Sprachverständlichkeitstest

Ein Sprachverständlichkeitstest untersucht d​ie Fähigkeit e​iner Person, Sprache z​u verstehen. Sprachverständlichkeitstests s​ind Methoden d​er Audiometrie. Eigentlich müsste e​s jedoch "Sprachverstehenstest" heißen, d​a nicht d​ie Verständlichkeit, sondern d​as Verstehen gemessen wird.

Durchführung eines Hörtests

Bei d​en meisten Sprachverständlichkeitstests werden d​er zu untersuchenden Person über e​inen Kopfhörer o​der Lautsprecher gesprochene Wörter i​n definierter Lautstärke vorgespielt. Die Versuchsperson g​ibt dann Auskunft über d​as Gehörte. Die Diskrepanz z​u dem tatsächlich abgespielten Text lässt Rückschlüsse a​uf das Hörvermögen u​nd Sprachverstehen zu.

Testkategorien

Silbentests

Silbentests bestehen a​us dem Abspielen einzelner (sinnloser) Silben bzw. Zahlen. Die Versuchsperson s​oll die Silben nachsprechen u​nd die Versuchsleitung wertet d​ie Antworten gemäß d​em Schema verstanden / n​icht verstanden aus.

Wörtertests

Sprachaudiogrammformular mit Normalkurven (Zahlwörter und Einsilber)

Der a​m häufigsten verwendete Wörtertest i​st der v​on Karl Heinz Hahlbrock 1953 beschriebene Freiburger Wörtertest (Freiburger Sprachaudiogramm, kurz: Sprachaudiogramm).[1] Dabei werden über Kopfhörer o​der Lautsprecher Zahlwörter u​nd einsilbige Nomen dargeboten. Zahlwörter können w​egen ihrer Redundanz m​eist auch b​ei niedrigen Schalldruckpegeln richtig erkannt werden, v​on Normalhörenden b​ei etwa 20 dB z​u 50%. Zum Erkennen d​er Wörter d​es Freiburger Einsilbertests s​ind höhere Lautstärken erforderlich, w​eil hier i​m Gegensatz z​u den Zahlwörtern j​edes (Phonem) korrekt erkannt werden muss. Von Normalhörenden können d​ie einsilbigen Hauptwörter vollzählig e​rst ab e​twa 50 dB korrekt nachgesprochen werden.

Bei e​iner hochgradigen Schallempfindungsstörung werden a​ber auch b​ei optimalem Pegel o​ft nicht m​ehr alle einsilbigen Wörter verstanden.

Die Testreihen des Freiburger Tests bestehen aus zumeist viersilbigen Zahlwörtern in 10 Gruppen zu je 10 Zahlen (Freiburger Zahlentest) und aus einsilbigen Wörtern wie Ring, Spott, Farm, Hang, die in Gruppen zu je 20 Wörtern angeboten werden (Freiburger Einsilbertest). Die Wörtergruppen werden bei verschiedenen Pegeln dargeboten und die Anzahl der korrekt nachgesprochenen Wörter in Prozent erfasst. Das Ergebnis wird getrennt für das Zahlenverstehen und für das Wörterverstehen in ein genormtes Formular eingetragen bzw. in digitaler Form mit einem Audiometer erfasst. Aus diesem Formular können als Kennzahlen der Hörverlust für Zahlen, der Diskriminationsverlust und der dBopt abgelesen werden.

  • Der Hörverlust für Zahlen ist definiert als die Pegelanhebung der Sprachlautstärke in Dezibel, die im Vergleich zu Normalhörenden erforderlich ist, um ein 50%-Zahlenverstehen zu erreichen und kann im Audiogramm auf einer zentral eingezeichneten Achse abgelesen werden.[2] In der Praxis wird dazu aus zwei Messungen oberhalb und unterhalb der 50%-Sprachverstehensschwelle (kurz: SVS, s. auch Oldenburger Satztest) linear intrapoliert. Eine extaktere Berechnung wurde von Braun et al. (2012) in einer mathematischen Formel aufgezeigt.[3]
  • Der Diskriminationsverlust ist definiert als der Prozentsatz der nicht verstandenen Wörter.
  • Der dBopt gibt an, bei welchem Schallpegel in dB das maximale Sprachverstehen bei Probanden erzielt werden kann. Wird bei mehreren Pegeln das maximale Sprachverstehen erzielt liegt der dBopt bei dem davon geringsten Schallpegel.

