Josephin Böttger
Josephin Böttger (* 1965 in Hamburg) ist eine deutsche Videokünstlerin, die in ihrem Werk verschiedene Elemente einsetzt: Film, Installation, Performance, Fotografie und Zeichnung.
Leben
Zu Beginn ihrer Laufbahn, ab Anfang der 1990er Jahre, produziert Josephin Böttger experimentelle Kurzfilme im Super 8 und 16 mm Format. In den 90er Jahren beginnt sie ihr Studium der visuellen Kommunikation an der HfBK Hamburg. Seit ihrem Diplom in 2002 konzipiert sie ihre Arbeiten meistens für 2 bis 6 Kanal Videoinstallationen, die auf internationalen Ausstellungen und als Projektionen im öffentlichen Raum zu sehen sind. Ihre Arbeiten zeigte die Künstlerin unter anderem in Aarhus, Basel, Beijing, Berlin, Bordeaux, Brüssel, Carlow, Casablanca, Hamburg, Istanbul, Kassel, Linz, London, New York, Nimes, Marseille, Minsk, Miami, Oslo, Rotterdam, Warschau, Vancouver und Venedig.
Werk
In ihren Mehrkanal-Arbeiten arrangiert und überblendet die Künstlerin Zeichnung und Realbild, dokumentarische Aufnahmen und gefilmte Performances. Sie bedient sich eines eigenen visuellen Repertoires, in dessen Zentrum meistens die Motive Architektur und Zeit stehen. Ihre Arbeiten behandeln die Metamorphose des städtischen Raums und thematisieren die Chronologie und Ästhetik des ständigen Neu- und Umbaus, vor deren Hintergrund sie eine Kaleidoskopierung verschiedener Seinszustände vornimmt. Themen der Wissenschaft werden in ein alltägliches Ambiente versetzt, wie zum Beispiel die Untersuchung somnambuler Gehirntätigkeit in die Ruinenkulisse eines Abrisshauses oder Versuche, die Gesetze der Schwerkraft zu brechen vor den Hintergrund einer Imbissstube in urbaner Industrielandschaft.
In ihre Aufnahmen bindet die Videokünstlerin häufig alltägliche Gegenstände ein. Diese Readymades (Objet trouvé) werden durch digitale Prozesse verfremdet, in Bewegung gebracht und in neue Kontexte gesetzt. Mit Zeitraffer und Serialität überhöht Sie dokumentarische Szenen des öffentlichen Lebens und rückt sie in ein neues Licht. In einigen ihrer Videoarbeiten erzielt sie durch Sequenzierung und Parallelisierung eine lineare Anordnung, in der die Iteration sich bis zur Ornamentik steigern kann, um dann erneut in völlig neue Objekte zu zerfallen. Die Bilderfolgen sind im Wesentlichen rhythmisch angelegt – ähnlich wie bei einer Partitur. In dem Projekt DEVIATION ONE[1] beruht die Komposition des Videos auf dieser Vorgehensweise.
In vielen ihrer Videoinstallationen und Filmen wirkt Josephin Böttger selbst als eine oder sogar mehrere ProtagonistInnen mit. Einige Projekte entstanden aber auch in Kooperation mit Performance-KünstlerInnen. Wie zum Beispiel in dem Projekt CHAINS OF MANIA (2020)[2] , in dem Carolin Jüngst als lebendige Dimension in den Projektionen agierte. Die Kamera bei den Video-Produktionen macht sie meistens selbst, ebenso wie das Licht und das Setting. Die Tonebene entsteht oft in Kooperation mit anderen Künstlern, wie zum Beispiel mit Felix Kubin, dem Nelly Boyd Ensemble oder Kassof. Der Projektentwicklung geht häufig eine Raum- und Klang-„Vermessung“ voraus. In dem Projekt CHAINS OF MANIA untersuchte Felix Kubin das Echo und den Nachhall in der ehemaligen Industriehalle des Kraftwerks Bille[3], um eine den Raum durchkreuzende Klangkomposition zu entwickeln. Die Videosequenzen wurden für verschiedene dreidimensionale Projektionsflächen innerhalb der gigantischen Kesselhalle passgenau konzipiert. Mit einem fahrbaren Projektor ließ Josephin Böttger Bildelemente über Wände und Körper gleiten. Architektur, Bild, Klang und Performance verschmolzen zu einem großen mechanistischen Environment.
Im September 2021 wurde ihre Video- und Soundinstallation DEVIATION ONE[1] auf der Fassade der Galerie der Gegenwart (Hamburger Kunsthalle) gezeigt. Auch hierfür war eine genaue Vermessung der Fassade Grundlage der Bildkomposition und Feldaufnahmen der Geräusche im direkten Umfeld der Gebäude hatten Einfluss auf die Klangkomposition.
