Iulius Alexander (Glashersteller)
Iulius Alexander (Julius Alexander) war ein antiker Glasmacher („opifex artis vitriae“) in römischer Zeit, der ursprünglich aus Karthago stammte und später nach Gallien auswanderte.
Grabinschrift und Person
Er ist einzig bekannt durch seinen um 200 n. Chr. zu datierenden Grabstein. Der Grabstein wurde 1757 in einer römischen Nekropole im Stadtviertel Saint-Irénée von Lyon gefunden.[1] Danach starb er im Alter von 75 Jahren und hatte vier Kinder und sieben Enkelkinder.
Die Inschrift auf dem Grabstein lautet [2] (sowie in relativ wortgetreuer deutscher Übersetzung):
„D(is) M(anibus) / et memoriae aetern(a)e Iul/i Alexsa(n)dri(!) natione Afri civi / Carthagine(n)si (h)omini optimo opif/ici artis vitriae qui vix(it) an(n)os LXXV / mense<s=N> V dies XXIII s<i=E>ne ulla / l(a)esione animi cum co(n)iuge / sua Virginia cum qua vix/{s}it annis XXXXVIII ex qua / creavit filio(s) III et <f=E>iliam / ex quibus his omnibus ne/potes vidit e<t=D> eos supe(r)st/ites sibi reliquit hunc / tumulum ponendum cu/raverunt Numonia Be/llia ux{s}or et Iulius Al/exsius filius et Iulius F/elix filius et Iulius Gal/lonius filius et Num[o]/nia Belliosa filia it[em] / nepotes eius Iulius Au[ct]/us(?) Iulius Felix Iuliu[s Alex]/sander(?) Iulius Gal(l)on[us(?) Iuli]/us Leontius Iulius Gall[3] / Iulius Eonius p(arenti?) p(iissimo?) c<u=Y>r(averunt) [et sub asc(ia)] / dedicav[erunt]“
„Den Totengeistern und dem ewigen Andenken an Iulius Alexander, afrikanischer Herkunft, Bürger von Karthago, den vortrefflichen Mann, Handwerker in der Glaskunst, der 75 Jahre, 5 Monate und 23 Tage lebte. Ohne jede Kränkung des Gemüts[3] [war er] mit seiner Ehefrau von ihrer Jungfräulichkeit an[4] [verheiratet], mit der er 48 Jahre lebte und mit der er drei Söhne sowie eine Tochter zeugte, von denen allen er Enkel sah. Und er ließ sie als ihn Überlebende zurück. Für die Errichtung dieses Grabhügels haben gesorgt die Ehefrau Nomonia Bellia, der Sohn Iulius Alexsius, der Sohn Iulius Felix, der Sohn Iulius Gallonius und die Tochter Nomonia Belliosa, ebenso seine Enkel Iulius Auctus (?), Iulius Felix, Iulius Alexsander (?), Iulius Gallonus (?), Iulius Leontius, Iulius Gall[…] und Iulius Eonius. Für ihren liebevollen Vater[5] haben sie sich gekümmert und (die Grabanlage) unter der ascia[6] geweiht.“
Die Darstellung der Axt findet sich auch am oberen Rand des Grabsteins.
An den Namensformen ist auffällig, dass die Tochter des Verstorbenen (Numonia Belliosa) nach ihrer Mutter (Numonia Bellia) benannt war, während alle Söhne und Enkel wie üblich den Gentilnamen des Vaters (Iulius) trugen. Als Erklärung dafür wäre denkbar, dass die Tochter als erstes Kind und zu einem Zeitpunkt geboren wurde, zu dem eine Ehe zwischen ihren Eltern rechtlich noch nicht möglich war, vermutlich weil der Vater noch Sklave war. Die restlichen Kinder wären dann nach dessen Freilassung und der Eheschließung der Eltern geboren worden und hätten daher den Familiennamen des Vaters erhalten.[7] Die Ehefrau des Iulius Alexander trägt ein keltisches Cognomen, dürfte also Gallierin oder Freigelassene eines Galliers gewesen sein. Das wiederum legt nahe, dass die Ehepartner sich erst in Lyon kennenlernten, wohin Alexander angesichts ihres 48-jährigen Zusammenlebens dann schon recht früh, wohl mit 20 bis 25 Jahren, gekommen sein muss. Geht man davon aus, dass er tatsächlich anfänglich noch ein Sklave war, dürfte seine Freilassung nur wenige Jahre später erfolgt sein, da er mit Ausnahme seiner Tochter alle ihn überlebenden Kinder als freier Mann in einer rechtsgültigen Ehe zeugte.[8] Auffällig ist außerdem, dass Alexander in seiner Grabinschrift als „Bürger von Karthago“ („civi Carthagine(n)si“) bezeichnet wird, was über die reine Herkunftsangabe hinaus eine gewisse (ursprüngliche) politische Zugehörigkeit zur Stadtgemeinde von Karthago nahelegt.[9]
Moderne Rezeption
Der amerikanische Künstler und Glasbläser Josiah McElheny (* 1966) schuf 1994 in Erinnerung an Iulius Alexander und sein Grab eine Installation mit dem Namen "The Only Known Grave of a Glassblower". Sie befindet sich heute im Seattle Art Museum.[10]
Literatur
- Jesús-Víctor Rodríguez Adrados: El vidriero Julio Alejandro (CIL XIII 2000). In: Jesús de la Villa, Vicente Picón García, Luis M. Macía Aparicio, Esperanza Torrego (Hrsg.): Quid ultra faciam? Trabajos de griego, latín e indoeuropeo en conmemoración de los 25 años de la Universidad Autónoma de Madrid. Ed. de la Universidad Autonóma, Madrid 1994, ISBN 84-7477-502-7, S. 289–296.
