Kaufleuten
Das Kaufleuten (auch: Haus zur Kaufleuten) ist ein historisches Gesellschaftshaus in der Innenstadt von Zürich. Es dient als Geschäftssitz mehrerer Unternehmen sowie als Veranstaltungsort mit Club und Restaurant.
Das einstige Vereins-, Schul- und Gesellschaftshaus des Kaufmännischen Vereins Zürich (heute Kaufmännischer Verband Zürich) liegt im Zentrum der Zürcher City nahe der Bahnhofstrasse. Der nüchterne, aber markante Bruchsteinbau prägt den Baustil und das Erscheinungsbild des quadratisch angelegten Pelikanplatzes. Die einheitliche Bebauung des nördlichen Viertels dieses architektonisch bedeutenden, grossstädtisch wirkenden Platzes war 1913 vertraglich mit dem Besitzer des Nachbargrundstücks Thalegg vereinbart worden. Das Kaufleuten ist seit den 1990er Jahren durch sein trendiges Restaurant, seine Bars und seine Konzertsäle zu einem festen Bestandteil der Zürcher Unterhaltungskultur geworden.
Vereinsort
Der 1915 eröffnete Neubau zur Kaufleuten bot den Mitgliedern des Kaufmännischen Vereins eine «Heimat», wo sie ihre Fähigkeiten entwickeln und Gemeinschaft erleben konnten. Sie alle hatten eine Berufslehre als Kauffrau oder Kaufmann abgeschlossen. Wer hier ein und aus ging, zählte sich zu dieser Gemeinschaft und legte gleichzeitig ein gesellschaftspolitisches Bekenntnis zur Angestelltenorganisation der Kaufleute ab, die sich nicht als Teil der Gewerkschaftsbewegung verstand. Das Gebäude diente als Berufsschulhaus und es verkörperte das wachsende Selbstvertrauen der Standesorganisation der Kaufleute, die ihre Stellung in Wirtschaft und Gesellschaft zu verbessern suchten. Die individuelle Weiterbildung sowie die kollektiven Gesamtarbeitsverträge, welche der Kaufmännische Verein mit seinen Sozialpartnern abschloss, waren dazu die geeigneten Mittel.
Im Vereinshaus zur Kaufleuten fand reges Vereinsleben statt, das über die fachlichen Trainings- und Weiterbildungsgruppen für Buchhaltung, Stenografie oder Korrespondenz hinaus auch einen Turnverein,[1] eine Theatergruppe, einen Chor und ein Orchester umfasste. Ferner gab es u. a. eine Schachgruppe und eine Damenriege, einen rhetorischen Zirkel und eine Schützengesellschaft, einen Veteranen und Senioren Verein sowie einen Circolo Italiano, einen English Club und einen Cercle Français. Diese Gruppen sind zum Teil heute noch aktiv.
Community
Heute nutzen zahlreiche Unternehmen, Gruppierungen und Fan-Gemeinden das Haus zur Kaufleuten. Die Gemeinschaft der Vereinsangehörigen ist von verschiedenen Communities abgelöst worden, für die vor allem die Unterhaltungsangebote des Restaurants Kaufleuten AG zum Treffpunkt geworden sind. Tagsüber sind es die Geschäftsleute sowie Kundinnen und Kunden der zahlreichen Geschäfte im Umkreis, die sich hier treffen. Abends ist es das Ausgehpublikum der Unterhaltungskultur, das hier Konzerte und Veranstaltungen besucht. Nachts kommen die verschiedenen Ausrichtungen der Partyszene zum Zug. Insgesamt bietet das Kaufleuten ein umfangreiches und hochwertiges Kulturprogramm mit Vorträgen, Comedy, Lesungen und Konzerten internationaler Stars und Newcomers.
