Palazzo dei Camerlenghi
Der Palazzo dei Camerlenghi ist ein Palast im Stile der Renaissance in Venedig in der italienischen Region Venetien. Er liegt im Sestiere San Polo mit Blick auf den Canal Grande neben der Rialtobrücke.
Geschichte
Der Palast wurde im 15. Jahrhundert errichtet, 1488 fertiggestellt und zwischen 1525 und 1528 nach Plänen von Guglielmo die Grigi großräumig erweitert. In seiner heutigen Form erscheint er vor allem von der Architektur Mauro Codussis und Pietro Lombardos beeinflusst.[1] Er war der Sitz der venezianischen Finanzmagistratur, z. B. der Camerlenghi, der Consoli dei Mercanti und der Sopraconsoli dei Mercanti und lässt sich so anachronistisch als eine Art multifunktionales Bürogebäude bezeichnen.[2] Das Erdgeschoss des Palastes diente als Gefängnis für zahlungsunfähige und -unwillige Schuldner, was sich auch im Toponym Fondamenta de la preson (dt.: Gefängnisufer) niederschlägt. Die Zurschaustellung der Gefangenen im Finanz- und Geschäftsviertel Rialto diente den Menschen als strenge Warnung. Im Palazzo selbst dienten sie – zusammen mit den Finanzbehörden in den Obergeschossen und der dortigen Gemäldedekoration – auch dazu, das Bild von Venedig als einem gerechten Gemeinwesen zu entwerfen, in dem jede Person das ihre zum gelingenden Miteinander beiträgt – oder andernfalls ihre gerechte Strafe erhält.[3]
Nach dem Fall der Republik Venedig beherbergte das Gebäude über die Jahre den Corte d'Appello (dt.: Landgericht), sowie Büros der Liegenschaftsverwaltung und der Registratur.[4] Heute dient das umgebaute Gebäude als Sitz der Finanzmagistratur, darunter dem regionalen Sitz des Rechnungshofes.
Beschreibung
Der Palast erhielt durch die Erweiterung im 16. Jahrhundert einen fünfeckigen Grundriss, durch den er der Biegung des Canal Grande an dieser Stelle folgt und ist drei Stockwerke hoch. Er zeigt hohe Bogenfenster, die durch Lisenen getrennt und von interessanten Friesen bekrönt sind. Diese „Staatsschatulle“ wurde außen mit mehrfarbigem Marmor und Porphyr kostbar verziert, der über die Zeit allerdings verloren ging. Das heute leere Tondo an der Uferfassade enthielt zudem ehemals einen gemalten Markuslöwen.[5]
Es war eine Tradition der „Serenissima“, dass ein Friedensrichter bei Beendigung seiner Dienstzeit ein Gemälde oder religiöses Objekt mit seinem Porträt oder seinem Wappen als Geschenk hinterließ.[6] Der Palazzo dei Camerlenghi füllte sich so mit vielen Kunstwerken, bevor sie unter Napoleonischer Besetzung und im Königreich Italien über ganz Europa verstreut wurden. Glücklicherweise sind viele davon nach Venedig zurückgekehrt, wenn auch nicht in diesen Palast.
Galeriebilder
- Außenansicht
- Blick auf die Terrasse von der Fondaco dei Tedeschi aus
- Detail an der Fassade des Palastes. Im Hintergrund die Kirche San Giacomo di Rialto. Foto von Paolo Monti, 1977.
Einzelnachweise
- Hamilton, Paul C. The Palazzo dei Camerlenghi in Venice. Journal of the Society of Architectural Historians 42 (1983) 258–271.
- Hamilton, Paul C. The Palazzo dei Camerlenghi in Venice. Journal of the Society of Architectural Historians 42 (1983) 258–271. S. 258
- Nicolai Kölmel: The Queen in the Pawnshop: Shaping Civic Virtues in a Painting for the Palazzo dei Camerlenghi in Venice. bes. S. 106–07. In: Burghartz et al: Sites of Mediation. Connected Histories of Places, Processes, and Objects in Europe and Beyond, 1450–1650. Brill, Leiden 2016. doi: 10.1163/9789004325760_006
- Sede di Venezia. In: Corte dei conti. Archiviert vom Original am 11. August 2008. Abgerufen am 23. August 2019.
- Nicolai Kölmel: The Queen in the Pawnshop: Shaping Civic Virtues in a Painting for the Palazzo dei Camerlenghi in Venice. S. 99. In: Burghartz et al: Sites of Mediation. Connected Histories of Places, Processes, and Objects in Europe and Beyond, 1450–1650. Brill, Leiden 2016. doi: 10.1163/9789004325760_006
- Philip Cottrell: Corporate Colors. Bonifacio and Tintoretto at the Palazzo dei Camerlenghi in Venice. In: The Art Bulletin, Bd. 82 (2000), S. 658–678 doi:10.2307/3051416.
Quellen
- Marcello Brusegan: La grande guida dei monumenti di Venezia. Newton & Crompton, Rom 2005. ISBN 88-541-0475-2.
- Marcello Brusegan: I Palazzi di Venezia. Newton & Crompton, Rom 2007. ISBN 978-88-541-0820-2.
- Elsa Eleodori, Wanda Eleodori: Il Canal Grande, palazzi e famiglie. 2. Auflage. Carbo e Fiore, Venezia 2007. ISBN 88-7086-057-4.
- Guida d’Italia – Venezia. 3. Auflage. Touring, Mailand 2007. ISBN 978-88-365-4347-2.
- Giuseppe Tassini: Curiosità Veneziane. Filippi, Venedig 2001.
- Nicolai Kölmel: The Queen in the Pawnshop: Shaping Civic Virtues in a Painting for the Palazzo dei Camerlenghi in Venice. In: Burghartz et al: Sites of Mediation. Connected Histories of Places, Processes, and Objects in Europe and Beyond, 1450–1650. Brill, Leiden 2016. doi: 10.1163/9789004325760_006
- Philip Cottrell: Corporate Colors. Bonifacio and Tintoretto at the Palazzo dei Camerlenghi in Venice. In: The Art Bulletin, Bd. 82 (2000), S. 658–678 doi:10.2307/3051416.
Weblinks
- Alessia Rosada, Carlos Travaini: Palazzo dei Camerlenghi. In: Canal Grande di Venezia. Abgerufen am 23. August 2019.