RTW, der die entsprechende technische Ausstattung aufweist. Die Komponenten des TNA-Systems bestehen aus stationärer und mobiler Fahrzeugtechnik, kompatibler Medizintechnik, der TNA-Zentrale mit Logistik und Hardware, sowie der Software für das Gesamtsystem und einer verteilten Serverumgebung.
Das TNA-System ermöglicht eine unmittelbare, sichere und zuverlässige Telekonsultation eines Notfallmediziners während dem Rettungseinsatz. Das TNA-System ist an der S1-Leitlinie „Telemedizin in der prähospitalen Notfallmedizin“[1] orientiert und berücksichtigt Anforderungen des Datenschutzes, der Dokumentationsqualität, der technischen Standards, der Rechtssicherheit sowie definierter Qualitätsmerkmale. Derzeit ist eine S2e-Leitlinie in Arbeit.[2]
Telenotarzt-Zentrale
Die Telenotarzt-Zentrale ist die Standorteinheit des TNAs mit Zugriff auf das TNA-System. Durch den Zugriff kann der TNA seinen Aufgaben innerhalb des TNA-Dienstes nachgehen, die im Detail durch den Ärztlichen Leiter Rettungsdienst für den jeweiligen Standort festgelegt wurden.
Rolle der Telemedizin in der prähospitalen Notfallmedizin
Der Rettungsdienst in Deutschland steht vor einer Vielzahl an Herausforderungen, die im Folgenden ausschnittsweise erläutert sind.
- Die Einsatzzahlen wachsen stetig.[3] Dies ist zum einen der demografischen Veränderung zuzuschreiben. Die Morbidität steigt mit dem Alter, sodass sich Angehörige oder die betroffenen Personen häufiger an den Rettungsdienst wenden.
- Auch mangelnde Gesundheitskompetenz ist ein Grund für steigende Einsatzzahlen:
- Aus Hilflosigkeit in Anbetracht einer unbekannten Situation (ein:e Angehörige:r hat Herzrasen und man möchte lieber auf Nummer sicher gehen)
- Aus Unsicherheit, welche Versorgungsstruktur angemessen ist, wird der Rettungsdienst kontaktiert. Unter Umständen wäre es angebrachter, z. B. den kassenärztlichen Notdienst zu kontaktieren.
- Das steigenden Anspruchsdenken der Bevölkerung: Man möchte die bestmögliche Behandlung durch die möglichst höchstqualifizierte Person bekommen, was jedoch nicht immer lebensnotwendig ist.
- Auch der Rettungsdienst ist vom Fachkräftemangel betroffen: Es gibt weder ausreichend Rettungsdienstpersonal, noch genügend medizinisches Personal[4].
Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich mindestens folgende Problemfelder der heutigen rettungsdienstlichen und auch notärztlichen Versorgung identifizieren lassen. Wobei diese Problemfelder primär theoretisch und nicht empirisch hergeleitet sind:
- Verlängerte Eintreffzeiten: Das Rettungsdienstpersonal und der bodengebundene Notarzt benötigen länger, um an den Einsatzort zu kommen. Dies könnte unter anderem an immer größer werdenden Städten mit steigendem Verkehrsaufkommen zunehmender Zentralisierung (von Ressourcen), steigender Einsatzzahlen und weiterer bzw. häufigerer Anfahrten liegen.[5]
- Steigende Einsatzzahlen, u. a. durch sogenannte Bagatelleinsätze: Das Rettungsdienstpersonal wird sehr häufig aufgrund von Unsicherheit, Unwissenheit oder mit Vorsatz zu Einsatzgeschehen gerufen, bei denen keine medizinischen Notfälle vorliegen. Eine andere Versorgungsstruktur (wie z. B. der Hausarzt) wäre in vielen Fällen der passendere Ansprechpartner.
- Mangel an qualifizierten Notärzten und Rettungsdienstpersonal[6]
- Fehlende Schnittstelle zwischen Versorgungsdienstleistern (Bsp. KV-Dienst & Rettungsdienst)
- Fehlende systematische Qualitätskontrolle (aufgrund fehlender Standardmethoden, Zeitmangel etc.)
