Rebekka von Mallinckrodt
Rebekka von Mallinckrodt (* 1971) ist eine deutsche Historikerin. Zeitlich liegt ihr Schwerpunkt in der Epoche der Frühen Neuzeit (16.–18. Jahrhundert), inhaltlich bilden die Geschichte der Bewegungskultur, Sport und Körpertechniken als auch die Rückwirkungen des Kolonialismus und der Globalisierung auf Europa Schwerpunkte. Insbesondere beschäftigt sie sich mit Versklavungspraktiken im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation.
Wissenschaftliche Laufbahn
Von Mallinckrodt besuchte zunächst bis 1989 die St. Anne's-Belfield School in Charlottesville, Virginia, bevor sie 1991 am Albertus-Magnus-Gymnasium Bensberg das Abitur erlangte. Im Anschluss studierte sie bis 1994 Germanistik, Geschichte und Philosophie an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Danach absolvierte sie ein Studienjahr an der Universität La Sapienza und der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. 1995 setzte sie ihr Studium[1] an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn fort, das sie 1998 mit dem Ersten Staatsexamen abschloss. In den Jahren 1999 bis 2001 war sie Stipendiatin des DFG-Graduiertenkollegs „Wissensfelder der Neuzeit“ an der Universität Augsburg, wo sie 2003 promoviert wurde. Bereits ab 2001 war von Mallinckrodt als wissenschaftliche Mitarbeiterin am damaligen Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen tätig. Dort koordinierte sie u. a. die International Max Planck Research School for the History and Transformation of Cultural and Political Values in Medieval and Early Modern Europe. 2005 folgte ein Ruf als Juniorprofessorin an die Freie Universität Berlin, wo sie – unterbrochen durch ein Forschungsjahr in Paris als Feodor-Lynen-Stipendiatin der Alexander von Humboldt-Stiftung 2008/2009 – bis 2012 tätig war. Im gleichen Jahr wechselte sie als Professorin für Geschichte der Frühen Neuzeit an die Universität Bremen.
Wissenschaftliche Bedeutung
Von Mallinckrodt arbeitet sehr eng an den Quellen der frühen Neuzeit und konnte daher einerseits in alte Diskussionen erhellend eingreifen und andererseits neue bisher eher verdrängte Gebiete erschließen. So zeigte sie in der Diskussion um Allen Guttmanns Anfänge des modernen Sports, dass die Thesen von John Mcclelland und Arnd Krüger eines frühen Beginns wohl eher zutreffend sind als diejenigen von Guttmann, der vor dem 19. Jahrhundert keine Merkmale des Sports sieht.[2] Von Mallinckrodts Arbeiten zur Sklaverei in Deutschland haben ein neues Forschungsfeld quellenmäßig erschlossen. Zum einen brachte sie erstmals den Nachweis, dass Sklaverei als Rechtsstatus im Alten Reich existierte, zum anderen wies sie nach, dass insbesondere Kinder und Jugendliche von einer solchen Verschleppung nach Deutschland betroffen waren.
Auszeichnungen und Funktionen (Auswahl)
- 2018 Aufsatzpreis des Verbandes der Historiker und Historikerinnen Deutschlands für den Beitrag „Verhandelte (Un-)Freiheit“
- 2015–2021: Principal Investigator des ERC Consolidator Grants „The Holy Roman Empire of the German Nation and its Slaves“
- 2010: Aufnahme in AcademiaNet (Internetportal für exzellente Wissenschaftlerinnen)
- 2009–2012: Initiatorin und Sprecherin des DFG-Netzwerkes „Körpertechniken in der Frühen Neuzeit“
- 2007–2012: Mitglied der Jungen Akademie an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina
Veröffentlichungen (Auswahl)
- Verschleppte Kinder im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und die Grenzen transkultureller Mehrfachzugehörigkeit, in: Dagmar Freist/ Sabine Kyora/ Melanie Unseld (Hrsg.): Transkulturelle Mehrfachzugehörigkeiten – Räume, Materialitäten, Erinnerungen, Bielefeld 2019, S. 15–37.
- Schwimmende Prinzen und schwimmende Revolutionäre. Zur politischen Ikonologie einer Körpertechnik, in: Mariacarla Gadebusch Bondio/ Beate Kellner/ Ulrich Pfisterer (Hrsg.): Die Macht der Natur – gemachte Natur. Realitäten und Fiktionen des Herrscherkörpers zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit, Florenz 2019, S. 301–342.
- Sklaven in Deutschland, in: Damals. Das Magazin für Geschichte 7 (2018), S. 45–46.
- Verhandelte (Un-)Freiheit. Sklaverei, Leibeigenschaft und innereuropäischer Wissenstransfer am Ausgang des 18. Jahrhunderts, in: Themenheft Knowledge and Migration, hrsg. von Simone Lässig und Swen Steinberg, Geschichte und Gesellschaft 43,3 (2017), S. 347–380.
