Nationalromantik
Als Nationalromantik werden kulturelle und politische Strömungen bezeichnet. Sie bieten romantische Deutungsmuster, Ausdrücke und Bilder für geschichtliche und politische Prozesse, sowie für die Identität der als Nation verstandenen sozialen Gruppen an. Häufig fanden nationalromantische Motive bei dem Entwurf von Nationaldenkmälern und bei der Ausgestaltung von öffentlichen und sakralen Gebäuden im 19. und frühen 20. Jahrhundert Verwendung. Als Beispiele dienen das Hermanns- und das Niederwalddenkmal, oder die Auferstehungskirche in Sankt Petersburg. Zudem gibt es viele Gemälde mit nationalromantischen Motiven, etwa Die Freiheit führt das Volk des französischen Malers Eugène Delacroix, Westward the course of empire takes its way des US-amerikanischen Malers Emanuel Leutze oder Germania auf der Wacht am Rhein des deutschen Malers Lorenz Clasen.
In Skandinavien wird mit dem Begriff Nationalromantik eine spezielle Richtung der Kulturpolitik, der Architektur, Literatur und Malerei im 19. und frühen 20. Jahrhundert bezeichnet, die Elemente der Volkskunst, der Arts-and-Crafts-Bewegung und des Jugendstils aufnahm. Auch mit dem Streben nach Monumentalität und Vereinfachung der Formen wurde dort die Besinnung auf nationale Traditionen verknüpft. In Schweden gilt vor allem Ragnar Östbergs Bau des Stockholmer Rathauses (1911–1923) als Beispiel der Nationalromantik, in Finnland ist es das Werk von Eliel Saarinen, vor allem sein Hauptbahnhof Helsinki. Das Rathaus von Oslo hat aufgrund seiner etwa 35-jährigen Planungsgeschichte (Fertigstellung 1950) äußerlich eine eher funktionalistische Formensprache angenommen, zeigt aber deutliche Elemente der Nationalromantik in der Gestaltung der Innenräume. Ähnliche Tendenzen der Suche nach einem bewusst nationalen Architekturstil gab es damals auch in Ungarn, etwa bei Ödön Lechner und Karoly Kós. Die Heimatschutzarchitektur des deutschsprachigen Europa ist ein ähnliches Phänomen.
Literatur
- Joep Leersen (Hrsg.): Encyclopedia of Romantic Nationalism in Europe. 2 Bände, Amsterdam University Press, 2018, ISBN 978-9-4629-8118-8 (online).