Tatherrschaft

Tatherrschaft i​st ein Begriff a​us der strafrechtlichen Tatherrschaftslehre, d​ie zur Abgrenzung v​on Täterschaft u​nd Teilnahme herangezogen wird. Es g​eht also u​m die Frage, w​er die Zentralfigur[1] d​es konkreten Handlungsgeschehens u​nd somit Täter (und n​icht etwa n​ur Anstifter o​der Gehilfe) gemäß § 25 StGB ist.

Probleme entstehen b​ei der Abgrenzung v​or allem zwischen d​er mittelbaren Täterschaft u​nd Anstiftung u​nd Mittäterschaft u​nd Beihilfe. Je nachdem, welche d​er Beteiligungsformen gewählt wird, schwankt d​ie Strafbarkeit d​er Beteiligten.

Der BGH vertrat hierzu früher die sog. animus-Theorie. Danach ist Täter, wer Täterwille habe (sog. animus auctoris), Teilnehmer, wer einen Teilnehmerwillen habe (sog. animus socii).[2] Im Gegensatz zu der animus-Theorie, erfolgt die Abgrenzung nach der Tatherrschaftslehre nicht vorwiegend nach subjektiven Merkmalen des Täters, sondern vorwiegend nach seinen objektiven Merkmalen. Die Tatherrschaft ist damit das vom Vorsatz erfasste "In-den-Händen-Halten" des tatbestandlichen Geschehens[3] bzw. die vom Willen getragene beherrschende Steuerung des Tatablaufs.[4] Diese liegt bei demjenigen vor, der die Tat nach seinem Willen hemmen oder ablaufen lassen kann.[5]

Folgende Formen d​er Tatherrschaft werden unterschieden:

  1. Die Tatherrschaft des unmittelbaren Täters (Handlungsherrschaft) = unmittelbare Täterschaft
    = Tatherrschaft besitzt, wer objektiv das "Ob" und "Wie" der Tatbestandsverwirklichung beherrscht und einen entsprechenden Willen besitzt, somit das Tatgeschehen in seinen Händen hält.
    • Bsp.: A entwendet das Fahrrad des O
  2. Die Tatherrschaft des Hintermannes über den Vordermann durch ein überragendes Wissen (Wissensherrschaft) = mittelbare Täterschaft
    = Der Hintermann nutzt bewusst einen beim Tatmittler vorliegenden "Defekt" aus – also etwa, dass dieser nicht vorsätzlich bezüglich der Tatbestandsverwirklichung handelt (im unteren Beispiel also hinsichtlich einer Körperverletzung des O).
    • Bsp.: A sagt B: "Hier ein ungeladenes Gewehr. Schieß auf O und jage ihm einen richtigen Schreck ein." In Wirklichkeit ist die Waffe geladen, was dem B jedoch nicht bekannt ist. Er vertraut A und verletzt O durch den Schuss. Der A hatte eine Tatherrschaft über B, damit scheidet die Teilnahmefunktion des A aus – er ist mittelbarer Täter.
  3. Die Tatherrschaft des Hintermannes über den Vordermann durch ein überragendes Wollen (Willensherrschaft) = mittelbare Täterschaft
    = Der Vordermann befindet sich in einer besonderen Abhängigkeit vom Hintermann. Diese kann zum Beispiel bei einem Schuldunfähigen oder Genötigten der Fall sein.
    • Bsp.: Der geistige Mentor A sagt seinem psychisch labilen und von A völlig abhängigen Schüler B, er solle O töten. B tut dies ohne Widerrede. Der A hatte hier kraft Ausnutzung der Schuldunfähigkeit die Willensherrschaft über B und war daher mittelbarer Täter.
  4. Die Tatherrschaft durch eine Organisationshierarchie (Organisationsherrschaft) = mittelbare Täterschaft
    = Der Vordermann befindet sich in Abhängigkeit von einer stark organisierten Hierarchie (Mafia, Militär usw.) und muss sich dieser "beugen".
    • Bsp.: Der A ist „Mafiaboss“, der dem ihm hörigen B befiehlt, T zu töten. B tut dies aus Angst um sein Leben und seine Stellung in der Hierarchie. A ist als mittelbarer Täter zu bestrafen.
  5. Die Tatherrschaft der arbeitsteiligen Mittäter (funktionelle Tatherrschaft) = Mittäterschaft
    = Die Täter begehen die Tat aufgrund eines gemeinsamen Tatplanes (der auch situativ – also spontan – gefasst werden kann) gemeinsam und tragen dabei arbeitsteilig jeweils mit eigenen Handlungen zur Tatbestandsverwirklichung bei, ohne die der Taterfolg auf diese Weise nicht möglich gewesen wäre.
    • Bsp.: A hält den T fest, damit B diesen erschlagen kann. Wenn A den T nicht festhielte, könnte T fliehen und B den Tatbestand des Totschlags nicht verwirklichen. A und B sind als Mittäter zu bestrafen.

Einzelnachweise

  1. Hauf, Strafrecht AT, 2. Auflage 2001, S. 75
  2. vgl. Joecks, § 25 StGB, 4. Auflage 2003, Rn. 3.
  3. Maurach: Strafrecht AT. 4. Auflage, § 49 II C 2.
  4. Samson, Strafrecht II, S. 72
  5. Frisch, LdR, S. 975; Hillenkamp, 19. AT-Problem, S. 160

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