- Regional können große Unterschiede in der Versorgungsqualität bestehen (z. B. aufgrund unterschiedlicher Motivation der Mitarbeiter, verschiedener Erfahrungen und Qualifikationen, unterschiedlicher Freigaben oder Hilfsfristzeiten)
Historische Entwicklung
Basierend auf den beiden erfolgreich abgeschlossenen, öffentlich geförderten Aachener Forschungsprojekten Med-on-@ix (2007–2010)[7] und TemRas (Abkürzung für Telemedizinisches Rettungsassistenzsystem, 2010–2013)[8] wurde der Telenotarztdienst 2014 durch Beschluss des Rates der Stadt Aachen am 19. März 2014 in den Regelrettungsdienst der Stadt Aachen als europaweit erstes umfassendes telemedizinisches Rettungsassistenzsystem in der prähospitalen Versorgung implementiert. Dieses bietet insbesondere für die Patienten einen Mehrwert durch eine schnellere Bereitstellung ärztlicher Kompetenz, durch den sog. Telenotarzt.
Sämtliche rechtliche Vorgehensweisen und Abläufe wurden im Rahmen der vorhergehenden Forschungsprojekte in Form von Gutachten abgesichert. Mit dem regionalen Datenschutzbeauftragten sind zudem alle Vorgehensweisen und Verfahren in Bezug auf Datenspeicherung und Datensicherheit abgestimmt. Der Telenotarzt ist im Rettungsdienstbedarfsplan verankert und somit Bestandteil der öffentlichen Daseinsfürsorge in Ergänzung zum bundesweit üblichen bodengebundenen Notarztdienst. Das System wird durch die Krankenkassen finanziert. Derzeit wird die Implementierung außerhalb des initialen Gebietes geplant und teilweise bereits umgesetzt. Das Aachener Institut für Rettungsmedizin und zivile Sicherheit (ARS) begleitet die Implementierung von Telenotarzt-Standorten in NRW im Auftrag des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) seit Anfang 2020.[9] Stand 1. Juni 2020 werden von Aachen und Greifswald aus präklinische Versorgungsstrukturen telemedizinisch unterstützt:
- Telenotarzt-Zentrale Aachen
- Stadt Aachen mit allen Rettungswagen und Reservefahrzeugen (seit 2014)
- Kreis Euskirchen (Nordrhein-Westfalen) (seit 2017)
- Kreis Heinsberg (Nordrhein-Westfalen) (seit 2018)
- Main-Kinzig-Kreis (Hessen) (seit 2019)
- Korbach (Hessen) (seit 2019)
- StädteRegion Aachen (Nordrhein-Westfalen) (seit 2020)
- Kreis Borken
- Telenotarzt-Zentrale Greifswald
- Landkreis Vorpommern-Greifswald (seit 2017)
- Landkreis Vorpommern-Rügen (seit 2020)
Österreich diskutiert derzeit, ob ein ähnliches telemedizinisches Konzept wie in Deutschland eingesetzt werden soll[10]. In der Schweiz wurde ein telemedizinisches Konzept für die präklinischen Notfallversorgung, namentlich Medgate Telemedicine Center, bereits 1999 implementiert.[11] Der Unterschied zum Aachener Modell besteht darin, dass der Patient selbst den Kontakt zu einem Mediziner aufnimmt, ohne zuvor durch einen Notruf einen Rettungsdiensteinsatz zu generieren. Der kontaktierte Telemediziner verweist dann an weitere Versorgungsstrukturen.
Aufgaben des TNAs
Der Telenotarzt unterstützt die Rettungskräfte vor Ort durch Hilfe bei der Diagnose, allgemeine ärztliche Beratung und auch bei der rechtssicheren Durchführung therapeutischer Maßnahmen. Durch die Live-Übertragung von Vitalparametern, sowie Sprach- und Bildmaterial kann sich der Telenotarzt ein umfangreiches Bild vom Zustand des Patienten machen – unabhängig davon, ob sich der oder die Patientin in einer Patientenwohnung, im Wald oder im RTW befindet.
Mithilfe dieser Unterstützung kann im Falle eines Notarztbedarfes das arztfreie Intervall bis zum Eintreffen des bodengebundenen Notarztes überbrückt und die dadurch geschonten Notarztkapazitäten zielgerichtet eingesetzt werden.