Der öffentliche Raum ist seit ihrer ersten mobilen Projektion 2007 in Manhattan[4] einer der favorisierten Aktionsfelder der Künstlerin. Die spezifischen Charakteristiken der urbanen Umgebungen werden Bestandteil der mobilen Projektionen und Video-Performances. Gebäudefassaden werden zu dynamischen Projektionsflächen und verändern temporär ihre visuelle Struktur. Die Bewegung der Bilder im Raum erzeugt dabei perspektivische Verzerrungen und durch die Interaktion der Projektionen mit den urbanen Oberflächen und Objekten findet eine Auflösung der Kadrierung statt.
Einzelausstellungen / Projektionen im öffentlichen Raum (Auswahl)
- 2021: DEVIATION ONE, Galerie der Gegenwart, Hamburger Kunsthalle[1][5]
- 2020: CHAINS OF MANIA, Kesselhalle/Kraftwerk Bille, Hamburg[2]
- 2020: PASSAGE, Videoinstallation für 3 Hallen, klubkatarakt/Kampnagel, Hamburg
- 2019: TOPIA II, Video- & Sound-Environment, Hamburger Architektursommer, Wandlerwerk/Kraftwerk Bille[6]
- 2019: TOPIA II, PART TWO, Projektion im öffentlichen Raum, Hamburger Architektursommer, Buenos Aires Kai, Hamburg[7]
- 2017: TOUR DE TOPIA, mobile Projektion im öffentlichen Raum, ProKK ́s project "UP!", im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas 2017, Aarhus/Dänemark[8]
- 2016: TOPIA, 3 Kanal Videoinstallation, Halle 4 / Oberhafenquartier, Hamburg[9]
- 2013: DYNAMO LINES, 3 Kanal Videoinstallation und Live Sound-Performance mit Sergej Tolksdorf, grunt gallery, Vancouver/BC, Kanada[10]
- 2013: TRAPEZ, Projektion im öffentlichen Raum, Surrey Urban Screen, City of Surrey, Kanada/BC[11]
- 2011: RUBATO, 4 Kanal Video- und Soundinstallation mit dem Ensemble Nelly Boyd, U.FO Kunstraum, Hamburg[12]
- 2007: BLACKROCKETBEAR, mobile Projektion im öffentlichen Raum, Scope Art Fair, Cinema-Scope, Lincoln Center/New York[5]
Gruppenausstellungen / Projektionen im öffentlichen Raum (Auswahl)
- 2021: A SWIMMING SYMPHONY, eine audiovisuelle Kooperation mit „The Heffels“, CoronaVision II, Westwerk, Hamburg[13]
- 2019: 10 INCH, re-transfer, Ausstellung im Rahmen des BBK Projektes „Zeitgleich-Zeitzeichen“, bm Atelier, Hamburg
- 2018: JUXTALEKTROVISION, audiovisuelle Performance, Erstaufführung, Felix Kubin (electronic/effects); Hubert Zemler (percussion/effects), Josephin Böttger (video), Future Soundscapes Festival im silent green, Berlin[14]
- 2017: VIDEO CLUB 17, Videoinstallation, Performance, Konzert, Talk, kuratiert von Josephin Böttger und Dieter Söngen, Westwerk, Hamburg[15]
- 2015: HINTER DER FASSADE, Projektion auf die Fassade der HCU, „Von Zwei bis Zwei in der Shanghai“, Hafencity Universität und BDA, Hamburger Architektursommer[16]
- 2014: ZEICHEN 124, Videoloop in der Ausstellung CALL "Stein In My Mind", Förderpreis M1 Arthur Boskamp Stiftung, Hohenlockstedt
- 2011 T. KOLLER, PART TWO, 3 Kanal Videoinstallation, Digital Art&Sound Weekend / transmediale präsentiert von Walden Kunstausstellungen, Berlin
- 2007: HIBERNATION, Video und Installation[17]: GenArt Best of the Best, Cinema-Scope, Perpetual Art Machine at Scope Miami, Lentos Kunstmuseum Linz, Museum of Modern Art, Linz/Österreich
Kurzfilme / Vorführungen (Auswahl)
- TOPIASKOP
- 2022: Fisura, International Festival of Experimental Film & Video, Mexiko-Stadt
- 2021: Carlow Arts Festival, Irland[18]
- 2021 Short Movie Club Film Festival “NEFILTRAVANAE KINO”, Minsk[19]
- Festival International du Film d’Architecture Bègles/Bordeaux (best short film)
- AFFR Architecture Film Festival Rotterdam
- 2020: Venice Architecture Short Film Festival
- 2019: Beijing International Short Film Festival, 35. KurzFilm Festival Hamburg
- TRAPEZ II
- TRUST AND TRY
- 2011: Directors Lounge, Berlin
- 2006: Internationales Kurzfilmfestival Hamburg,
- 2007: Video Lounge/Art Basel Miami und Arsenal Experimental, Hamburg & Berlin
- HIBERNATION, HIBERTALK
- 2010: Vidéothèque Nomade, 68 Septante, Brussels
- 2008: TV-Channel „Souvenirs from Earth“
- 2007: 3rd Monkey Town Semiennial, Brooklyn/New York
- 2006: PerpetualArtMachine at Scope Art Fair, London
Hochschultätigkeit
- 2019 nahm Josephin Böttger mit einer Gastkritik an der Bachelorthesis „JUXTA.X.POSITION“ der Studenten von Prof. Klaus Sill teil.
