Satisfaktionslehre
Die Satisfaktionslehre ist Bestandteil der christlichen Erlösungslehre. Anders als die Sühnopfertheologie wirft die Satisfaktionslehre einen systematisch-theologischen Blick auf die Deutung des Todes Jesu. Bei der Satisfaktionslehre handelt es sich also um ein spezifisch christliches Dogma und nicht um die exegetische Diskussion heiliger Texte mit Opfertheologien (Sühnopfertheologie).
Nach dieser Vorstellung ist der Tod Jesu als Sühnopfer nötig, um eine angemessene Wiedergutmachung für die Verletzung der Ehre Gottes zu leisten, die durch den Sündenfall der Menschen geschehen ist. Für Gott habe es nur die Alternative gegeben „entweder Strafe“ (aut poena), d. h. die Vernichtung der gesamten Menschheit „oder Wiedergutmachung“ (aut satisfactio) durch eine die Sünde aufwiegende Ersatzleistung. Damit die Ersatzleistung aber schwerwiegender als die Menschheitssünde sein konnte, war es nötig, dass Gott selbst Mensch wurde, um nun – als selbst Sündloser – in der menschlichen Gestalt Jesu Christi sein Leben als satisfactio für die Sünden der Menschen dahin zu geben.
Geschichtliche Entfaltung
Erste Ansätze finden sich bei Tertullian u. a. Die wirkungsgeschichtlich bedeutendste Formulierung entwickelte Anselm von Canterbury (1033–1109 n. Chr.) in seinem Werk Cur deus homo.
Viele Theologen halten die Satisfaktionslehre für den zentralen Kern des Christentums, da sie darstelle, wie der Mensch zum Heil gelange. Andere Theologen hingegen halten die Satisfaktionslehre für eine Fehlinterpretation der Bibel, deren Aussagen durch das mittelalterliche Rechtsverständnis missverstanden worden seien.[1][2][3]
Hans Küng lobt in Christ sein zwar die „formale Klarheit, juristische Konsequenz und systematische Geschlossenheit“ der anselmischen Satisfaktionslehre, kritisiert sie letztlich aber als eine „Verfremdung der biblischen Botschaft“. Er meint: „Der Mensch muss versöhnt werden, nicht Gott. [...] nicht indem ein persönlicher Groll Gottes, sondern indem jene reale Feindschaft zwischen Mensch und Gott beseitigt wird, die nicht aus einer Erb-Sünde, sondern aus aktueller persönlicher Schuld und dem allgemeinen Schuldverhängnis entsteht.“
Literatur
- Gerhard Gäde: Eine andere Barmherzigkeit. Zum Verständnis der Erlösungslehre Anselms von Canterbury. Echter, Würzburg 1989; 2., aktualisierte und erweiterte Auflage, mit einem Geleitwort von Peter Knauer SJ, Peter Lang, Berlin 2018.
- Josef Imbach: Schockbewältigung mittels Sühne- und Opfertheorien. In: Josef Imbach: Ist Gott käuflich? Die Rede vom Opfertod Jesu auf dem Prüfstand. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2011, S. 142–156.
- Hans Küng: Christ sein. Piper, München 1974, S. 409–417
- Otto Hermann Pesch: Anselm von Canterbury und die Lehre von der stellvertretenden Genugtuung Christi. Eine kleine kritische Ehrenrettung. In: B. Acklin Zimmermann, F. Annen (Hrsg.): Versöhnt durch den Opfertod Christi? Die christliche Sühnetheologie auf der Anklagebank. Zürich 2009, S. 57–73.
- Harald Wagner: Satisfaktionstheorien. In: LThK 9 (3. Auflage), S. 82 f.
Weblinks
Einzelnachweise
- Warum starb Jesus Christus am Kreuz? Welt online, 23. März 2009
- Warum Theologen am Sühnetod Jesu zweifeln. Welt online, 28. März 2009
- Ist das Kreuz für uns gestorben? Fragen an die Opfertodtheologie. (PDF; 137 kB) WDR, 2. April 2010