Primäraufgaben des Telenotarztes je Einsatzszenario
Es gibt grundsätzlich drei häufige Einsatzszenarien, in denen der Telenotarzt konsultiert werden kann, um die Einsatzkräfte vor Ort zu unterstützen. Dadurch werden die Patientensicherheit und die Effizienz erhöht, sowie Ressourcen der Rettungsmittel geschont[12].
1) Notfalleinsatz Rettungswagen (RTW) ohne Notarzt (NA) Das RTW-Team kontaktiert im Bedarfsfall den Telenotarzt. Nach erfolgter Anamnese und Erstversorgung kann der Telenotarzt zur Beratung und / oder Freigabe einer definierten Standardtherapie gemäß Verfahrensanweisung (VA), die eine entsprechende Medikamentenapplikation umfasst, konsultiert werden. Kommen RTW-Team und Telenotarzt gemeinsam zu der Entscheidung, dass ein NA vor Ort benötigt wird, so wird dieser umgehend nachgefordert.
2) Notfalleinsatz RTW mit Notarzt (Überbrückung bis NA vor Ort) Das RTW-Team kontaktiert nach erfolgter Anamnese und Erstversorgung den Telenotarzt, da sich das Eintreffen des Notarztes vor Ort verzögert (z. B. durch unterschiedliche Anfahrtswege oder aktuellen Paralleleinsatz). Der Telenotarzt kann bis zum Eintreffen des bodengebundenen Notarztes zur Beratung und / oder Freigabe einer definierten Standardtherapie nach VA, die eine entsprechenden Medikamentenapplikation umfasst, überbrückend Hilfe leisten und somit eine frühzeitige Versorgung auch in lebensbedrohlichen Einsätzen gewährleisten.
3) Notfalleinsatz RTW mit Notarzt (Beratung und Unterstützung des Notarztes) Der bodengebundene Notarzt kontaktiert nach erfolgter Anamnese und Erstversorgung konsiliarisch den Telenotarzt. In diesem Falle kann der Telenotarzt den bodengebundenen Notarzt bezüglich verschiedener Fragestellungen unterstützen und beraten (z. B. Kontaktaufnahme zum Giftnotruf, komplexe EKG-Diagnostik, Kontakt und Ankündigung zum richtigen Aufnahmekrankenhaus).
Sekundäraufgaben des Telenotarztes
1) Beratung der Leitstelle: Beratung und Unterstützung der Leitstellendisponenten in medizinischen Fragen des Regelrettungsdienstes im Tagesgeschäft.
2) Medizinische Koordination Sekundärtransporte: Der Telenotarzt kann die medizinische Koordination der Sekundärtransporte übernehmen. Alle angemeldeten Sekundärtransporte, die eine Anfrage an einen begleitenden Notarzt enthalten, werden durch den Telenotarzt gesichtet. Es erfolgt ein Arzt-Arzt-Gespräch zur standardisierten Erfassung des Patientenzustands und der Transportanforderungen zwischen Telenotarzt und dem behandelnden Arzt der abgebenden Klinik.
Weiterhin entscheidet der Telenotarzt, welches Transportmittel für den Sekundärtransport notwendig ist. Neben reinen RTW-Verlegungen und notarztbegleiteten Intensivverlegungen können Patienten, welche die Kriterien für eine telemedizinische Begleitung (Telenotarzt-Kriterienkatalog Sekundärtransport) erfüllen, mit dem RTW unter zusätzlichem Monitoring durch den Telenotarzt transportiert werden. Auch eine während des Transports notwendige Schmerztherapie oder anderweitige Medikamentengabe ist möglich.
