Meridianlinie
Als Meridianlinie wird eine horizontale Linie am Boden bezeichnet, die genau in Nord-Süd-Richtung verläuft. Mathematisch entspricht sie der Projektion des örtlichen Meridians auf die Horizontalebene des Standorts.
Solche Linien gibt es vor allem in großen Kirchen oder bei Bildungseinrichtungen.
Als frühe Vorgänger der Meridianastronomie können die vielerorts gefundenen alten Steinkreise und -Setzungen gelten, vor allem das aus dem Megalithikum-Zeitalter stammende, über 4000 Jahre alte Observatorium bei Stonehenge in Südengland, das neben religiösen Zwecken auch der Bestimmung der Jahreszeiten und Himmelszyklen durch die Aufgangspunkte von Sonne, Mond und heller Sterne diente. Auch die Ausrichtung der ägyptischen Pyramiden erfolgte genau nach den Himmelsrichtungen.
Meridianlinien in Kirchen und bei Planetarien
Die ersten genauen Meridianlinien wurden ab der Renaissance in einigen italienischen Kathedralen realisiert, meist als in den Kirchenboden eingelassene Messingstreifen. Bekannte Beispiele aus dem 17. Jahrhundert finden sich im Mailänder Dom, in der Basilika San Petronio (Bologna) oder in der Kathedrale von Palermo. Für diese meist von Astronomen veranlassten Meridianlinien wurden astronomische Beobachtungen am Vorplatz durchgeführt und dann ins Kircheninnere übertragen.
Auch vor vielen Planetarien oder manchen Schulen sind Meridianlien angebracht, oft in Kombination mit Sonnenuhren. Zu erwähnen sind ferner große Einrichtungen der Horizontastronomie wie das 1998 errichtete "Freiluft-Planetarium" Sterngarten im Südwesten Wiens oder der riesige Meridianbogen des „Horizontobservatoriums“ (2008) auf der Halde Hoheward, einer aufgelassenen Kohlehalde im Ruhrgebiet; sie leidet allerdings seit einigen Jahren an Korrosion durch Rost.
Beobachtungen
Für die genaue Einrichtung von Meridianlinien gibt es die verschiedensten Verfahren:
- die Feststellung der Nord-Südrichtung mittels des Höchststandes dervSonne zu Mittag, bzw.
- in früherer Zeit durch Mittelung der gleichen Sonnenhöhe vor/nach der Kulmination,
- durch Messung von Meridiandurchgängen heller Sterne mit einem Universalinstrument,
- durch Beobachtungen mit einem Passageninstrument oder (deutlich ungenauer) mit einem Magnetkompass,
- durch geodätische Richtungsübertragung von Punkten eines Vermessungsnetzes,
- durch Methoden der Satellitengeodäsie (in erster Linie mit GNSS oder GPS-Empfängern).
Bei den ersten Meridianlinien in Kirchen war umgekehrt das Ziel,
- den Durchgang des Sonnenstrahls über die Linie beobachten zu können und damit die wahre Sonnenzeit 12 Uhr zu ermitteln,
- gleichzeitig der Allgemeinheit die Bedeutung der Astronomie für den Alltag zu vermitteln
- und zum Übergang der gebräuchlichen Italienischen Stunden (ab Sonnenuntergang) auf die heute übliche Stundenzählung ab Mitternacht.
Staatliche Nullmeridiane
Eine für die Navigation besonders wichtige Meridianlinie wurde um 1670 im Innern der Greenwich-Sternwarte realisiert und markiert gleichzeitig den heute international anerkannten Nullmeridian. Auch andere bedeutende Sternwarten haben solche Linien in den Boden der Kuppel oder des Entrees eingelassen, z. B. die Observatorien von Paris oder von St. Petersburg.