Lincoln-County-Rinderkrieg
Der Lincoln-County-Rinderkrieg war ein Konflikt, der im 19. Jahrhundert im US-amerikanischen Grenzland stattfand. Dieser „Krieg“ brach zwischen den reichen Rinderzüchtern und den Geschäftsleuten in Lincoln County, New Mexico, aus. Ein bekannter Mitwirkender dieses Krieges war Henry McCarty (alias William H. Bonney), besser bekannt unter dem Namen „Billy the Kid“.
Vorgeschichte
John Tunstall war ein reicher 24-jähriger englischer Viehzüchter, Bankier und Kaufmann, der verschiedene junge Herumtreiber wie Billy the Kid beschäftigte. Zusammen mit Alexander McSween, einem Rechtsanwalt, und John Chisum, einem großen Rinderzüchter mit riesigen Herden in der Region, versammelte Tunstall eine Bande raubeiniger Cowboys um sich.
Hintergrund war der Konflikt mit einer Gruppe von Geschäftsleuten, die von den beiden Iren Lawrence Murphy (Gründer von L.G. Murphy & Co.) und J.J. Dolan (James Dolan) angeführt wurde. Zu Murphy und Dolan gesellte sich John H. Riley hinzu, der ebenfalls Handels- und Bankgeschäfte tätigte. Dolan und Riley besaßen ein großes Kaufhaus in Lincoln, „The House in the county’s seat“. Lincoln war damals der Mittelpunkt des Geschäftslebens im County.
Die Kaufhausbesitzer hatten enge Beziehungen zu den staatlichen Behörden in Santa Fe, New Mexico, zu den örtlichen Gesetzeshütern und zu einer kriminellen Organisation mit Namen „Santa Fe Ring“, die Thomas B. Catron anführte.
Tunstall versuchte nun zusammen mit Chisum und McSween ebenfalls im Kaufhaus- und Bankgeschäft in Lincoln Fuß zu fassen. Diese Konkurrenz wollten Murphy und Dolan nicht zulassen.
Der Rinderkrieg beginnt
Im Februar 1878, wenige Monate nachdem Billy the Kid von Tunstall angeheuert worden war, brach die Gewalt aus. Unmittelbarer Anlass waren Auseinandersetzungen um den Nachlass von Dolans Geschäftspartner Emil Fritz († 1874).[1] Dolan und Riley hatten sich bei Gericht einen Beschluss besorgt, aufgrund dessen sie einige von Tunstalls Pferden an sich nehmen durften, weil Tunstall angeblich Schulden bei ihnen hatte. Tunstall stellte eine Gruppe Männer zusammen, die großteils aus Kriminellen bestand, um die Pferde zurückzuholen. Auch Dolan heuerte gewaltbereite Cowboys an. Die meisten dieser Kriminellen gehörten der Bande mit dem Namen „The boys“ an und wurden angeführt von Jesse Evans, einem Banditen aus Texas. Auch der junge Billy the Kid hatte dieser Bande einmal angehört, genau wie der Bandit William Bresnahan, besser bekannt als Curly Bill Brocius, der später vom Sheriff Wyatt Earp erschossen wurde.
Am 18. Februar 1878 traf John Tunstall auf den Weiden mit Leuten von Dolan zusammen. Es kam zu einem Feuergefecht, bei dem Tunstall von Jesse Evans, William Morton und Tom Hill erschossen wurde. Aus der Entfernung hatten Billy the Kid und einige andere von Tunstalls Leuten die Schießerei beobachtet, ohne eingreifen zu können. Billy und die anderen wurden daraufhin als Hilfssheriffs vereidigt, um die Mörder ihres Arbeitgebers zu fangen. Billy the Kid und seine Gruppe wurden später "Regulatoren" genannt. Sie versuchten von nun an, die Mörder zu finden und außerdem die Interessen von Tunstalls überlebenden Partnern, McSween und Chisum, zu vertreten. Während sich die Gruppe der Regulatoren zeitweise auf mehrere Dutzend Leute vergrößerte, gab es einen harten Kern von Mitgliedern, die sich „iron clad“ nannte. Dies waren: Billy the Kid, Richard Brewer, Frank McNab, Josiah Gordon Scurlock, Jim French, John Middleton, George und Frank Coe, Jose Chavez y Chavez, Charlie Bowdre, Tom O'Folliard, Fred Waite und Henry Brown.