- Exploring Underwater Worlds. Diving in the Late Seventeenth-/ Early Eighteenth-Century British Empire, in: Daniela Hacke/ Paul P. Musselwhite (Hrsg.): Empire of Senses. Sensory Practices of Colonialism in Early America, Leiden: Brill 2017, S. 300–322.
- Frühneuzeitliche Sportgeschichte 2.0, in: Themenheft Neue Wege der Frühneuzeitgeschichte, hrsg. von Wolfgang Behringer und Justus Nipperdey, Frühneuzeit-Info 28 (2017), S. 117–129.
- There are no Slaves in Prussia?, in: Felix Brahm/ Eve Rosenhaft (Hrsg.): Hinterlands and Grey Zones. Studies in the Material and Moral Implications of Transatlantic Slavery in Continental Europe 1680–1850, Boydell & Brewer – Suffolk 2016.
- Sports and Physical Exercise in Early Modern Culture. New Perspectives on the History of Sports and Motion (gemeinsam mit Angela Schattner), Routledge, London 2016.
- Taucherglocken, U-Boote und Aquanauten – Die Erschließung der Meere im 17. Jahrhundert zwischen Utopie und Experiment, in: Karin Friedrich (Hrsg.): Die Erschließung des Raumes. Konstruktion, Imagination und Darstellung von Räumen und Grenzen im Barockzeitalter, Wiesbaden 2014, S. 337–354.
- Les mondes coloniaux à Paris au XVIIIe siècle. Circulation et enchevêtrement des savoirs (gemeinsam mit Anja Bandau und Marcel Dorigny), Karthala, Paris 2010.
- Bewegtes Leben – Körpertechniken in der Frühen Neuzeit. Katalog zur Ausstellung in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 29. Juni bis 16. November 2008, Wiesbaden 2008.
- „Man entsage dem Betruge der misgeleiteten Vernunft (…) so wird man sehen, daß man schwimmen kann.“ – Schwimmpraktiken und -debatten im 18. Jahrhundert, in: Werkstatt Geschichte 44 (2006), S. 7–26.
- Unsichtbare Macht – Repräsentative Machtlosigkeit? Ein Vergleich politischer Einflußmöglichkeiten und architektonischer Repräsentation frühneuzeitlicher Bruderschaften in Venedig und Köln, in: Christian Hochmuth/Susanne Rau (Hrsg.): Machträume der frühneuzeitlichen Stadt, Konstanz 2006, S. 333–353.
- Struktur und kollektiver Eigensinn. Kölner Laienbruderschaften im Zeitalter der Konfessionalisierung (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 209), Göttingen 2005.
- gemeinsam mit Rebekka Habermas: Interkultureller Transfer und nationaler Eigensinn. Europäische und anglo-amerikanische Positionen der Kulturwissenschaften[3], Göttingen 2004.
- „Discontenting, surely, even for those versed in French intellectual pyrotechnics.“ Michel de Certeau in Frankreich, Deutschland und in den USA, in: Interkultureller Transfer und nationaler Eigensinn. Europäische und anglo-amerikanische Positionen der Kulturwissenschaften, Göttingen 2004, S. 221–241.
- Bewegte Geschichte. Plädoyer für eine verstärkte Integration und konzeptuelle Erweiterung der Sportgeschichte in die frühneuzeitliche Geschichtswissenschaft, in: Historische Anthropologie 1 (2004), S. 134–139.
- Bruderschaften als Auftraggeber von Kunst und Architektur im süddeutsch-österreichischen Raum. Prolegomena zu einem neuen Forschungsfeld, in: Markwart Herzog, Rolf Kießling und Bernd Roeck (Hrsg.): Himmel auf Erden oder Teufelsbauwurm? Wirtschaftliche und soziale Bedingungen des süddeutschen Klosterbarock, Konstanz 2002, S. 119–140.
Weblinks
- offizielle Website von Rebekka von Mallinckrodt
- aktuelle Vorträge und Publikationen als Download bei academia.edu
- Rebekka von Mallinckrodt in der Datenbank renommierter Wissenschaftlerinnen AcademiaNet (englisch)
- Literatur von und über Rebekka von Mallinckrodt im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Informationen zur Familie von Mallinckrodt
Einzelnachweise
- Zu den Informationen in diesem Abschnitt vgl. die in den Weblinks angegebene Website von Rebekka von Mallinckrodt.
- John McClelland: Book review: Sports and Physical Exercise in Early Modern Culture. New Perspectives on the History of Sports and Motion, edited by Rebekka von Mallinckrodt and Angela Schattner, in: Ludica 21/22 (2015/16), S. 162–164.
- online auf Google Books.