Baugeschichte
Das Grundstück am Pelikanplatz wurde 1913 vom Kaufmännischen Verein Zürich zum Preis von 600'000 CHF gekauft (Quadratmeterpreis von 357 CHF). Hier sollte die neue Handelsschule des Kaufmännischen Vereins erstellt werden, die einer wachsenden Zahl von 1'380 Schülerinnen und Schülern (1915) aus kaufmännischen Lehrverhältnissen Platz bieten musste. Darüber hinaus sollte das Vereinshaus den Raum und die Infrastruktur für kulturelle, politische und gesellschaftliche Anlässe seiner damals rund 3'000 Vereinsmitglieder zur Verfügung stellen.
Die Finanzierung des Kaufs und des Neubaus erfolgte privat und wurde vom Staat unterstützt. Mit Hypotheken einer Versicherung, der Stadt und des Kantons Zürich über 1,3 Mio. CHF wurde das Projekt ermöglicht. Die öffentliche Hand leistete zudem à fonds perdu Beiträge über 150'000 CHF. Eigenmittel des Vereins und Anteilscheine von Vereinsmitgliedern über 215'000 CHF deckten den Rest der Kosten ab. Der Neubau mit sechs Etagen wurde von dem Architekten Hermann Weideli geplant[2] und vom Bauunternehmer Heinrich Hatt-Haller für eine Bausumme von 1’065'000 CHF erstellt. Am 1. April 1915 wurde das Gebäude eingeweiht.
1918 erwarb der Kaufmännische Verein auch die angrenzende Liegenschaft Thalegg am Talacker 34–36 zum Preis von 440'000 CHF (Quadratmeterpreis von 370 CHF). Die Architekten Leuenberger und Flückiger planten den Ergänzungsbau, der 1927 bis 1928 für eine Baukostensumme von 1,7 Mio. CHF erstellt wurde. Die Liegenschaft umfasste nun ein Restaurant und zwei Säle mit Bühneneinrichtung, eine Turnhalle und zwei Kegelbahnen im Untergeschoss sowie 50 Unterrichtsräume und zahlreiche Büros der KV Handelsschule.
Nach dem Wegzug der Berufsschule in einen wesentlich grösseren Neubau am Escher Wyss Platz (1974) wurden die Räumlichkeiten im Haus zur Kaufleuten neu gestaltet und als Büros vermietet. Neben der Kaufleuten Restaurants AG und der Garage Kaufleuten AG war während Jahren die UBS die Hauptmieterin im Gebäude. Zwischen 2011 und 2013 wurde die gesamte Liegenschaft renoviert und modernisiert. Seither sind anstelle der UBS zahlreiche Unternehmen eingemietet.
Literatur
- Werner Catrina: Kämpfen, lernen, feiern – 150 Jahre Kaufmännischer Verband Zürich KVZ, 1861–2011. Zürich 2011.
- Kaufmännischer Verband Zürich (Hrsg.): Festschrift zum 125-Jahr-Jubiläum des Kaufmännischen Verbandes Zürich (KVZ) 1861–1986. Zürich 1986.
- Kaufmännischer Verein Zürich (Hrsg.): Denkschrift zur Feier des fünfzigjährigen Bestandes von Verein und Schule 1861–1911. Zürich 1912.
- Kaufmännischer Verein Zürich (Hrsg.): Werbeschrift für den Neubau des Schul- und Vereinshauses zur Kaufleuten. Zürich 1913.
- Kaufmännischer Verein Zürich (Hrsg.): Das Schul- und Vereinshaus „zur Kaufleuten“. Sonderabdruck aus der Schweizerischen Bauzeitung, Band LXII., Zürich 1916.
- Kaufmännischer Verein Zürich (Hrsg.): Festschrift zur Erweiterung des Schul- und Vereinshauses zur Kaufleuten in Zürich 1929. Zürich 1929.
- Kaufmännischer Verein Zürich (Hrsg.): 100 Jahre. Zürich 1961.
Weblinks
Einzelnachweise
- Turn- und Sportverein Kaufleute Zürich
- Regula Michel: Hermann Weideli. In: Historisches Lexikon der Schweiz.