- 2015–2016 leitete sie zwei Q-Studies-Seminare an der HafenCity Universität Hamburg (HCU). In diesem Rahmen erstellte sie in Kooperation mit ihren Studierenden eine Großprojektion auf die Fassade der HCU.[16]
- 2015: Kooperationsprojekt/Studentischer Wettbewerb, HafenCity Universität Hamburg, „zwischenRAUM“, mit Prof. Klaus Sill, Marieke Behne, Hannah Jonas.
Kuratorische Arbeit
- 2017: VIDEO CLUB 17, Videoinstallation, Performance, Konzert, Talk, kuratiert von Josephin Böttger und Dieter Söngen, Westwerk, Hamburg[15]
Auszeichnungen / Stipendien
- Stipendienprogramm 2021, Stiftung Kulturwerk der Bild-Kunst
- TOPIASKOP, bester Kurzfilm FIFAAC 2021
- Kunstbeutel #3, Carnivore, Mischwesen und andere Nomaden, Behörde für Kultur und Medien Hamburg 2016
- Förderpreis M1 Arthur Boskamp Stiftung 2014
- Emerging Artist Grant / Cinema-Scope-Scope Art Fair, Lincoln Center, New York 2007
Einzelnachweise
- DEVIATION ONE. In: Josephin Böttger. 29. September 2021, abgerufen am 12. Januar 2022 (deutsch).
- CHAINS OF MANIA. In: Josephin Böttger. 15. November 2020, abgerufen am 12. Januar 2022 (deutsch).
- Josephin Böttger: Chains of Mania - Kraftwerk Bille. Abgerufen am 12. Januar 2022.
- BlackRocketBear. In: Josephin Böttger. 16. Dezember 2021, abgerufen am 12. Januar 2022 (deutsch).
- Alexander Diehl: Künstlerin über Installation im Freien: „Menschen in Publikum verwandeln“. In: Die Tageszeitung: taz. 17. September 2021, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 12. Januar 2022]).
- TOPIA II. In: Josephin Böttger. 30. Juli 2019, abgerufen am 12. Januar 2022 (deutsch).
- TOPIA II mobile projection. In: Josephin Böttger. 27. Dezember 2019, abgerufen am 12. Januar 2022 (deutsch).
- Tour de Topia. In: Josephin Böttger. 25. September 2017, abgerufen am 12. Januar 2022 (deutsch).
- TOPIA. In: Josephin Böttger. 1. Dezember 2016, abgerufen am 12. Januar 2022 (deutsch).
- Dynamo Lines | grunt gallery. Abgerufen am 12. Januar 2022.
- Josephin Böttger: Trapez | City of Surrey. 10. Februar 2020, abgerufen am 12. Januar 2022 (englisch).
- MATT: Klangraum-Vermessung. In: Die Tageszeitung: taz. 15. Dezember 2011, ISSN 0931-9085, S. 26 (taz.de [abgerufen am 12. Januar 2022]).
- CoronaVision II. Abgerufen am 12. Januar 2022 (deutsch).
- Josephin Böttger: Juxtalektrovision. 18. Dezember 2018, abgerufen am 12. Januar 2022.
- VIDEO Club 17. Abgerufen am 12. Januar 2022.
- Hinter der Fassade. In: Josephin Böttger. 7. Oktober 2017, abgerufen am 12. Januar 2022 (deutsch).
- Hibernation. In: Josephin Böttger. 22. April 2018, abgerufen am 12. Januar 2022 (deutsch).
- TOPIASKOP. In: Carlow Arts Festival. 30. April 2021, abgerufen am 12. Januar 2022 (britisches Englisch).
- 7th edition | 2021 | Programmes - Short Movie Club. In: Short Movie Club. (shortmovie.club [abgerufen am 11. Februar 2022]).
- New Forms '13 Arts Preview - Dynamo Lines at grunt gallery. In: CiTR. 12. September 2013, abgerufen am 12. Januar 2022 (amerikanisches Englisch).
- Interview with Josephin Böttger. Abgerufen am 12. Januar 2022 (englisch).