Vendetta
Die Regulatoren besorgten sich Haftbefehle für Dolans Cowboys. Als erster wurde William Morton von ihnen gestellt, in der Gegend nahe dem Rio Penasco. Morton gab nach einer Verfolgungsjagd und Schießerei, die sich über 5 Meilen hinzog, schließlich auf. Begleitet wurde er von Frank Baker, einem von Dolans Leuten, der an der Ermordung Tunstalls nicht beteiligt gewesen war. Morton gab unter der Bedingung auf, dass Baker und er lebend nach Lincoln zurückgebracht würden. Der Anführer der Regulatoren, Dick Brewer, gab widerwillig seine Zusage.
Einige andere Regulatoren versuchten daraufhin, mit den beiden Gefangenen zu entkommen, um sie zu lynchen, wurden aber zunächst von William McCloskey, einem Freund Mortons, zurückgehalten.
Am 9. März 1878, dem dritten Tag der Reise zurück nach Lincoln, wurden McCloskey, Morton und Baker am Blackwater Creek getötet. Die Regulatoren gaben später an, dass Morton selbst McCloskey ermordet habe und danach mit Baker fliehen wollte. Auf der Flucht seien sie dann erschossen worden.
Es erschien jedoch unglaubwürdig, dass Morton seinen einzigen Fürsprecher bei den Regulatoren umgebracht haben sollte. Außerdem war auffällig, dass sowohl Morton als auch Baker jeweils elf Einschusslöcher im Körper hatten, was genau der Anzahl der Regulatoren entsprach. Man vermutete daher, dass die beiden von den Regulatoren hingerichtet wurden und McCloskey getötet wurde, weil er gegen diese Hinrichtung gewesen war. Fortan wurden die Regulatoren ihrerseits vom Sheriff verfolgt.
Zufällig am selben Tag wurden auch die beiden anderen Mörder Tunstalls, Tom Hill und Jesse Evans, gefasst, als sie versuchten, einen Schafzüchter bei Tularosa, New Mexico, zu berauben. In der folgenden Schießerei wurde Tom Hill getötet und Jesse Evans schwer verwundet. Evans wurde nach Fort Stanton gebracht, um medizinisch versorgt zu werden. Dort wurde er aufgrund eines alten Haftbefehls verhaftet, demzufolge er Vieh aus einem Indianerreservat gestohlen haben sollte.
Am 1. April 1878 lauerten die Regulatoren Jim French, Frank McNab, John Middleton, Fred Waite, Henry Brown und Billy the Kid dem Sheriff William J. Brady und seinen Deputies auf der Hauptstraße von Lincoln auf. Brady wurde von mehr als einem Dutzend Kugeln getroffen, und sein Deputy George Hindman wurde zweimal tödlich getroffen. Als die Schießerei geendet hatte, gingen Billy the Kid und Jim French zum toten Sheriff Brady und wollten entweder den inzwischen erlassenen Haftbefehl gegen Alexander McSween oder die Waffe des Sheriffs an sich nehmen. Ein überlebender Deputy schoss daraufhin mit einem Gewehr auf die beiden und verletzte sie mit einer Kugel, die beide am Bein traf. Die Wunde von French war so groß, dass er nicht mehr davonreiten konnte und zeitweise bei Sam Corbet im Haus versteckt wurde.
Nach den Morden an Brady und Hindman flohen die Regulatoren nach Südwesten und kamen nach drei Tagen in Blazers Mill an, einem Handelsposten, der Fleisch an die Mescalero-Indianer verkaufte. Hier trafen sie auf den Rancher Buckshot Roberts, für den sie einen Haftbefehl hatten. Es kam zu einer heftigen Schießerei, bei der Roberts tödlich getroffen wurde. Er konnte jedoch zuvor den Anführer der Regulatoren, Dick Brewer, erschießen und John Middleton, Josiah "Doc" Scurlock und George Coe verwunden.
Nach Brewers Tod wurde Frank McNab zum Anführer der Regulatoren gewählt, allerdings schon am 29. April 1878 bei einem Hinterhalt von Dolans Männern neun Meilen südöstlich von Lincoln getötet. Danach wurde Doc Scurlock der neue Anführer.
Am Morgen nach McNabs Tod verschanzte sich der harte Kern der Regulatoren in Lincoln und begann ein Feuergefecht mit Dolans Männern sowie einigen inzwischen angeforderten US-Kavalleristen. Das einzige Opfer dieser Schießerei war Dutch Charley Kruling, einer von Dolans Männern, der von George Coe mit einem Gewehrschuss aus etwa 400 Metern getroffen wurde.
