Praxagoras von Kos
Praxagoras von Kos war ein im 4. Jahrhundert v. Chr. lebender griechischer Arzt. Er gilt als einer der berühmtesten Mediziner des Altertums und wurde häufig von anderen antiken Medizinern zitiert.
Leben
Praxagoras stammte aus dem angesehenen Geschlecht der Asklepiaden von Kos, sein Vater hieß Nikarchos. Hinsichtlich Diagnostik und Therapie stand Praxagoras als Vertreter der dogmatischen Richtung in der Medizin in der Tradition des Hippokrates von Kos. Den Höhepunkt seines Wirkens erreichte er um 300 v. Chr. Er nutzte als Leiter der Ärzteschule von Kos[1] wahrscheinlich die Einrichtungen des ausgedehnten Asklepiosheiligtums in Kos, nicht ausgeschlossen werden kann ein Aufenthalt in Alexandria.
Praxagoras war ein Zeitgenosse des Mediziners Diokles von Karystos, wobei es sowohl Berührungspunkte mit dessen und der aristotelischen Lehre gibt als auch Abweichungen. Insgesamt vertrat aber Praxagoras eigene medizinische Standpunkte. In der Tradition der Westgriechischen Medizin (frühe Anfänge der Medizin im westlichen Kolonialraum, Unteritalien und Sizilien)[2] räumte er dem Herzen eine zentrale Rolle ein und nahm an, dass die Nerven dort ihren Ursprung hätten. Als erster Mediziner hatte Praxagoras zudem anatomisch zwischen Venen und Arterien unterschieden und nahm an, dass Arterien Pneuma, ein als luftartig vorgestellter Stoff, enthielten und dieses vom Herzen in den Körper transportierten, während in den Venen das den Körper mit Nährstoffen versorgende Blut flösse.[3][4] Hinsichtlich des Pulses wies er als erster Arzt auf die damit zusammenhängenden diagnostischen Möglichkeiten hin.
Bezüglich der Entstehung von Krankheiten bzw. für die Beibehaltung der Gesundheit war für ihn die Humoralpathologie zentral. Nach Galenos, der Praxagoras zitierte, modifizierte er die Säftetheorie des Hippokrates, sodass er auf insgesamt elf Körpersäfte kam. In Bezug auf die Physiologie spielte in den Vorstellungen des Praxagoras das Pneuma eine nicht unwichtige Rolle.
Praxagoras widmete sich relativ stark der Anatomie, untersuchte Gehirn, Rückenmark und führte womöglich Operationen am Darm durch. Dieser anatomische Ansatz wurde später von seinem berühmten Schüler Herophilos von Chalkedon fortgeführt. Von seinen zahlreichen medizinischen Schriften sind uns nur Fragmente erhalten.
Nicht ausgeschlossen werden konnte die Vermutung, dass Praxagoras der Vater des Dichters Theokritos sei.
Literatur
- Kurt Bardong: Praxagoras 1. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band XXII,2, Stuttgart 1954, Sp. 1735–1743.
- Georgia L. Irby-Massie: Greek Science of the Hellenistic Era: A Sourcebook. London-New York 2002, S. 296f. (Ausschnitte der Fragmente in engl. Übersetzung)
- Ferdinand Peter Moog: Praxagoras von Kos. In: Werner E. Gerabek u. a. (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1182.
- Georg Wöhrle: Studien zur Theorie der antiken Gesundheitslehre. Stuttgart 1990, S. 170ff.
Einzelnachweise
- Jutta Kollesch, Diethard Nickel: Antike Heilkunst. Ausgewählte Texte aus den medizinischen Schriften der Griechen und Römer. Philipp Reclam jun., Leipzig 1979 (= Reclams Universal-Bibliothek. Band 771); 6. Auflage ebenda 1989, ISBN 3-379-00411-1, S. 174, Anm. 11.
- Markwart Michler: Westgriechische Medizin. In: Werner E. Gerabek u .a. (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. S. 1476–1482.
- Jutta Kollesch, Diethard Nickel: Antike Heilkunst. Ausgewählte Texte aus den medizinischen Schriften der Griechen und Römer. 1989, S. 21.
- Markwart Michler: Alexandrinische Chirurgie. In: Werner E. Gerabek u. a. (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. S. 32–38, hier: S. 33.