Lochstab von Grube-Rosenhof

Der verzierte, g​ut erhaltene Kult- o​der Lochstab v​on Grube-Rosenhof (LA 58) i​st aus Rothirschgeweih u​nd stammt a​us dem 5. Jahrtausend v. Chr. Er w​urde bei d​er Nachgrabung d​es Jahres 2002 i​n Grube i​n der Niederung d​es Oldenburger Grabens i​n Ostholstein entdeckt, d​ie Sönke Hartz durchführte. Der Lochstab w​urde aus e​iner Tiefe v​on 3,9 m u​nter NN geborgen. Im Oldenburger Graben wurden organische Materialien a​uf den teilweise u​nter dem Meeresspiegel liegenden Feuchtbodenplätzen ausgezeichnet konserviert.

BW

Aufbau

Die rechtsseitige Spießerstange hat eine Länge von 58 cm. Das vom Schädel abgetrennte proximale Ende war leicht gerundet. Etwa 10 cm hinter diesem Ende ist ein doppelkonisches Loch von etwa 3,5 × 2,5 cm durch die Substantia spongiosa (das schwammige Geweihinnere) gebohrt worden. Die Stabspitze ist abgebrochen und die Kanten wurden leicht verrundet. Auffällig ist die siebeneckige Facettierung im Mittelteil des Stabes, zu der es bislang keine Parallelen gibt. Ihre Grate sind mit 280 parallelen kurzen, in unterschiedlichen Gruppen quer angeordneten Kerben versehen. Unter dem Mikroskop sind auf den Seitenflächen Rillen oder „Rattermarken“ zu erkennen, wie sie beispielsweise bei einer Glättung mit einer Feuersteinklinge entstehen. Beispiellos ist ein 26 cm langer Eschenholzstiel, der im Schaftloch steckte. Anscheinend war sein konisch zulaufendes Ende ursprünglich mit Lindenbast befestigt wie Verfärbungen um das Schaftloch andeuten. Der Fundbereich war den Sedimenten zufolge eine Flachwasserzone. Vieles deutet also auf eine absichtliche Deponierung im Nahbereich des Siedlungsplatzes.

Der Lochstab konnte über s​eine Fundschicht i​n den mittleren Abschnitt d​er Ertebølle-Kultur (Jarbock-Phase – zwischen 4800 u​nd 4600 v. Chr.) datiert werden. Die Radiokarbondatierung d​es Holzstieles e​rgab ein mittleres Datum v​on etwa 4680 v. Chr.

Lochstabverzierungsmuster (abgerollt)

Zweck

Der Zweck d​er Lochstäbe i​st unbekannt. Es g​ibt zwei Nutzungsmöglichkeiten.

  • ein funktionell-technologischer Gebrauch. Es kommt u. a. der Gebrauch als Grabstock bei der Suche nach Früchten, Wurzeln oder Knollen in Betracht. Auch einige Vergleichsstücke weisen eine beschädigte bzw. eine fehlende Sitze auf, die gelegentlich von Kratzspuren begleitet wird. Diese Schadstellen könnten beim Auftreffen auf Steine im Boden entstanden sein. Wobei der Querstab allerdings keinen Sinn ergibt. Der Nutzen als Bodenbearbeitungsgerät bei der Einsaat ist auszuschließen, da für die Ertebølle-Periode keine Hinweise auf Getreideanbau vorliegen. Vergleichbare durchlochte Geräte sind bereits fast 10.000 Jahre früher aus dem Umfeld jungpaläolithischer Rentierjäger bekannt und werden mit dem Strecken von Speerschäften in Verbindung gebracht.
  • eine Verwendung in spirituell-religiösem Zusammenhang ist schwerer zu belegen. Die älteste Interpretation ist die eines „Kommandostabes“, der als Zeichen des Ranges oder als Insigne von Häuptlingen getragen worden sein könnte. Eine überzeugende Auslegung wäre auch die Verwendung von Schamanen bei magisch-religiösen Ritualen. Hierzu lassen sich zahlreiche ethnografische Analogien anführen. Da der Lochstab von Grube-Rosenhof aufwendig verziert wurde, dürfte die Ornamentik selbst im Fokus gestanden haben. Bislang werden die regelmäßigen Markierungen als Zählmarken gedeutet. Daneben existieren Stäbe mit komplexen Mustern (z. B. Tägerup, Schonen, Schweden und Vedbæk, Seeland, Dänemark). Eine kombinierte Verwendung im sakralen wie im profanen Umfeld ist durch ethnologische Vergleiche auszuschließen. Einige durchlochte Geweihstäbe (Amose, Dänemark; Szczecin-Grabowo, Polen) zeigen Darstellungen von Tierjagden.

An manchen Stellen weisen d​ie Stäbe (so a​uch der Lochstab v​on Grube-Rosenhof) Polituren auf, d​ie darauf deuten, d​ass die Geräte i​n einem Gürtel a​m Körper getragen wurden. Es fällt schwer z​u entscheiden, z​u welcher Kategorie dieser außergewöhnliche Lochstab gehört, d​a wenig über d​ie Gedankenwelt d​er Mesolithiker bekannt ist. Das Exemplar v​on Grube-Rosenhof i​st mit seiner Facettierung, d​er Strichornamentik u​nd dem Holzschaft e​in bisher einmaliges Zeugnis seiner Zeit.

Literatur

  • Frederick Feulner: Die mesolithischen durchlochten Geweihstangen im südwestlichen Ostseeraum. Starigarder Jahresberichte des Fördervereins des Institut für Ur- und Frühgeschichte CAU Kiel Bd. 6 2005 S. 7–14
  • Frederick Feulner & Sönke Hartz: Ein Loch, sieben Ecken und 280 Kerben – Der Kultstab von Grube-Rosenhof in Ostholstein In: Archäologische Nachrichten aus Schleswig-Holstein 2011 S. 22–25
  • Sönke Hartz: Fundgrube Oldenburger Graben. Mittelneolithische Siedlungsreste aus Wangels (LA 505) in Ostholstein. 2005
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