Planetwalzenextruder
Planetwalzenextruder sind Maschinen aus der Kunststofftechnik und gehören zur Obergruppe der Extruder. Er wurde Anfang der 1950er Jahre von Ludwig Wittrock erfunden und fand zunächst weitgehend Anwendung in der PVC-Kalander-Industrie. Heute deckt der Planetwalzenextruder die gesamte Bandbreite der Aufbereitungs- und Reaktionstechnologie ab.
Aufbau des Planetwalzenextruders
Beim Planetwalzenextruder wird eine Zentralspindel angetrieben, auf welcher sich die einzelnen, in ihrer Zahl variierbaren Planetspindeln, abwälzen. Die umlaufenden Planetspindeln werden zusätzlich über eine innenverzahnte Buchse geführt. Die Temperierung erfolgt sowohl über die Zentralspindel als auch über den Walzenzylinder. Die Planetspindeln erfassen beim Umlaufen der Zentralspindel das Material und durch das Eintauchen der Spindelzähne in die korrespondierenden Zahnlücken wird das eingegebene Material zu dünnen Schichten ausgewalzt und mittels der Drallverzahnung nach vorne transportiert. Die wiederholte Dünnschichtauswalzung mit den Planetspindeln und die große wärmetauschende Oberfläche des extrem dünnwandigen Walzenzylinders gewährleisten eine optimale Plastifizierung, Dispergierung und Homogenisierung.
Standard Planetwalzenextruder für die Kunststoffindustrie
Um eine Vorstellung von der Abtauschfläche eines Planetwalzenextruders zu geben, betrachten wir die Standardgröße eines Kalanderbeschickungs-Extruders. Bei einer Umdrehung der Zentralspindel tauscht dieser Planetwalzenextruder ca. eine Fläche von zwei Tennisfeldern pro Minute ab.
Besonderheiten
Die Fertigung der Zylinderbuchsen mittels Tiefenerodierung hat diverse Vorteile gegenüber den herkömmlichen Herstellmethoden Ziehen, Wirbeln oder Schleifen. Zum einen eine exakte Geometrie der Evolventenverzahnung auch in gehärtetem Material, zum anderen eine minimale Wandstärke der Zylinderbuchse. Speziell diese Wandstärkenminimierung zusammen mit der wiederholten Dünnschichtauswalzung ermöglichen die exakteste und schonendste Materialaufbereitung aller (Aufbereitungs-)Extruder. Mit diesem System lassen sich selbst Materialmischungen mit hohen Viskositätsunterschieden problemlos verarbeiten.
Eine weitere Besonderheit ist die modulare Bauweise des Planetwalzenextruders. Bei der modularen Bauweise werden mehrere Walzenzylinder hintereinander gekoppelt und somit der Verfahrensweg vervielfacht bzw. die Verfahrenstechnik den jeweiligen Erfordernissen angepasst. Hierdurch hat der Planetwalzenextruder, im Gegensatz zu anderen herkömmlichen Aufbereitungsextrudern, die Möglichkeit ganze Prozessketten hintereinander zu schalten. Während eines Prozesses können mehrere Reaktionen (wie z. B. Entgasen, Flüssigkeiten einspritzen oder Füll- und Feststoffkomponenten zugeben) hintereinander gefahren werden.
Einsatzgebiete
Planetwalzenextruder können aufgrund ihrer exakten und schonenden Materialaufbereitung in folgenden Einsatzgebieten eingesetzt werden:
- Kunststoffindustrie – z. B. alle PVC-Rezepturen, ABS, TPO, TPU, gefüllte Polyolefine, Prepex, Kautschukverarbeitung, Elastomerklebstoffe
- Farbenindustrie – z. B. Epoxy-, Polyester-, Acrylic und ähnliche Lacke
- Chemische Industrie – z. B. Mischungen mit endothermen und exothermen Reaktionen
- Lebensmittelindustrie – z. B. alle thermisch empfindlichen Rezepturen, Kakao-Zucker-Dispersionen, Eiscreme, Spezialmalze
- Pharmazeutische Industrie – z. B. Granulierung hydrophober und lipophiler Wirkstoffe
- Sonderanwendungen – z. B. Klärschlammaufbereitung, Wood Plastic Composite
Hersteller
- ENTEX Rust & Mitschke GmbH
- battenfeld-cincinnati Germany GmbH
- Troester GmbH & Co. KG, Hannover Deutschland
Ausgewählte Literatur
- Polymer-Aufbereitung und Kunststoff-Compoundierung / Harald Rust, Klemens Kohlgrüber, Michael Bierdel / Hansa Fachbuch / 1. Auflage 10/2019
- Erwin Baur, Sigrid Brinkmann, Tim A. Osswald, Ernst Schmachtenberg: Saechtling Kunststoff Taschenbuch / 30. Auflage. 11/2007
- Fachkunde Kunststofftechnik, Lernfelder 1 bis 14 / 2. Auflage 2010
- Friedrich Johannaber, Kunststoff-Maschinenführer, Hanser Verlag / 4. Auflage. 12/2003