Dadurch werden personelle und mittelbezogene Ressourcen im Rettungsdienst geschont und für notwendige Einsätze bereitgehalten.[13]
Qualifizierung
Der (Tele)Notarzt
Die eingesetzten Telenotärzte erfüllen alle den unten aufgeführten, lokal festgelegten Standard und sind zusätzlich im bodengebundenen Notarztdienst tätig. Die Zusatzqualifikation „Telenotarzt“ ist von der Ärztekammer offiziell zertifiziert.[14] Um dem besonderen Qualitätsanspruch an den telemedizinisch unterstützten Notfalleinsatz gerecht zu werden, werden nur besonders erfahrene Notfallmediziner als Telenotarzt eingesetzt, die den unten aufgeführten Anforderungen entsprechen (s. S1-Leitlinie & Kurs Telenotfallmedizin):
- Nachweis der Anerkennung als Facharzt in einem Gebiet mit unmittelbarem Bezug zur klinischen und rettungsdienstlichen Notfall- und Intensivmedizin sowie der Zusatz-Weiterbildung Notfallmedizin
- umfangreiche Erfahrung im Notarztdienst (über 500 Einsätze)
- Kurs Interhospitaltransport nach DIVI-Empfehlung, alternativ gleichwertige Erfahrung im Interhospitaltransport
- Wünschenswert: Nachweis eines zertifizierten Versorgungstandards in der Reanimationsversorgung (Advanced Life Support (ALS)-Provider Kurs z. B. des ERC)
- Wünschenswert: Nachweis eines zertifizierten Versorgungstandards in der Traumaversorgung (z. B. Pre-Hospital Trauma Life Support (PHTLS)-Provider Kurs)
- die Qualifikation zum Leitenden Notarzt ist wünschenswert
Strukturiertes Einarbeitungskonzept
Alle Telenotärzte werden anhand eines strukturierten Einarbeitungskonzeptes, inkl. eines speziell zusammengestellten Telenotarzt-Handbuches, gezielt auf ihre Tätigkeit vorbereitet und in die technischen, organisatorischen und medizinischen Details eingewiesen. Das neue „Qualifikationscurriculum Telenotarzt“ wurde durch die Ärztekammern Westfalen-Lippe und Nordrhein entwickelt, um eine zertifizierte Zusatzqualifikation zu etablieren. Während der Einarbeitung werden neben Grundlagen des technischen Systems, auch die Anwendung strukturierter Hilfsmittel (u. a. Verfahrensanweisungen, Dosierungshilfen, Medikamentendatenbank) trainiert. Diese werden dem Telenotarzt kontextsensitiv über eine Software zur Verfügung gestellt. Die Telenotärzte werden regelmäßig im Kontext regulärer Fortbildungen für Therapien gemäß aktuellsten Leitlinien und Empfehlungen trainiert (mind. einmal im Jahr). Darüber hinaus müssen alle Notärzte in NRW 20 Stunden rettungsdienstspezifische Fortbildungen innerhalb von zwei Jahren gemäß Rettungsdienstgesetz NRW §5 Abs. 4 Satz 2 erfüllen. Zusätzlich wird jeder Telenotarzt mind. einmal im Quartal durch einen erfahrenen Telenotarzt supervidiert.
Supervision
Regelmäßige, direkte Supervision und Einsatznachbesprechungen stellen neben den regulären Fortbildungen eine entscheidende Säule im Qualitätsmanagement des Telenotarzt-Dienstes dar. Neben fachlichen Aspekten ist auch die Kommunikation zwischen der Rettungswagenbesatzung und dem Telenotarzt im Fokus.
Rettungsdienstpersonal
Die Besatzung des RTWs benötigt keine zusätzlichen Qualifikationen. Das Personal nimmt einmalig an einer Einweisung für die Anwendung der zugehörigen Technik im RTW sowie dem Ablauf einer Telekonsultation teil.
Technische Ausstattung des Telenotarztes Aachen
Technische Ausstattung im RTW
Der telemedizinische RTW entspricht einem Rettungswagen mit zusätzlicher Ausrüstung für die Telekonsultation. Dazu gehören eine Übertragungseinheit zur Echtzeitübertragung von Vitalparametern, Audio- und Videokommunikation sowie 12-Kanal-EKG-Übertragung. Die Videoübertragung aus dem RTW erfolgt über eine hochauflösende HD-Deckenkamera in Echtzeit mit Steuerungsmöglichkeit durch den Telenotarzt. Hierzu gibt es Konzepte in Hinblick auf Personal- und Patientenrechte sowie den Datenschutz: Die Nutzung bedarf der Einwilligung des Patienten, eine Aufzeichnung findet also nicht grundsätzlich statt. Die Einsatzdokumentation erfolgt durch den TNA und steht nach Ausdruck im RTW zur Übergabe im Krankenhaus zur Verfügung. Auch außerhalb des RTWs kann durch mobile Technik eine Echtzeitvitaldatenübertragung und Audiokommunikation sowie Bildübermittlung realisiert werden.