- Lothar Wierschowski: Fremde in Gallien – „Gallier“ in der Fremde. Die epigraphisch bezeugte Mobilität in, von und nach Gallien vom 1. bis 3. Jh. n. Chr. (Texte – Übersetzungen – Kommentare) (= Historia Einzelschriften. Band 159). Franz Steiner, Stuttgart 2001, ISBN 3-515-07970-X, S. 339–341.
- Axel von Saldern: Antikes Glas (= Handbuch der Archäologie). C. H. Beck, München 2004, ISBN 3-406-51994-6, S. 234, 607.
- Fr. Bérard: Julius Alexander, originaire de Carthage, artisan verrier à Lyon. In: Hugues Savay-Guerraz (Hrsg.): Rencontres en Gaule romaine. Infolio, Gollion 2005, ISBN 2-88474-118-6, S. 120–121.
- Anne-Catherine Le Mer, Claire Chomer: Carte archéologique de la Gaule 69-2: Lyon. Paris 2007, ISBN 2-87754-099-5, S. 681 Nr. 610*, 15.
Anmerkungen
- Heute im Musée gallo-romain in Lyon.
- Wiedergegeben nach CIL mit wissenschaftlichen Ergänzungen nach dem XIII, 2000Leidener Klammersystem
- Die lateinische Formel „sine ulla laesione animi“ ist typisch für Inschriften aus dem Raum um Lugdunum/Lyon: Ulrike Ehmig: Szenen nicht nur einer Ehe: sine ulla querella und verwandte Formulierungen in lateinischen Grabinschriften. In: Tyche. Band 27, 2012, S. 1–45, hier S. 9 (online).
- Die Übersetzung „von ihrer Jungfräulichkeit an“ ist übernommen von Lothar Wierschowski: Fremde in Gallien – „Gallier“ in der Fremde. Die epigraphisch bezeugte Mobilität in, von und nach Gallien vom 1. bis 3. Jh. n. Chr. (Texte – Übersetzungen – Kommentare). Franz Steiner, Stuttgart 2001, ISBN 3-515-07970-X, S. 340. Wierschowski argumentiert für die Interpretation, Iulius Alexander habe mit der lateinischen Formulierung „cum co(n)iuge sua Virginia“ ausdrücken wollen, dass seine Frau bei der Heirat Jungfrau gewesen sei. Eine alternative Interpretation des Textes geht davon aus, es handele sich bei Virginia um den Namen seiner Ehefrau. Dann müsste Iulius Alexander mit der Numonia Bellia, die den Grabstein setzte, in einer zweiten Ehe verheiratet gewesen sein.
- Der Anfang des Schlusssatzes ist im Lateinischen zu „P P“ abgekürzt, was unterschiedlich aufgelöst wird. Das Corpus Inscriptionum Latinarum (CIL ) vermutet als Ergänzung „p(arenti) p(iissimo)“ („Für den liebevollen Vater“); Lothar Wierschowski (Fremde in Gallien – „Gallier“ in der Fremde. Die epigraphisch bezeugte Mobilität in, von und nach Gallien vom 1. bis 3. Jh. n. Chr. (Texte – Übersetzungen – Kommentare). Franz Steiner, Stuttgart 2001, ISBN 3-515-07970-X, S. 340) löst die Stelle zu „p(ro) p(ietate)“ („Aus Liebe“ bzw. „Aus Frömmigkeit“) auf. XIII, 2000
- Die lateinische Formel „sub ascia dedicavit“ taucht immer wieder in Grabinschriften vor allem aus Südgallien auf und bedeutet wörtlich „unter der Axt geweiht“. Die Bedeutung ist jedoch nicht klar; man vermutet beispielsweise, dass damit eine besondere Verfügungsgewalt des Stifters über die Grabanlage ausgedrückt werden sollte: Peter Herz: Ascia. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 2, Metzler, Stuttgart 1997, ISBN 3-476-01472-X, Sp. 75–76.
- Lothar Wierschowski: Fremde in Gallien – „Gallier“ in der Fremde. Die epigraphisch bezeugte Mobilität in, von und nach Gallien vom 1. bis 3. Jh. n. Chr. (Texte – Übersetzungen – Kommentare). Franz Steiner, Stuttgart 2001, ISBN 3-515-07970-X, S. 340.
- Lothar Wierschowski: Fremde in Gallien – „Gallier“ in der Fremde. Die epigraphisch bezeugte Mobilität in, von und nach Gallien vom 1. bis 3. Jh. n. Chr. (Texte – Übersetzungen – Kommentare). Franz Steiner, Stuttgart 2001, ISBN 3-515-07970-X, S. 341.
- Lothar Wierschowski: Fremde in Gallien – „Gallier“ in der Fremde. Die epigraphisch bezeugte Mobilität in, von und nach Gallien vom 1. bis 3. Jh. n. Chr. (Texte – Übersetzungen – Kommentare). Franz Steiner, Stuttgart 2001, ISBN 3-515-07970-X, S. 8 f.
- Inventarnummer 95.92; Eintrag beim Museum.