Martin Weiss (SS-Mitglied)
Martin Weiss (* 21. Februar 1903 in Karlsruhe; † 30. September 1984 ebenda), Schreibweise auch Martin Weiß, war ein deutscher SS-Hauptscharführer. Er war Angehöriger des Einsatzkommandos 3, danach beim Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD Litauen, Außenstelle Wilna. Er wurde am 3. Februar 1950 in Würzburg wegen Beihilfe zum Mord an mindestens 30.000 Juden zu lebenslanger Haft verurteilt,[1] nach einem Gnadengesuch wurde die Haft 1971 ausgesetzt.[2]
Ermordung von Juden
Weiß leitete seit Oktober 1941 bis Juli 1943 die Exekutionen von Ponary.[3] Von Zeitzeugen wird seine Anwesenheit 1943 bei der Erschießung von 4000 Juden und der Selektion von Kindern und arbeitsuntauglichen Juden aus dem Heereskraftpark Wilna geschildert.[4]
Sonderkommando 1005
Weiß hatte bereits im April 1943 bei einer Führung über das Gräberfeld von Ponary die Stellen genau bezeichnet, an denen sich die Massengräber der „Kinderaktion“, des „Yom-Kippur-Massakers“ oder auch die Gräber hingerichteter Polen befanden. Im September 1943 wurde er ausgewählt, um den Arbeitseinsatz des Sonderkommandos 1005 zur Enterdung und Verbrennung der Leichen zu koordinieren.[5] Die Arbeiten begannen Ende November/Anfang Dezember 1943. Etwa 80 Häftlinge, die streng bewacht und zusätzlich mit Fußketten an einer Flucht gehindert wurden, mussten die Gräber öffnen, die Leichen herauszerren, sie auf Scheiterhaufen legen und die Asche nach Zahngold durchsieben. Bei einen Ausbruchsversuch überlebten elf Häftlinge, die zu den Partisanen stießen. Ein neues Häftlingskommando setzte die Beseitigung von insgesamt 80.000 bis 90.000 Leichen fort; als „Geheimnisträger“ wurden sie zum Schluss erschossen. Weiß hielt sich noch bis zum 11. Juli 1944 in Wilna auf.[6]
Zeuge im Murer-Prozess
Weiss erschien am 14. Juni 1963 im Grazer Prozess gegen Franz Murer, den sog. Schlächter von Vilnius, als Zeuge der Verteidigung.[7] Im Prozess behauptete er, Murer habe im Ghetto von Vilnius nur die Lebensmittelverteilung überwacht.[8]
Literatur
- Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Fischer, Frankfurt am Main 2007. ISBN 978-3-596-16048-8. (Aktualisierte 2. Auflage)
- Christina Ullrich: Der erste deutsche Prozess gegen einen Einsatzgruppentäter. in Martin Cüppers, Jürgen Matthäus, Andrej Angrick: Naziverbrechen. Täter, Taten, Bewältigungsversuche, Darmstadt, WBG, 2013, ISBN 978-3534263110.
Einzelnachweise
- Quelle: 5 (7) AR-Z 14/58 Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen Ludwigsburg. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Edition Kramer Koblenz, 2003, S. 664.
- Bert Hoppe, Hiltrud Glass (Bearb.): Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945 (Quellensammlung) Band 7: Sowjetunion mit annektierten Gebieten I – Besetzte sowjetische Gebiete unter deutscher Militärverwaltung, Baltikum und Transnistrien. München 2011, ISBN 978-3-486-58911-5, S. 701 in Anm. 3.
- Bert Hoppe, Hiltrud Glass (Bearb.): Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden..., Band 7, München 2011, ISBN 978-3-486-58911-5, S. 701.
- Dokumente VEJ 7/267 und VEJ 7/278 In: Bert Hoppe, Hiltrud Glass (Bearb.): Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden..., Band 7, München 2011, ISBN 978-3-486-58911-5.
- Andrej Angrick: „Aktion 1005“ – Spurenbeseitigung von NS-Massenverbrechen 1942–1945: Eine „geheime Reichssache“ im Spannungsfeld von Kriegswende und Propaganda. Göttingen 2018, ISBN 978-3-8353-3268-3, Bd. 2, S. 721.
- Andrej Angrick: „Aktion 1005“ – Spurenbeseitigung von NS-Massenverbrechen 1942–1945. Göttingen 2018, ISBN 978-3-8353-3268-3, Bd. 2, S. 721–712.
- Franz Murer (1912 – 1994). Abgerufen am 24. März 2019.
- Sachslehner, Johannes: "Rosen für den Mörder." Die zwei Leben des SS-Mannes Franz Murer. Molden Verlag Wien-Graz-Klagenfurt, 2017, Kindle-Ausgabe Position 2983 von 3508.