Polybius (Arcade-Spiel)
Bei Polybius handelt es sich einer modernen Sage zufolge um ein 1981 von einem Hersteller namens Sinneslöschen produziertes Arcade-Spiel. Das Spiel ähnelt der Sage nach Tempest, hat jedoch eine abstraktere Grafik und Rätsel-Elemente. Produzent sei Steven Roach gewesen. Das Spiel habe unter dem Verdacht gestanden, bei Photosensibilität epileptische Anfälle auslösen zu können, und sei nach wenigen Wochen wieder vom Markt verschwunden.
Über das Spiel
Polybius-Automaten wurden der Legende nach nur in Portland aufgestellt.[1] Das Spiel bestehe aus einem Flug durch einen Tunnel, umrahmt von Kaleidoskop-artigen wechselnden und blinkenden Farben und Formen, untermalt von in schneller Abfolge wiederholten Geräusch-Effekten. Das Spiel habe zur Sucht werden können. Es bildeten sich angeblich Warteschlangen vor den Automaten. Zu den berichteten Nebeneffekten des Spiels gehörten: epileptische Anfälle, Gedächtnisstörungen, Krämpfe, Halluzinationen, Schlafstörungen, Panik und Depression.[2] Auch Fälle von Selbstmord wurden mit dem Spiel in Verbindung gebracht. Laut einem Interview des Gamepulse Magazin vom 2. März 2007 mit dem angeblichen Entwickler namens Steven Roach wurde das Spiel jedoch lediglich in Arcade-Hallen getestet. Als ein Kind durch das Spielen einen Epilepsie-Anfall erlitt, habe Sinneslöschen das Spiel wieder vom Markt genommen.[3]
Nach Recherchen von Kultur- und Videospieljournalisten wie Cat DeSpira und Analysen von Forschern wie Brian Dunning könnte die initiale Legende von Polybius auf wahre, aber nicht miteinander verbundene Vorgänge zurückzuführen sein[4]. Darunter der Fall des Brian Mauro, der am 27. November 1981 versuchte, einen Asteroids-Rekord aufzustellen, aber nach 28 Stunden mit Krämpfen zusammenbrach[5]. Am gleichen Tag erlitt Michael Lopez beim Spielen von Tempest einen Migräneanfall[6]. Während dieser Zeit wurde im US-Bundesstaat Oregon eine koordinierte Razzia gegen manipulierte Glücksspielautomaten in Bars, Nachtclubs und Arcade-Hallen vorbereitet und später durchgeführt, wobei zahlreiche Automaten in Arcade-Hallen konfisziert wurden.
Gerüchte über das Spiel
In den frühen Tagen des Usenets und Internets wurden Gerüchte verbreitet, nach denen die Automaten von Männern in schwarzen Anzügen beobachtet wurden. Diese hätten hin und wieder Daten von den Automaten ausgelesen und die Automaten wieder abgeholt.[7] Das Spiel habe auch unterschwellige Botschaften wie „Gehorche!“ oder „Konsumiere!“ enthalten.[8]
In der US-amerikanischen Sendung Blister versuchte der Moderator Bill Sindelar erfolglos, das Spiel aufzutreiben.[9] In der amerikanischen Ausgabe von GamePro kam Redakteur Dan Elektro zu dem Schluss, dass es keine verlässlichen Beweise gebe, dass das Spiel je existiert habe.[10] Auch Stuart Brown kommt in einer Analyse zu diesem Schluss. Bei dieser Analyse konnte er u. a. durch Recherchen von Usenet-Einträgen, der Videogames Database und Vergleichen mit dem Internet-Archive den frühesten, aber offenbar auf ein Datum im Jahr 1998 rückdatierten, gesicherten Eintrag bezüglich des Spiels Polybius nicht vor dem 3. März 2000 finden, was ihn neben weiteren Erkenntnissen zu dem Ergebnis führt, dass Polybius nie existiert habe.[11]
Rezeption
In der Simpsons-Folge Homer, hol den Hammer raus ist ein Polybius-Automat zu sehen. Auf dem Automaten ist der Schriftzug Property of US Government zu lesen.[12][13]
Die Science-Fiction- und Horror-Fernsehserie Dimension 404 widmet dem Spielautomaten mit Folge 4 eine eigene Folge mit einer eigenen fiktiven Handlung.[14]
Ebenfalls widmete sich der Angry Video Game Nerd in der Episode 150 intensiv dem Spiel bzw. dem zugrunde liegenden Mythos und nahm einige der modernen Legenden näher unter die Lupe, wenn auch keinerlei Ingamefootage gezeigt wurde und es sich bei dem für die Dreharbeiten verwendeten Automaten wahrscheinlich um kein Original handelte.[15]
Ein Freeware-Spiel Polybius for PC (2007) ist erhältlich als Download auf der Sinneslöschen-Website.
Im Mai 2017 veröffentlichte Llamasoft ein gleichnamiges Shoot ’em up für die PlayStation VR mit VR-Support.
In der Fernsehserie Loki ist in Folge 5 der 1. Staffel ein Polybius-Automat “am Ende der Zeit” zu sehen, einem Ort, an dem alle Dinge landen, die von der TVA verbannt wurden.
Weblinks
Einzelnachweise
- Eintrag zu Polybius bei coinop.org
- Polybius-Artikel bei Slashdot
- Polybius Arcade. In: Kotzendes Einhorn. 1. Mai 2011, abgerufen am 2. März 2019.
- Gedankenkontrolle, Militärexperiment, Verschwörungsmythos: Ist Polybius das gefährlichste Videospiel aller Zeiten? 30. Oktober 2020, abgerufen am 1. November 2020.
- Cat DeSpira: Reinvestigating Polybius: With 2015 Update. In: Retro Bitch. 29. Oktober 2015, abgerufen am 1. November 2020 (englisch).
- Polybius: Legend, or Urban Legend? | Video Games | The Escapist. Abgerufen am 1. November 2020 (englisch).
- Michael Förtsch: Polybius. 360 Live Magazin, S. 66–69
- Polybius: Video Game of Death (skepticblog)
- 7. Mai 2004. Programminformationen des TV-Senders G4
- Dan Elektro: Secrets & Lies. GamePro, September 2003, S. 41.
- POLYBIUS – Das Arcade-Spiel, das nicht existiert (YouTube, 8. September 2017, abgerufen am 10. November 2018)
- Skepticblog » Polybius: Video Game of Death. Abgerufen am 6. August 2017.
- Gaming Historian: The Legend of Polybius | Gaming Historian. 15. Juni 2017, abgerufen am 6. August 2017.
- imfernsehen GmbH & Co. KG: Dimension 404 Staffel 1, Folge 4: Polybius. Abgerufen am 28. Februar 2018 (deutsch).
- Cinemassacre: Polybius - Angry Video Game Nerd (Episode 150). 25. Oktober 2017, abgerufen am 6. Juli 2019.