Weil sie bei dieser Schießerei auf Regierungstruppen geschossen hatten, bekamen die Regulatoren die Soldaten als neue Gegner. Am 15. Mai 1878 gelang es den Regulatoren, Manuel Segovia zu stellen, den Cowboy, der Frank McNab erschossen hatte. Segovia versuchte zu flüchten und wurde daraufhin von Billy the Kid und Josefita Chavez getötet. Zu dieser Zeit hatte der harte Kern der Regulatoren ein neues Mitglied bekommen, Tom O’Folliard, der zu Billy the Kids bestem Freund und ständigem Begleiter wurde.
Die Schlacht von Lincoln
Zum Höhepunkt der Konfrontation kam es, als die Regulatoren am 15. Juli 1878 an zwei verschiedenen Punkten von Lincoln umzingelt wurden. Ein Teil hielt sich in McSweens Haus auf, der andere Teil im Laden von Ellis. Ihnen gegenüber standen sämtliche Cowboys von Dolan, Murphy und Seven Rivers.
In Ellis' Laden befanden sich Doc Scurlock, Charlie Bowdre, John Middleton, Frank Coe und einige andere. Weitere mexikanische Regulatoren, geführt von Josefita Chavez, waren über die Stadt verstreut. In McSweens Haus verschanzten sich Alexander McSween und seine Frau Susan, Billy the Kid, Henry Brown, Jim French, Tom O'Folliard, Jose Chavez y Chavez, George Coe und ein Dutzend mexikanischer Cowboys.
Drei Tage lang dauerte der sporadische Schuss- und Wortwechsel, ohne dass es zum entscheidenden Kampf kam. Es waren in dieser Zeit lediglich zwei Opfer zu beklagen: Tom Cullens war in McSweens Haus von einem Querschläger tödlich getroffen worden, und Dolans Cowboy Charlie Crawford war von Doc Scurlocks Schwiegervater, Fernando Herrera, aus 500 m Entfernung erschossen worden.
Schließlich trafen Regierungstruppen unter dem Kommando von Oberst Nathan Dudley in der Stadt ein, um gegen die Regulatoren vorzugehen. Mit Kanonen wurden der Laden von Ellis und andere Verschanzungen unter Beschuss genommen. Doc Scurlock flüchtete daraufhin mit seinen Männern, ebenso wie Josefita Chavez mit seinen Cowboys.
Die Verteidiger von McSweens Haus blieben alleine zurück. Am Nachmittag des 19. Juli wurde das Haus angezündet. Susan McSween durfte das brennende Haus verlassen, während die Männer im Haus versuchten, das Feuer zu löschen. Schließlich entschieden sie sich, das Haus durch die Hintertür zu verlassen. Jim French war der erste, der das Haus verließ, gefolgt von Billy the Kid, Tom O’Folliard und Jose Chavez y Chavez. Dolans Männer sahen die Fliehenden und eröffneten das Feuer. Harvey Morris, McSweens Rechtsanwaltspartner, wurde dabei getötet. Als die Soldaten versuchten, die Flüchtenden festzunehmen, kam es zu einem heftigen Feuergefecht auf kurze Entfernung. Alexander McSween und der Seven Rivers Cowboy Bob Beckwith wurden dabei erschossen, ebenso Francisco Zamorra und Vicente Romero, mexikanische Regulatoren. Yginio Salazar wurde durch einen Schuss in den Rücken verletzt. Drei weitere mexikanische Regulatoren konnten entkommen und sich mit dem harten Kern der Regulatoren wieder vereinigen.
Nachbetrachtung
Der Lincoln-County-Rinderkrieg führte zu keinem Ergebnis, abgesehen davon, dass die Gegend auch in den nächsten Jahren nicht zur Ruhe kam. Nach den geflüchteten Regulatoren wurde weiterhin gesucht, insbesondere nach Billy the Kid. Die Regulatoren zerstreuten sich größtenteils. Doc Scurlock verließ die Gegend und wurde ein gesetzestreuer Bürger. Bei Billy the Kid blieben Charlie Bowdre, Tom O’Folliard, Dave Rudabaugh und einige andere, mit denen er fortan Viehdiebstähle und andere Verbrechen beging.
Schließlich wurden Tom O’Folliard, Charlie Bowdre sowie später auch Billy the Kid von Sheriff Pat Garrett und seinem Aufgebot aufgespürt und getötet. Alle drei wurden in Fort Sumner, New Mexico, begraben.
Literatur
- William Aloysius Keleher: Violence in Lincoln County, 1869-1881. Sunstone Press 2007, ISBN 0865346224 (eingeschränkte Online-Version (Google Books))
Einzelnachweise
- Eberhard Fritz: Emil Fritz aus Monrepos, Geschäftsmann in New Mexico. Die Vorgänge um die Westernlegende Billy the Kid und ihre württembergischen Hintergründe. In: Ludwigsburger Geschichtsblätter 65/2011. S. 151–165.