Schreibkrampf
Als Schreibkrampf (Graphospasmus, auch Mogigraphie, Chirospasmus, Cheirospasmus „Handkrampf“ oder Cheirismus[1]) bezeichnet man einen Krampf der beim manuellen Schreiben beteiligten und die schreibende Hand bewegenden Muskeln.
Klassifikation nach ICD-10 | |
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G25.8 | Sonstige näher bezeichnete extrapyramidale Krankheiten und Bewegungsstörungen |
F48.8 | Sonstige neurotische Störungen Inkl.: Beschäftigungsneurose, einschließlich Schreibkrämpfen |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Die Erkrankung wurde zunächst als Überlastungssyndrom gewertet (siehe den historischen Meyer-Text unten), galt dann über einige Jahrzehnte als psychosomatische Erkrankung und wird heute zu der neurologischen Erkrankungsgruppe der Dystonie (Bewegungsstörungen mit Ursprung in den motorischen Zentren im Gehirn) gezählt.
Tätigkeitsspezifische Dystonie
Der Schreibkrampf gehört mit der Golferdystonie und der Musikerdystonie zu den tätigkeitsspezifischen fokalen Dystonien (Beschäftigungskrämpfe), die nur während dieser spezifischen Tätigkeiten in Erscheinung treten. Der Schreibkrampf ist die verbreitetste Form. Er wird durch den Akt des Schreibens ausgelöst, als eine unwillkürliche Beugung, Streckung oder Rotation der Finger, des Handgelenks und seltener auch des Ellbogens und der Schulter. Das Schreiben wird dadurch mühselig, die Schrift wird verformt und unleserlich.
Historische Sichtweise von 1890
Symptome
Am häufigsten äußert er sich in den Beugemuskeln durch krampfhaftes Andrücken des die Feder haltenden Daumens gegen den Zeige- und Mittelfinger, welches die Federhaltung stört und endlich so stark wird, dass sich die ganze Hand beim Schreiben klauenartig zusammenballt.
Seltener wird die Feder plötzlich nach der Hohlhand hineingeschnellt. Sind die Streckmuskeln der Finger der Sitz des Schreibkrampfes, so öffnen sich bei dem Versuch zu schreiben plötzlich die Finger, oder nur der Zeigefinger streckt sich aus, und dem Schreibenden entfällt die Feder.
Selten werden die Vorderarmmuskeln zusammengezogen, wobei mitten im Schreiben die Hand plötzlich über das Papier hinweggeschnellt wird. Endlich ist der Schreibkrampf eine Folge des Zitterns und beginnender Lähmung der Vorderarmmuskeln, wo dann die krampfartige Anstrengung beim Federhalten Rückwirkung gegen den muskelschwachen Zustand des Arms ist. In allen Fällen ist der Schreibkrampf äußerst lästig und oft sehr schmerzhaft.
Ursachen
Die Ursachen können sehr verschieden sein; die häufigste ist wohl eine falsche Methode des Schreibunterrichts, der Federhaltung und Körperstützung beim Schreiben, auch wohl der Gebrauch zu harter Federn, zu dünner Federhalter, rauen Papiers. Diese Ursachen sind zu beseitigen.
Therapie
Der Schreibende gewöhne sich an eine flüchtige Handschrift, welche die Haupttätigkeit in den aufsteigenden Haarstrich des Buchstabens legt, somit die Streckmuskeln der Finger mehr als ihre Beugemuskeln beschäftigt. Nur bei halb gelähmten und zitternden Armen ist eine andere Methode nötig.
Ein solcher Kranker klemme die Feder fest in die Falte zwischen den Mittelhandknochen des Daumens und Zeigefingers, gegen letzteren sie andrückend, und schreibe mehr aus dem Handgelenk mittels der Muskeln des Ober- und Vorderarms. Der Gebrauch sehr dicker, rau gearbeiteter Federhalter, sogar das Einschließen des Federkiels in einen Kork oder in ein dickeres Rohr sind Erleichterungsmittel für die Federhaltung.
Hilfsmittel
Maas’ Atremograph ist der Hohlhand genau nachgebildet und macht jede willkürliche wie auch unwillkürliche, beim Schreiben unnötige Bewegung der Finger unmöglich. Jedenfalls muss durch angemessene Beschränkung der Schreibarbeit dem Ausbruch des Schreibkrampfes vorgebeugt werden. In den hartnäckigsten Fällen ist elektrische Behandlung oder Massage notwendig.
Literatur
- Christian Marquart, Birgit Steidle und Barbara Baur: Der Schreibkrampf. Ätiologie, Untersuchung und Therapie. In: Thomas Jahn (Hrsg.): Bewegungsstörungen bei psychischen Erkrankungen. Springer, Berlin/Heidelberg 2004, S. 233-252.
- P. D. Thompson: Writers’ cramp. In: Br J Hosp Med. 1993 Jul 14-Aug 17;50(2-3), S. 91–94. PMID 8353672.
- K. Nakashima, J. C. Rothwell, B. L. Day, P. D. Thompson, K. Shannon, C. D. Marsden: Reciprocal inhibition between forearm muscles in patients with writer’s cramp and other occupational cramps, symptomatic hemidystonia and hemiparesis due to stroke. In: Brain: a journal of neurology. Band 112 (Pt 3), Juni 1989, S. 681–697, ISSN 0006-8950. PMID 2731027.
- Nußbaum: Einfache und erfolgreiche Behandlung des Schreibkrampfes. Jos. Ant. Finsterlin, München 1882.
- Carl Ernst Bock: Für Die mit Schreibekrampf. In: Die Gartenlaube. Heft 30, 1867, S. 480 (Volltext [Wikisource]).
Einzelnachweise
- Roche Lexikon Medizin. 5. Auflage. Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag, München 2003, ISBN 3-437-15072-3 (Stichwort: Schreibkrampf). – auch hier verfügbar