Konversion (Linguistik)
Der Ausdruck Konversion (auch: Nullableitung, Nullderivation) bezeichnet in der linguistischen Wortbildungslehre einen Wortbildungstyp, bei dem ein Wortstamm oder auch ein flektiertes Wort ohne Veränderung der Form in eine neue Wortart übertragen wird („Wortartwechsel ohne Wortbildungselemente“[1]).
Morphologische Konversion
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Wenn der Wortartwechsel des Stammes ohne weitere Änderung der Form erfolgt, sprechen manche Autoren auch von morphologischer Konversion oder paradigmatischer Umsetzung.[3] Es wird dabei ein striktes Einfachheitskriterium angenommen: morphologische Konversion ist auf einfache Basen beschränkt, d. h., als Basis kommen nur Stämme infrage, die kein Ableitungsaffix (wie z. B. -ung, -heit, -keit usw.) aufweisen.
Die Ableitungsrichtung (Input und Output der Konversion) wird in der obigen Tabelle offen gelassen (gekennzeichnet durch den Doppelpfeil). Oft wird jedoch auch explizit eine Ableitungsrichtung postuliert. So könnte der Verbstamm öl aus dem Substantiv Öl abgeleitet sein, weil die Bedeutung von Öl im Verb enthalten ist: ölen bedeutet 'mit Öl versehen'. Ähnlich für locker – lockern, denn das Verb bedeutet 'locker machen'. In manchen morphologischen Theorien wird für die Konversion ein Nullsuffix, also ein Suffix ohne Lautform, oder ein leerer Kopf in der morphologischen Struktur angenommen.[4][5]
Syntaktische Konversion
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Wenn ein flektiertes Wort die Wortart wechselt, ordnen dies manche Autoren nicht der Morphologie, sondern der Syntax zu.[6] Entsprechend wird dies dann auch als syntaktische Konversion bezeichnet.
Die Partizipien können im Deutschen allgemein als spezieller Fall der Adjektive behandelt werden, damit wäre das letzte Beispiel keine Konversion.
Da Substantive im Deutschen normalerweise nicht gesteigert werden können und das Genus nur durch zusätzliche Morpheme, häufig das Suffix {-in}, ändern können, ist die Behandlung der entsprechenden Konversionen als Wortbildungsprodukt problematisch, und obwohl sie eine weitgehend unabhängige Bedeutung annehmen können, bleibt die transparente unidirektionale Ableitung des Substantivs vom Adjektiv stets möglich. Analoges gilt für die Substantivierung der Verben ohne Endmorph {-ung}. Beide Varianten sind also anders als die meisten morphologischen Konversionen synchron produktiv. Eisenberg[7] identifiziert entsprechend bei der syntaktischen Konversion das Prinzip „Endstation Hauptwort“: Verben und Adjektive können als Nomen verwendet werden (z. B. fahren → das Fahren, gut → (der/die/das) Gute), Verben können über das Partizip als Adjektive und damit auch wieder als Substantive verwendet werden (erwählen → erwählt → (der/die/das) Erwählte); andere Verwendungsmöglichkeiten kommen hingegen nicht vor.
Weitergefasste Konversion – Implizite Ableitung
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Manche Autoren definieren Konversion weniger restriktiv als Wortartwechsel eines Stamms ohne Zuhilfenahme eines Affixes. Entsprechend werden zusätzlich zu den obigen Fällen auch Wortartwechsel mit einer Änderung des Stammvokals als Konversionen angesehen. Andere Autoren bezeichnen diese Fälle hingegen als implizite Ableitung[8].
Literatur
- Peter Eisenberg: Grundriss der deutschen Grammatik. 3. Auflage. Band 1: Das Wort. Metzler, Stuttgart / Weimar 2006, ISBN 3-476-02160-2, 7.3 Konversion, S. 294–300.
- Andreas C. Hofmann: Zu den Konzepten des Merkmallosen Wortartwechsels und der Rückbildung im Deutschen und Englischen im Vergleich. Stud.arb. München 2004, erscheint in: GOEDOC. Dokumentenserver der Georg-August-Universität Göttingen, langzeitarch. bei Open-Access LMU, https://epub.ub.uni-muenchen.de/13923/
- Wolfgang Fleischer: Die Klassifikation von Wortbildungsprozessen. In: Booij et al. (Hrsg.): Morphologie. Ein internationales Handbuch zur Flexion und Wortbildung (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft). 1. Halbband, Nr. 17. de Gruyter, Berlin / New York 2000, S. 886–897 (Sigel: HSK 17.1).
- Susan Olsen: Wortbildung im Deutschen. Kröner, Stuttgart 1986.
Weblinks
Einzelnachweise
- Naumann 1986:23, zitiert in Eisenberg 2006:295
- Flexionsmorphe sind in geschweifte Klammern eingefasst, Artikel sind zum besseren Verständnis in Klammern angegeben
- siehe z. B. Eisenberg 2006:297ff, ähnlich: Fleischer 2000:894
- Stefanie Eschenlohr: Vom Nomen zum Verb: Konversion, Präfigierung und Rückbildung im Deutschen. Georg Olms Verlag, Hildesheim 1999.
- Richard Wiese: A model of conversion. In: Ingrid Kaufmann & Barbara Stiebels (Hrsg.): More than Words: A Festschrift for Dieter Wunderlich. Akademie Verlag, Berlin 2002, S. 47–67.
- siehe z. B. Olsen 1986:112
- Eisenberg 2006:296f
- siehe z. B. Eisenberg 2006:295, Fleischer 2000:893