Lips of Thomas
Lips of Thomas (auch Thomas Lips) heißt eine Performance der serbischen Künstlerin Marina Abramović, die aus der frühen Zeit ihrer Arbeit mit diesem Stilmittel stammt.
In dieser Performance bringt sich Abramović, wie in vielen ihrer Aufführungen, selbst an ihre körperlichen Grenzen. Die Uraufführung dieser Performance war im Jahr 1975 in der Galerie Krinzinger in Innsbruck.[1] Danach wurde sie 1993 und zuletzt 2005 im Guggenheim Museum in New York mit einer Dauer von sieben Stunden wiederholt.[2]
Vorgeschichte
Die Performance ist dem Schweizer Künstler Thomas Lips gewidmet. Abramović war von seiner Androgynie beeindruckt. Sie fühlte sich zu ihm hingezogen und hatte eine kurze Affäre mit ihm.[3]
Nachdem sie von Ursula Krinzinger in ihre Innsbrucker Galerie eingeladen worden war, entschloss sie sich ihre Performance nach Thomas Lips zu benennen.[3] Die Uraufführung fand am 24. Oktober 1975 statt.[4]
Beschreibung
Interessiert an den physischen und psychischen Grenzen des menschlichen Körpers hat Abramović ihren eigenen Körper für ihre Kunstaktionen benutzt, um diese Grenzen auszutesten, sie zu erfahren und ihr Publikum daran teilhaben zu lassen. Allerdings wären sich die Zuschauer ihrer Performance Thomas Lips nicht immer der von Abramović eingesetzten Symbolik bewusst gewesen und hätten lediglich die „rituelle Aura“ der Performance aufgenommen.[5]
Nackt betrat Abramović die Bühne, auf der ein Tisch mit weißer Tischdecke bereitgestellt war. Davor stand ein Stuhl. Auf dem Tisch befanden sich ein Honigglas, eine Weinflasche, ein Glas, ein Löffel und eine Peitsche. An der Wand hing eine Fotografie des Schweizer Künstlers Thomas Lips, dem dieses Werk gewidmet war. Auf dem Boden lag ein aus Eisblöcken geformtes Kreuz, über dem ein Heizstrahler hing. Abramović aß zunächst ein Kilo Honig. Danach trank sie einen Liter Wein. Sie zerbrach das Weinglas mit ihrer Hand, die zu bluten begann. Nun malte sie um die an der Wand hängende Fotografie ein Pentagramm. Dasselbe Motiv ritzte sie sich mit einer Rasierklinge in den Bauch, während sie vor dem Publikum kniete. Dann nahm sie die Peitsche vom Tisch und geißelte sich. Danach legte sie sich mit dem Rücken auf das Kreuz aus Eisblöcken, so dass das blutende Pentagramm auf ihrem Bauch unter dem Heizstrahler lag.
Die Performance sollte ein Ende finden, nachdem der Heizstrahler das Eis zum Schmelzen gebracht hätte. Sie wurde jedoch etwa 30 Minuten nachdem sich die Künstlerin in Kreuzigungspose auf die Eisblöcke gelegt hatte aufgrund von Zwischenrufen besorgter Zuschauer abgebrochen. Abramović wurde weggetragen.[1]
Als sie ihre Performance 2005 in New York wiederholte, wurde sie nicht abgebrochen. Abramović hatte Vorkehrungen getroffen, dies zu verhindern. Auch wurden einige Elemente verändert und ein Metronom tickte.[5]
Publikum
Das Publikum spielt eine große Rolle bei Abramovićs Performances. Sie will die Grenzen des menschlichen Körpers mit dem Publikum gemeinsam erleben und ihm helfen, eigene Ängste zu überwinden.
„Es war, als würde ein elektrischer Strom durch meinen Körper fließen, als wären das Publikum und ich eins geworden. Ein einziger Organismus. Das Gefühl der Gefahr im Raum hatte die Zuschauer und mich in diesem Moment vereint: Wir waren hier und jetzt und nirgendwo anders.“
Intention
Abramovic geht in ihren Performances häufig an oder auch über ihre psychischen und physischen Grenzen hinaus. Jedoch gehe es ihr nicht um den Schmerz, sondern um seine Überwindung.
“There’s no such kind of a logical ending in dealing with pain. I create a structure in which I can go far into the physical limits that a body can take. I don’t want to die. That is not the purpose. I want to experience the edge and how much I can take to this edge.”
„Es gibt kein logisches Ende im Umgang mit Schmerz. Ich kreiere eine Struktur in der ich weit an die physischen Grenzen des Körpers gehen kann. Ich will nicht sterben. Das ist nicht die Absicht. Ich will die Grenze erfahren und wie viel ich bis zu dieser Grenze ertragen kann.“
Sie bietet sich ihrem Publikum als Spiegel und Modell an, sich den eigenen Ängsten zu stellen.[2]
Literatur
- Marina Abramović: Durch Mauern gehen. Autobiographie. Luchterhand, München 2016, ISBN 978-3-630-87500-2 (englisch: Walk through walls. Becoming Marina Abramović. Übersetzt von Charlotte Breuer, Norbert Möllemann).
Einzelnachweise
- Performance: Thomas Lips. Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, abgerufen am 13. Dezember 2017.
- Alana Cappetta: Abramović & Reperformance. Artwrite 54, abgerufen am 13. Dezember 2017 (englisch).
- Marina Abramovic: Durch Mauern gehen. Autobiographie. Luchterhand, München 2016, ISBN 978-3-630-87500-2.
- Seven Easy Pieces. Marina Abramović. Ausstellung und Symposium. In: Documenta. 2006, abgerufen am 13. Dezember 2017.
- Marla Carlson: Marina Abramovic Repeats: Pain, Art, and Theater. HotReview, abgerufen am 13. Dezember 2017 (englisch).
- Thomas Lips, 1975, 1993, 2005. Abgerufen am 13. Dezember 2017.