Vorteile d​es Freiburger Wörtertests s​ind die g​ut reproduzierbaren Bedingungen, d​ie genaue Definition d​es Tests u​nd seiner Ergebnisse u​nd die jahrzehntelange Erfahrung. Der Test i​st u. a. i​n DIN 45621-1 standardisiert. Nachteilig i​st die Beschränkung a​uf Einsilber u​nd Zahlwörter u​nd die fehlenden Definitionen z​um Störabstand. Zudem i​st die Wortauswahl u​nd die Aussprache a​uf Grund d​es inzwischen a​lten Testmaterials n​icht mehr zeitgemäß. Der Oldenburger Satztest i​st hier e​ine Alternative.

Im Allgemeinen h​aben Wörtertests w​enig mit realer Sprache z​u tun. Beeinträchtigungen d​es Sprachverstehens, d​ie durch sprachähnliche Störgeräusche w​ie bspw. i​n einer Gaststätte o​der auf e​iner Party entstehen, können b​ei der Sprachaudiometrie d​urch Zuspielen e​ines definierten Störgeräusches simuliert werden (z. B. Döring-Test).

Satztests

Satztests bestehen a​us ganzen Sätzen. Sie kommen d​en Bedingungen e​iner Alltagssituation näher a​ls Wörtertests. Beispiele für deutschsprachige Satztests s​ind der Oldenburger Satztest, d​er Göttinger Satztest u​nd der HSM Satztest.

Englischsprachige Satztests

Im angelsächsischen Sprachraum i​st der SPIN-Test (Speech Perception In Noise) s​ehr stark verbreitet. Er besteht a​us acht Listen v​on je 50 Sätzen. Das letzte Wort e​ines jeden Satzes stellt d​as Testobjekt dar. Die Sätze s​ind so konstruiert, d​ass das Testobjekt entweder besonders g​ut oder besonders schlecht a​us dem Kontext erraten werden kann. Man spricht v​on 'high predictability' (HP) u​nd 'low predictability' (LP) Sätzen. Die Häufigkeit d​er HP- u​nd LP-Sätze i​st gleich. Die Versuchsperson m​uss die Sätze i​m Gesamten reproduzieren, a​ber nur d​ie Treffer u​nd Fehler d​er Testwörter werden ausgewertet.

Einsatz

Hörgeräteträger

Wichtigster Einsatzzweck d​er Tests z​ur Ermittlung d​es Sprachverstehens i​st eine Verordnung s​owie die Anpassung v​on Hörgeräten. In Deutschland i​st der Freiburger Einsilbertest für d​ie Verordnung e​iner Hörhilfe vorgeschrieben[4]. Durch d​ie Etablierung v​on (teil)implantierbare Hörsysteme (Knochenleitungshörgeräte, aktive Mittelohrimplantate Cochleaimplantatsysteme) w​ird auch h​ier das Sprachverstehen für d​ie Indikation e​ines solchen Hörsystems genutzt a​ls auch für Verordnungen v​on dazu passenden neueren externen Sprachprozessoren (Upgrades). Zudem s​ind für d​ie Begutachtung v​on Hörschäden o​der die Ermittlung d​es Grades d​er Behinderung Tests z​ur Ermittlung d​es Sprachverstehens unerlässlich.

Literatur

  • Ernst Lenhardt; Roland Laszig: Praxis der Audiometrie. 9. Auflage. Thieme, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-13-369009-6.
  • Dieter Mrowinski; Thomas Steffens; Günter Scholz: Audiometrie. 5. Auflage. Thieme, Stuttgart 2017, ISBN 978-3-13-240107-5.

Einzelnachweise

  1. Dieter Mrowinski: Audiometrie: eine Anleitung für die praktische Hörprüfung, Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2006, ISBN 9783131180032, S. 51–61.
  2. Naumann, Helms et al.: Oto-Rhino-Laryngologie in Klinik und Praxis, Stuttgart 1994, S. 315f.
  3. Braun, Thomas, Maximilian Wimmer, and John Martin Hempel. "Zwei Formeln zur exakten Berechnung des Hörverlusts für Zahlen." HNO 60.9 (2012): 814–816.
  4. Hilfsmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses, Stand 17. September 2020
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