Technische Ausstattung in der TNA-Zentrale
Zur Abarbeitung eines Einsatzes bedient sich der TNA der folgenden Elemente. Der TNA arbeitet an einem 180°-Arbeitsplatz, der sich in unmittelbarer Nähe zur Leitstelle befindet. Der Arbeitsplatz selbst hat mehrere Monitore, um eine gleichzeitige Darstellung von relevanten und nützlichen Informationen zu ermöglichen.
Neben der Einsatzdokumentationssoftware ist die Anzeige der Echtzeitvitaldaten ein zentrales Element. Zur Absicherung eines technischen Ausfalls ist an dieser Stelle eine Redundanzdarstellung verfügbar, sodass Vitaldaten jederzeit verfügbar sind. Außerdem werden in einer Karte sowohl der Standort des RTWs (mittels GPS) angezeigt, als auch umliegende Krankenhäuser der jeweiligen Einsatzregion eingeblendet.
Die Dokumentation des Einsatzes folgt in einer Software dem logischen Aufbau eines notfallmedizinischen Einsatzes. Dafür werden gängige Schemata wie ABCDE-Schema und SAMPLER angewendet und der Zugriff auf lokale medizinische VA ermöglicht, um eine maximale Patientensicherheit zu gewährleisten. Die Dokumentation erfolgt in Form eines DIVI-Protokolls. Folglich ist eine entsprechende IT-Ausstattung absolut notwendig, um die Aufgaben des TNA erfüllen zu können.
Rechtssicherheit
In zwei Rechtsgutachten,[15][16] die während der Forschungsphase in Auftrag gegeben wurden, wurden alle wesentlichen juristischen Fragestellungen und Problematiken beantwortet. Dies wurde im Rahmen von juristischen Gutachten geprüft. Die Gutachten betrachteten folgende Themen und werden derzeit aktualisiert:
- Datenschutz
- Grundsätze der persönlichen Leistungserbringung
- Fernbehandlungsverbot Haftungsfragen / strafrechtliche Verantwortlichkeiten
- Telemedizinische Delegation ärztlicher Maßnahmen.
Grundsätzlich übernimmt der Telenotarzt mit Einsatzübernahme die medizinische Gesamtverantwortung für den Einsatz; wobei durch den Telenotarzt delegierte Maßnahmen und Medikamente nicht der Notkompetenz unterliegen. Die Durchführungsverantwortung für medizinische Maßnahmen bleibt, wie im herkömmlichen Notarzteinsatz auch, bei den Rettungsassistenten bzw. Notfallsanitätern. Die Telekonsultation als solche verstößt nicht gegen das Fernbehandlungsverbot.
Die Rechtssicherheit wurde mittlerweile durch das Notfallsanitätergesetz gestärkt und im Rahmen von Rettungsdienstgesetzen auf Länderebene aufgegriffen und bestätigt (zuletzt in Bayern – Erlass des Innenministeriums).
Medizinische Daten des Einsatzes (Einsatzprotokoll, Foto, Checklisten und EKG) werden für zehn Jahre und die Sprachkommunikation für sieben Tage gespeichert. Die Videoübertragung aus dem Rettungswagen wird nicht gespeichert, sondern lediglich in Echtzeit übertragen.
Vorteile des Telenotarzt-Konzepts
In der Stadt Aachen ist das Konzept des Telenotarztes seit 2014 im Regelrettungsdienst implementiert. Anhand der 6-jährigen Geschichte, können die Vorteile des TNA-Konzepts erläutert werden:
- Der TNA ist für ein großes Einsatzspektrum einsetzbar und kann daher die Rettungsfachpersonal häufig und vielfältig unterstützen[17].
- Arztbegleitete Verlegungstransporte können häufig rein telemedizinisch begleitet werden, wodurch physische ärztliche Kompetenz an anderer Stelle weiterhin zur Verfügung steht.[13]
- Das arztfreie Intervall kann durch Hinzuziehen des TNA verkürzt werden, wodurch die Patientensicherheit erhöht wird.
- Der bodengebundene Notarzt kann sich bei komplexen Einsatzlagen oder sehr seltenen Krankheitsbildern eine zweite Meinung einholen[18].
- Rettungsdienstmitarbeiter können in der Übergangsphase von Ausbildung zu eigenständigem Arbeiten bedarfsgerecht unterstützt werden.
