Pauline Bleuler
Anna Pauline Bleuler (* 1852 in Zollikon; † 1926) war die Schwester des Psychiaters Eugen Bleuler (1857–1939), der 1908 den Begriff Schizophrenie prägte. Pauline zeigte ab 1872 innerhalb schwerer psychischer Krisen eine schizophrene Symptomatik.
Leben
Pauline Bleuler wurde 1852 als Kind von Johann Rudolf Bleuler und Pauline Bleuler geboren. Ab 1870 arbeitete sie als Klavierlehrerin. Um 1872 erlitt sie auf dem Hof ihrer Eltern eine erste schwere psychische Krise. Anfangs von einer Pflegerin unterstützt, wurde sie in der Kantonalen Irrenanstalt Breitenau in Schaffhausen und ab 1874 oder 1876 in der Irrenanstalt Burghölzli in Zürich behandelt. Außerhalb der Behandlung lebte sie bei ihrer Familie. Bleulers Tante Louise Bleuler berichtete ab November 1877 in Briefen an Angehörige über von Pauline zerschlagene Fensterscheiben und Spiegel. Im Februar 1878 berichtete sie von Paulines Boshaftigkeiten, Zwangsernährung durch Paulines Bruder Eugen und Ankleidungen durch ihren Onkel Theodor Bleuler und eine Pflegerin.
Vermutlich trug ihre psychische Erkrankung zum Lebensweg ihres Bruders Eugen bei, der 1886 Direktor der psychiatrischen Klinik im Kloster Rheinau und 1898 Direktor an der psychiatrischen Klinik Burghölzli wurde. Nach Abraham Brill‘s Erinnerung an 1907/08 am Burghölzli, erwähnte Eugen seine Schwester häufig als Beispiel im Zusammenhang mit therapeutischen Fragestellungen.[1] Eugens Sohn Manfred schrieb 1988: [Eugen Bleulers Schizophreniewerk] widerspiegelt die Ziele, die er sich schon in der Jugend für sein Leben gesetzt hat, und sein späteres Wirken. Diese Ziele entstanden unter dem Einfluss seiner Familie, seiner Dorfgenossen, dem Stand der Kultur seiner Zeit und der Gesellschaft um ihn und entsprachen seinem Wesen.[2]
Nachdem Paulines Eltern 1898 starben, nahm sie ihr Bruder Eugen zuerst mit sich in die Klinik und, wohl nach seiner Heirat 1901 und Vaterschaft 1903, zu seiner Familie in der Dienstwohnung im Krankenhaus. Pauline lebte „still und stumm“, A. Brill sah sie nach eigener Aussage von seinem Zimmer aus durch die Halle, täglich monoton auf und ab gehen. Eugen half ihr beim Essen, arbeitete „Stunde um Stunde“ an ihr, wohl in einem „ermahnenden“ Umgang und redete zu ihr. „Zumindest kleidete sie sich und ging mit ihm“. Einmal habe Eugen sie im Zustand von höchster Aufregung „bewegen/ergreifen“ können, was er als Beweis dafür wertete, dass „man es schaffen kann“. Die Kinder ihres Bruders und ihrer Schwägerin spielten ungehemmt in ihrer Anwesenheit, fast als wäre sie ein Gegenstand.[3][4]
Über Paulines vorherige und spätere Lebensjahre ist nichts dokumentiert.
Der Psychiater und Psychiatriehistoriker Christian Scharfetter (1936–2012) spricht von einem chronisch katatonisch-mutistischen Krankheitsverlauf.
Literatur
- Daniel Hell: Eugen Bleulers Herkunft, Kindheit und Jugend – Hintergrund für seine Lehre. In: Daniel Hell, Christian Scharfetter, Arnulf Möller (Hrsg.): Eugen Bleuler – Leben und Werk. Bern: Huber, 2001, S. 19–27.
- Walter Letsch: Eugen Bleulers Herkunft und Jugendzeit. In: Schweizer Archiv für Neurologie und Psychiatrie. Bd. 164 (2013), H. 7, S. 236–251 (PDF).
- Christian Scharfetter: Eugen Bleuler 1857–1939. Polyphrenie und Schizophrenie. Zürich: vdf Hochschulverlag, 2006 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
Weblinks
- Burkhart Brückner: Biographie von Bleuler, Pauline, Biographisches Archiv der Psychiatrie, 2015
Einzelnachweise
- Christian Scharfetter: Eugen Bleuler, 1857-1939: Polyphrenie und Schizophrenie. vdf Hochschulverlag AG, 2006, ISBN 978-3-7281-3037-2, S. 44 (google.de [abgerufen am 7. April 2021]).
- Christian Scharfetter: Eugen Bleuler, 1857-1939: Polyphrenie und Schizophrenie. vdf Hochschulverlag AG, 2006, ISBN 978-3-7281-3037-2, S. 45 (google.de [abgerufen am 7. April 2021]).
- Christian Scharfetter: Eugen Bleuler, 1857-1939: Polyphrenie und Schizophrenie. vdf Hochschulverlag AG, 2006, ISBN 978-3-7281-3037-2, S. 43–44 (google.de [abgerufen am 7. April 2021]).
- Burkhart Brückner: Bleuler, Pauline. In: Biographisches Archiv der Psychiatrie. Abgerufen am 6. Juni 2021 (de/en).
- Thomas Widmer: Das Zeitalter der Eierstockpresse, Tages-Anzeiger, 28. August 2015, abgerufen am 13. Mai 2017.