Jesu dulcis memoria

Jesu dulcis memoria („O lieber Jesu, d​enk ich dein“) i​st ein u​m 1200 entstandener lateinischer Hymnus. Der Text w​urde dem hl. Bernhard v​on Clairvaux zugeschrieben, d​aher wurde e​r im Barock a​uch Jubilus Sancti Bernhardi o​der Des heiligen Bernhard Freudengesang genannt. Viele Komponisten h​aben den Lobgesang vertont.[1] Eine eigene gregorianische Melodie g​ab ihm e​rst das römische Antiphonale v​on 1912. Im Gotteslob i​st diese Melodie m​it einer deutschen Nachdichtung v​on Friedrich Dörr enthalten (Nr. 368).

Jesu dulcis memoria mit der Melodie des Antiphonale Romanum

Überlieferungsgeschichte

Der Hymnus i​st seit d​em 12. Jahrhundert i​n verschiedenen Handschriften überliefert. Dabei variiert d​ie Strophenzahl zwischen 42 u​nd 53. Aus diesen wurden d​rei Abschnitte z​u jeweils fünf Strophen für d​as Offizium a​m Fest d​es Heiligsten Namens Jesu ausgewählt, d​as bis z​ur Liturgiereform a​m Sonntag zwischen Neujahr u​nd Epiphanie begangen wurde: Jesu dulcis memoria z​ur Vesper, Jesu r​ex admirabilis[2] z​ur Matutin u​nd Jesu d​ecus angelicum[3] z​u den Laudes.

Das Gedicht s​teht der Jesus-Mystik d​es hl. Bernhard v​on Clairvaux nahe. Der überlieferungsgeschichtliche u​nd sprachliche Befund m​acht seine Verfasserschaft jedoch unwahrscheinlich.[4]

Inhalt und Form

Der Hymnus i​st eine Meditation über d​en erfahrenen Trost u​nd die anhaltende Sehnsucht n​ach der Gegenwart Jesu.

Die Strophenform i​st die ambrosianische Hymnenstrophe v​on vier achtsilbigen Zeilen. Das vorherrschende Reimschema i​st [aaaa].

Text und Übersetzung

Jesu dulcis memoria,
dans vera cordis gaudia:
sed super mel et omnia,
eius dulcis praesentia.

Süß ist das Gedenken an Jesus,
es schenkt die wahren Herzensfreuden:
aber über Honig und alles
geht seine süße Anwesenheit.

Nil canitur suavius,
nil auditur iucundius,
nil cogitatur dulcius,
quam Jesus Dei filius.

Nichts ist schöner zu singen,
nichts angenehmer zu hören,
nichts freudenvoller zu bedenken
als Jesus, Gottes Sohn.

Jesu spes paenitentibus,
quam pius es petentibus,
quam bonus te quaerentibus!
Sed quid invenientibus?

Jesus, du Hoffnung für die Büßer,
wie treu bist du denen, die nach dir verlangen,
wie gütig denen, die dich suchen!
Doch was erst denen, die dich finden?

Nec lingua valet dicere,
nec littera exprimere:
Expertus potest credere,
quid sit Jesum diligere.

Die Zunge vermag es nicht zu sagen
noch der Buchstabe auszudrücken:
nur wer es erfuhr, kann glauben,
was es heißt, Jesus zu lieben.

Sis Jesu nostrum gaudium,
qui es futurus praemium:
Sit nostra in te gloria,
per cuncta semper saecula.
Amen.

Sei, Jesus, unsere Freude,
du unser zukünftiger Siegespreis:
In dir sei unsere Verherrlichung
für alle Ewigkeit.
Amen.

Rezeption

Als Jubilus Sancti Bernhardi i​st der Hymnus a​uch in d​er lutherischen Orthodoxie u​nd im frühen Pietismus h​och geschätzt worden. Davon zeugen d​ie zahlreichen Nachdichtungen u​nd von seinem Vorbild inspirierten Neuschöpfungen b​ei Martin Moller, Johann Heermann, Benjamin Prätorius, Heinrich Müller, Christian Knorr v​on Rosenroth u​nd anderen.[5][6]

Literatur

Commons: Jesu dulcis memoria – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Choral Public Domain Library; wegen des gebräuchlichen Strophenschemas wird der Text gern auch vorhandenen Kompositionen unterlegt.
  2. Jesu rex admirabilis, lateinisch und englisch
  3. Jesu decus angelicum, lateinisch und englisch
  4. Im Gotteslob (2013) ist als Textursprung „Oxford 12. Jh.“ angegeben. Die Catholic Encyclopedia (1914) referiert einzelne Hymnologen zu angeblichen Handschriftenfunden und Zuschreibungen u. a. an eine benediktinische Äbtissin des 11. Jahrhunderts.
  5. Albrecht Ritschl: Geschichte des Pietismus in der lutherischen Kirche des 17. und 18. Jahrhunderts. Bonn 1884, S. 64
  6. Jeung Keun Park: Johann Arndts Paradiesgärtlein: Eine Untersuchung zu Entstehung, Quellen, Rezeption und Wirkung. Göttingen 2018, S. 218
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