Nationale Menschenrechtsinstitution
Eine Nationale Menschenrechtsinstitution (NMRI; englisch National Human Rights Institution) ist eine unabhängige Institution, welche die Aufgabe innehat, im jeweiligen Land die Menschenrechte zu schützen, zu überwachen und zu fördern. Die Gründung solcher Institutionen wurde durch das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte gefördert.[1] In Deutschland übernimmt diese Aufgabe das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR), in Österreich teilweise die Volksanwaltschaft. In der Schweiz gibt es keine Nationale Menschenrechtsinstitution (das seit 2011 als Pilotprojekt bestehende Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR) erfüllt die Anforderungen nicht).
Pariser Prinzipien
Die Pariser Prinzipien wurden 1991 auf einer Konferenz des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte beschlossen.[2] Auch wenn sich die Schwerpunkte und Strukturen der Prinzipien von Land zu Land unterscheiden, gibt es doch einen festen Kern von Regelungen.[2] Bestandteil A.3 der Pariser Prinzipien wurde 1993 durch den UN-Menschenrechtsrat beschlossen. Dieser Bestandteil beinhaltet u. a. sechs Kriterien für die Einrichtung von Nationalen Menschenrechtsinstitutionen:
- Unabhängigkeit von der Regierung
- Unabhängigkeit durch Gesetze oder die Verfassung eines Landes (finanziell und rechtlich)
- Kompetenz eigener Nachforschungen im jeweiligen Land ohne Notwendigkeit der Zustimmung durch eine staatliche Autorität sowie ohne Einspruchsmöglichkeit des jeweiligen Staates
- das Recht, unabhängig und parallel zu staatlichen Einrichtungen zu arbeiten
- angemessene finanzielle und personelle Ausstattung
- klar definierte, weitgehend Rechte, einschließlich des Rechts zum Schutz und zur Förderung der allgemeinen Menschenrechte[2]
Menschenrechtsinstitutionen, die alle Kriterien erfüllen, wird durch den UN-Menschenrechtsrat ein sog. A-Status verliehen. Institute, die die Kriterien nur teilweise erfüllen, erhalten einen B-Status. Institute mit A-Status haben das Recht, an Versammlungen des UN-Menschenrechtsrats teilzunehmen.
Nationale Menschenrechtsinstitutionen im deutschsprachigen Raum
Die Global Alliance of National Human Rights Institutions (GANHRI) veröffentlicht jedes Jahr eine Übersicht der Nationalen Menschenrechtsinstitutionen und ihres Akkreditierungsstatus.[3] 2018 waren im deutschsprachigen Raum vier Institutionen akkreditiert: das Deutsche Institut für Menschenrechte mit A-Status, die Volksanwaltschaft in Österreich mit B-Status und in der Schweiz die Eidgenössische Kommission für Frauenfragen sowie die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus mit C-Status.[4] Das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte ist in der Liste nicht aufgeführt.
Keine NMRI in der Schweiz
In der Schweiz bestehen seit 2001 Bemühungen, eine Nationale Menschenrechtsinstitution zu schaffen.[5] Als Ergebnis dieser Bemühungen wurde 2011 im Sinne eines Pilotprojektes das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR) eröffnet, das allerdings die Anforderungen an eine NMRI gemäss Pariser Prinzipien nicht erfüllt.
