Ius honorarium
Das ius honorarium (aus lateinisch honos ‚das Amt‘) ist das Amtsrecht, das im antiken Rom durch Inhaber von Ehrenämtern, insbesondere jedoch vom Prätor ausgeübt wurde. Geschaffen wurde die magistratische Jurisdiktion vornehmlich im Rahmen der prätorischen Kompetenz zur Rechtsfortbildung, weshalb in diesem Zusammenhang auch vom ius praetorium gesprochen wird.
Begriffsgeschichte
Das ius honorarium diente dazu ius civile auszulegen und durch Ergänzungen, gegebenenfalls Korrekturen, fortzubilden (adiuvandi, supplendi, coriggendi iuris civilis gratia).[1] So entstand eine neue Rechtsmasse, die des Honorarrechts. Unterschieden wurden ziviles und honorarrechtliches Eigentum, Erbrecht und andere Rechtsgebiete.[2] Die Schnittmenge aus ius honorarium und ius civile war insgesamt allerdings klein, denn weite Teile des ius civile blieben von Interpretationen unberührt. Dahinter standen keine politischen Auseinandersetzungen, denn dieselben Gremien, die ius civile verwirklichten, schufen andererseits ius honorarium.
Der häufig kolportierte grundlegende Antagonismus der beiden Rechtsstrukturen fußt auf Annahmen, die den Auseinandersetzungen mit dem neueren römischen Recht gelten, während das alte römische Recht keine solche grundlegende Unterscheidung trifft.[3] Da das römische Recht keine Systematik entwickelt hatte, kann insoweit nicht von einer „Rechtsordnung“ oder von „Rechtsgebieten“ gesprochen werden. In der rechtsgeschichtlichen Forschung hat sich daher die aus der Geologie entlehnte Begriffsbezeichnung „Rechtsschicht“ etabliert.[4]
Die Berechtigung zur Ausübung des ius honorarium in den städtischen Magistraturen war an grundlegende Voraussetzungen geknüpft. Der Stadtratsanwärter hatte den Nachweis über seine „freie Geburt“ zu führen und er musste Bürger der Stadt sein. Außerdem musste er das 25. Lebensjahr erfüllt haben, einer ehrenhaften Tätigkeit nachgehen und über ein Mindestvermögen verfügen. Mit Selbstverständlichkeit wurde die Einhaltung der Stationen der Ämterlaufbahn erwartet und ebenso die Zahlung eines Amtsantrittsgeldes (summa honoraria).[5][6]
Wichtigstes Instrument des Prätors war das Edikt, in welchem er ankündigte, auf welche Weise er seine Aufgaben in der Rechtspflege für das kommende Jahr (Amtszeitbegrenzung) auszuüben gedachte. Trotz grundsätzlich bestehender Bindungswirkung an das ius civile, konnte er davon abweichen, wenn wichtige gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen anstanden und die veralteten Regeln unzureichend für die prozessuale Durchsetzung waren.[7] Die konkrete Rechtsfortbildung durch den Prätor wurde im Edikt dahingehend mit verkündet, dass er Klagformeln zur Verfügung stellte, denen das Prozessprogramm für Einzelfälle entnommen werden konnte.
Durch die Rezeption des römischen Rechts im kontinentaleuropäischen Raum blieb das ius honorarium noch lange nach dem Untergang des römischen Reiches bedeutsam,[8][9] gleichwohl es im römischen Reich durch die diokletianische Gesetzgebung während der Spätantike praktisch zunächst überwunden worden war.[10] Nach modernem Rechtsverständnis gleicht das ius honorarium dem Prinzip der richterlichen Rechtsfortbildung.[11]
Zitat
“Ius praetorium est, quod praetores introduxerunt adiuvandi vel supplendi vel corrigendi iuris civilis gratia propter utilitatem publicam. Quod et honorarium dicitur ad honorem praetorum sic nominatum”
„Prätorisches Recht ist dasjenige, das die Prätoren eingeführt haben, um das ius civile zu unterstützen, zu ergänzen oder zu korrigieren aus Gründen des öffentlichen Wohls. Es wird auch ius honorarium genannt nach dem Amt der Prätoren.“
Literatur
- Jan Dirk Harke: Römisches Recht. Von der klassischen Zeit bis zu den modernen Kodifikationen. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-57405-4 (Grundrisse des Rechts), § 1 Rnr. 8 (S. 9).
- Herbert Hausmaninger, Walter Selb: Römisches Privatrecht, Böhlau, Wien 1981 (9. Aufl. 2001) (Böhlau-Studien-Bücher) ISBN 3-205-07171-9, S. 20, 30, 48.
- Heinrich Honsell: Römisches Recht. 5. Auflage, Springer, Zürich 2001, ISBN 3-540-42455-5, S. 20.
- Max Kaser: Römische Rechtsquellen und angewandte Juristenmethode. In: Forschungen zum Römischen Recht Band 36. Verlag Böhlau, Wien, Köln, Graz, 1986. ISBN 3-205-05001-0.
Einzelnachweise
- Jan Dirk Harke: Römisches Recht. Von der klassischen Zeit bis zu den modernen Kodifikationen. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-57405-4 (Grundrisse des Rechts), § 1 Rnr. 8 (S. 9).
- Max Kaser: Römische Rechtsquellen und angewandte Juristenmethode. In: Forschungen zum Römischen Recht Band 36. Verlag Böhlau, Wien, Köln, Graz, 1986. ISBN 3-205-05001-0. S. 84 ff; Max Kaser, in SZ 101 (1984) 74 ff.
- Ludwig Mitteis in SZ 101, 89 ff. (auch 83 ff.); Max Kaser: Römische Rechtsquellen und angewandte Juristenmethode. in: Forschungen zum Römischen Recht. Band 36. Verlag Böhlau, Wien, Köln, Graz, 1986. ISBN 3-205-05001-0. S. 93–96 (95).
- Max Kaser: Römische Rechtsquellen und angewandte Juristenmethode. in: Forschungen zum Römischen Recht. Band 36. Verlag Böhlau, Wien, Köln, Graz, 1986. ISBN 3-205-05001-0. S. 86–90.
- Karl Christ: Geschichte der römischen Kaiserzeit. Von Augustus bis zu Konstantin. 4. Auflage, 2002. Verlag C.H. Beck, München. ISBN 3-406-36316-4. S. 387 f.
- The Ancient Economy. 1973. Dt. Die antike Wirtschaft 3., durchges. und erw. Aufl. dtv, München 1993, ISBN 3-423-04277-X. S. 179 f. Vollansicht
- Herbert Hausmaninger, Walter Selb: Römisches Privatrecht, Böhlau, Wien 1981 (9. Aufl. 2001) (Böhlau-Studien-Bücher) ISBN 3-205-07171-9, S. 30.
- Heinrich Honsell: Römisches Recht, Springer, Berlin, 2010, ISBN 978-3-642-05306-1
- Wolfgang Kunkel, Martin Josef Schermaier: Römische Rechtsgeschichte, UTB, Stuttgart, 2008, Seite 117, ISBN 978-3-8252-2225-3
- Herbert Hausmaninger, Walter Selb: Römisches Privatrecht, Böhlau, Wien 1981 (9. Aufl. 2001) (Böhlau-Studien-Bücher) ISBN 3-205-07171-9, S. 48.
- Heinrich Honsell: Römisches Recht. 5. Auflage, Springer, Zürich 2001, ISBN 3-540-42455-5, S. 20.
- Uwe Wesel: Geschichte des Rechts. Von den Frühformen bis zur Gegenwart. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage. Beck, München 2006, ISBN 3-406-47543-4. S. 201 f.