- Das TNA-System ermöglicht eine hohe Dokumentationsqualität und eine hohe Konformität mit der entsprechenden Leitlinie in der Notfallversorgung, wodurch die Versorgungsqualität insgesamt erhöht wird[19][20].
- Paralleleinsätze sind für den Telenotarzt, unter Anwendung entsprechender Priorisierung, möglich (in Aachen ca. 15–20 % der Fälle). Abhängig vom Einsatzgeschehen kann der Telenotarzt bis zu drei Einsätze parallel bearbeiten; dies hängt vom Maß der Unterstützungsnotwendigkeit ab.
- Die Gesamteinsatzdauer des Telenotarztes im Notfalleinsatz ist um 50 % kürzer als beim bodengebundenen Notarzt. Insbesondere die Bindezeit (Gesprächsdauer mit dem Team) an den Einsatz ist beim TNA im Vergleich zum bodengebundenen Notarzt deutlich kürzer. Die kürzere Bindezeit liegt u. a. daran, dass der TNA in der Regel kontaktiert wird, nachdem eine erste Diagnose bereits stattgefunden hat; der bodengebundene Notarzt ist jedoch von Anfang an dabei und ist daher länger an den Einsatz gebunden.
- Auch im überregionalen Einsatz ist der TNA auf Knopfdruck verfügbar, da er im Vergleich zum bodengebundenen Notarzt keine größeren Distanzen zurücklegen muss.
- Der Telenotarzt erhöht die Rechtssicherheit für das Rettungsdienstpersonal während der Telekonsultation.
- Ressourcenschonung:
- Der Telenotarzt kann leichte und mittelschwere Einsätze übernehmen, sodass insbesondere für schwere Einsätze der bodengebundene Notarzt verfügbar ist.
- Es ist eine ambulante Behandlung möglich, sodass ein Patiententransport vermieden werden kann. Daraus folgt eine Ressourcenschonung für die Notaufnahmen und den Rettungsdienst, sowie weniger Aufwand für den Patienten und Angehörige.[3]
Qualitätsmanagement
Kontextsensitive Verfahrensanweisungen
Alle Verfahrensanweisungen der beteiligten Regionen können in der Bedienoberfläche der Telenotarzt-Zentrale aufgerufen werden. Neben der Darstellung des Ablaufschemas, das speziell auf die Rahmenbedingungen der Telekonsultation angepassten ist, werden Zusatzinformationen für den TNA bereitgestellt. Zu jeder Verfahrensanweisung gibt es eine checklistenbasierte Dokumentationsoberfläche, die einerseits den Dokumentationsaufwand verringert, vor allem aber optisch darstellt, ob alle Punkte für eine leitliniengerechte Notfallversorgung erfüllt sind. Somit ist eine leitliniengerechte Therapie auch in komplexen Einsatzsituationen möglich. Die Inhalte der Verfahrensanweisung sind streng evidenzbasiert und stellen den aktuellen Wissensstand von Leitlinien und Forschung dar.
Qualitätszirkel Rettungsdienst / Krankenhaus
Auch die Leistungen des Telenotarztdienstes werden in den Qualitätsmanagement-Zirkeln mit den Krankenhäusern und den Rettungsdienstorganisationen besprochen und evaluiert. Verbesserungsbedarf kann so regelmäßig identifiziert und zeitnah umgesetzt werden.
Literatur
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- M. Skorning, S. Bergrath, J. C. Brokmann, D. Rörtgen, S. K. Beckers, R. Rossaint: Stellenwert und Potenzial der Telemedizin im Rettungsdienst. In: Notfall + Rettungsmedizin. Band 14, Nr. 3, 2011, S. 187–191. ()
Weblinks
- Offizielle Webseite des Telenotarztdienstes
- Offizielle Webseite des ARS-Instituts, das die Entwicklung des Telenotarztes forschungsseitig begleitet hat
- Artikel in der Zeitschrift Medscape zum Forschungsprojekt TemRas (Forschungsprojekt zum Telenotarzt-System)
Einzelnachweise
- DGAInfo Aus der Kommission Telemedizin (2016): Telemedizin in der prähospitalen Notfallmedizin: Strukturempfehlungen der DGAI. AWMF.
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- Ihr Arzt immer dabei, auf medgate.ch
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