Das SKMR wurde 2015 evaluiert, und aufgrund des positiven Ergebnisses fällte der Bundesrat am 29. Juni 2016 den Grundsatzentscheid zur Schaffung einer eigenen Nationalen Menschenrechtsinstitution auf gesetzlicher Grundlage.[6] Ein Vernehmlassungsverfahren im Sommer 2017 fiel wiederum überwiegend positiv aus. Abgelehnt wurde die Schaffung einer NMRI nur von wenigen Akteuren, darunter die SVP, die FDP, das Centre patronal und den Gewerbeverband, letztere im Gegensatz zu economiesuisse und dem Schweizerischen Arbeitgeberverband.[7]
In der Folge benannte der Bundesrat am 1. November 2017 die Schaffung einer NMRI als eines seiner Ziele für 2018: „In der Menschenrechtspolitik wird der Bundesrat 2018 die Botschaft zum Bundesgesetz über die Finanzierung einer nationalen Menschenrechtsinstitution verabschieden. Aufgabe dieser Institution ist die weitere Stärkung der Menschenrechte in der Schweiz; sie soll die Behörden, die Organisationen der Zivilgesellschaft und die Unternehmen im Bereich der Menschenrechte unterstützen.“[8]
Doch im September 2018 erlitt das Projekt einen Rückschlag. Der als Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) federführende Bundesrat Ignazio Cassis (FDP) äußerte Zweifel an der Notwendigkeit, ein eigenes Gesetz für eine NMRI zu schaffen, und kündigte die Ausarbeitung einer bescheideneren Lösung „à la Suisse“ an.[9]
Bis im Mai 2019 wurde vom EDA kein neuer Vorschlag präsentiert. Das Pilotprojekt SKMR wird bis Ende 2020 bestehen. Ob die Schweiz bis Anfang 2021 eine Nationale Menschenrechtsinstitution gründen kann, ist angesichts der Ausgangslage mehr als ungewiss.[10] Die Menschenrechts-Informationsplattform humanrights.ch kommentierte die Lage Ende Februar 2019 mit Bezug auf die Menschenrechtsstrategie der Schweiz folgendermassen: "Sollten es Bundesrat und Parlament tatsächlich nach einer 17-jährigen Leidensgeschichte nicht fertigbringen, endlich eine unabhängige Nationale Menschenrechtsinstitution zu schaffen, leidet die Glaubwürdigkeit der gesamten Strategie stark."[11]
Am 14. Mai 2019 forderte der Beirat des SKMR den Bundesrat in einem offenen Brief auf, bis zur Sommerpause 2019 einen Beschluss vorzulegen. Andernfalls sehe der Beirat eine grosse Gefahr, dass nach der Liquidierung des SKMR Ende 2021 keine NMRI als Nachfolgeinstitution eröffnet werden kann. Darunter werde die Glaubwürdigkeit der Schweiz und ihrer Menschenrechtspolitik stark leiden.[12] Bereits am 8. Mai 2019 hatte Nationalrätin Yvonne Feri (SP), die auch Mitglied des SKMR-Beirates ist, im Parlament eine Interpellation eingereicht. Die Interpellation fordert den Bundesrat auf, seine Pläne bezüglich einer Nachfolgelösung für das SKMR offenzulegen.[13]
Siehe auch
- Global Alliance of National Human Rights Institutions (GANHRI) - Weltweiter Verband der Nationalen Menschenrechtsinstitutionen
- Deutsches Institut für Menschenrechte
- Schweizerisches Kompetenzzentrum für Menschenrechte
- Volksanwaltschaft in Österreich
Einzelnachweise
- ICC web pages, including a listing of over 100 institutions
- Paris Principles | Asia Pacific Forum. In: asiapacificforum.net. Abgerufen am 10. September 2017 (englisch).
- GANHRI: Akkreditierungsliste 2018 der GANHRI. 21. Februar 2018, abgerufen am 6. Februar 2019 (englisch).
- GANHRI: Accreditation Chart 2018. (PDF) 21. Februar 2018, abgerufen am 7. Februar 2019 (englisch).
- Schaffung einer Nationalen Menschenrechtsinstitution in der Schweiz – Stand der Dinge. In: humanrights.ch. 21. September 2018, abgerufen am 7. Februar 2019.
- Eine weitere Zusatzschlaufe für die Nationale Menschenrechtskommission – mit welcher Absicht? In: humanrights.ch. 19. September 2018, abgerufen am 7. Februar 2019.
- Schweizerische Eidgenossenschaft: Vernehmlassungsbericht „Nationale Menschenrechtsinstitution“. (PDF) 2018, abgerufen am 7. Februar 2019.
- Schweizerische Bundeskanzlei: Ziele des Bundesrates 2018. (PDF) 1. November 2017, abgerufen am 7. Februar 2019.
- Daniel Gerny: Cassis steht bei neuem Menschenrechtszentrum auf die Bremse. In: nzz.ch. 9. April 2018, abgerufen am 7. Februar 2019.
- Tagblatt: Warten auf das Menschenrechtszentrum. 13. Mai 2019, abgerufen am 14. Mai 2019.
- humanrights.ch: Bericht des Bundesrats über die Menschenrechtsaussenpolitik der Schweiz 2015 – 2018. 18. Februar 2019, abgerufen am 26. Februar 2019.
- Unser Recht: Aufhebung des SKMR, bevor die Nachfolgeinstitution steht? 14. Mai 2019, abgerufen am 15. Mai 2019.
- Yvonne Feri: Zur Sachlage und Zukunft des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Menschenrechte. Schweizerische Bundesversammlung, 8. Mai 2019, abgerufen am 15. Mai 2019.