Liu Zongyuan
Liu Zongyuan (柳宗元, Pinyin: Liǔ Zōngyuán, Wade-Giles: Liu Tsung-yüan; * 773; † 819) war ein reformkonfuzianischer Beamtengelehrter der späten Tang-Dynastie.
Leben
Liu Zongyuan zeichnete sich im Examen aus und wurde 801 Distriktkommandant von Lantian nahe der Hauptstadt Chang'an. 803 wurde er Untersuchungsbeamter im Zensorat der Hauptstadt.
Gegen Ende der Herrschaft des Kaisers Dezong kam es zu Kritik am Anwachsen der Macht der Günstlinge des Kaisers, unter denen sich besonders viele Eunuchen befanden. Um die Jahrhundertwende formierte sich eine Gruppierung von Reformern, die von Wang Shuwen und Wang Pi geführt wurde. Neben Liu Yuxi war auch Liu Zongyuan Anhänger der Forderung nach einer Verwaltungsreform, um ein Ende der als Günstlingswirtschaft empfundenen Zustände herbeizuführen. Der Tod Kaiser Dezongs und die Thronbesteigung Shunzongs führte die Reformbewegung beinahe zum Erfolg. Doch der neue Kaiser war bereits von Krankheit gezeichnet und verstarb nach acht Monaten Regierung. Sein Sohn, Kaiser Xianzong, entließ die Reformer aus ihren Ämtern und verbannte sie aus der Hauptstadt Chang’an.
Werk
Liu Zongyuan lebte fast für den gesamten Rest seines Lebens in Yongzhou (永州). Dort befasste er sich mit dem Verfassen von Gedichten, die zu den bedeutendsten der Tang-Literatur gezählt werden. Seine Schriften weisen die Tendenz des buddhismuskritischen Reformkonfuzianismus auf, dem einige weitere Vertreter zu seinen Lebzeiten anhingen. Wichtig waren das Erlebnis der Naturschönheit fern der Hauptstadt und die Erfahrung der schweren Lebensbedingungen der Bauern.
Liu Zongyuan zählt zu den acht großen Prosameistern der Tang- und Song-Zeit. Etwa 500 seiner stilbildenden Texte sind bekannt.
Zu seinen lehrhaften Fabeln sowie satirischen Parabeln auf politische Grausamkeit und soziale Not gehören u. a.L
- „Traktat über den Schlangenfänger“ («捕蛇者說» Bǔ Shézhě Shuō)
- „Der Esel von Qian“ («黔之驢» Qián zhī Lǘ)
- Durch seine „Acht Aufzeichnungen von Yongzhou“ («永州八記» Yǒng zhōu Bā Jì)[1] gilt Liu als Begründer des Landschaft schildernden Reiseberichts in China.
Der vierzeilige Gedicht Fluss im Schnee («江雪» Jiāngxuě) zählt zu den berühmtesten und meistübersetzten Gedichten der chinesischen Literatur.
- 千山鳥飛絕 Qiān shān niǎo fēi jué,
- 萬徑人蹤滅 wàn jìng rén zōng miè.
- 孤舟蓑笠翁 Gū zhōu suō lì wēng,
- 獨釣寒江雪 dú diào hán jiāng xuě.
- Über tausend Bergen ist dahin der Vögel Flug,
- auf allen Wegen zugeweht die Spur von Menschen.
- Allein im Boot, mit Bastumhang und Bambushut
- fischt ein Greis im Schnee aus kalter Flut.[1]:17
Literatur
- Liu Zongyuan: Am Törichten Bach. Prosa und Gedichte. Aus dem Chin. von Raffael Keller, unter Mitarbeit von Jürgen Theobaldy. Berlin 2005, ISBN 3-932109-45-7.
- Rainer Hoffmann, Qiuhua Hu: China. Seine Geschichte von den Anfängen bis zum Ende der Kaiserzeit. Freiburg 2007. ISBN 978-3-7930-9499-9
- Raffael Keller: Die werkgetreue Interpretation: Ansätze zu einer Methodik der Übersetzung klassischer chinesischer Lyrik am Beispiel von Liu Zongyuans Vierzeiler Jiangxue. In: Asiatische Studien. Band 55, Nr. 4, 2001, doi:10.5169/seals-147554, S. 987.
- Volker Klöpsch, Eva Müller (Hrsg.): Lexikon der Chinesischen Literatur. München: C. Beck, 2007, ISBN 978-3-406-52214-7.
Einzelnachweise
- Vollständig übersetzt in: Liu Zongyuan: Am Törichten Bach. Friedenauer Presse, Berlin 2005.