Ingenieurbiologie
Ingenieurbiologie ist eine Form der Bautechnik im Erd- und Wasserbau, bei der lebende Pflanzen oder Pflanzenteile bzw. pflanzliche Produkte zum Erosionsschutz von Böschungen, Ufern und Deichen eingesetzt werden. Erosionsschäden entstehen durch die den Boden abtragende Wirkung von Wasser und Wind. Zur Gründung der Vegetationsbestände auf den erosionsgefährdeten Standorten sowie für den anfänglichen Schutz werden spezielle ingenieurbiologische Sicherungsbauweisen verwendet. Hierzu zählen u.a. Faschinen, Spreitlagen, bepflanzte Reisiglagen, Lahnungen, Buschlagen, Heckenlagen, Röhrichtwalzen, Geotextilien (Erosionsschutzmatten und -gewebe), Andeckungen von Rasenplaggen und Ansaaten .
Die sich aus den Bauweisen entwickelnden Pflanzenbestände haben neben ihrer bautechnischen Funktion wie Bodenfestigung durch das Wurzelwerk und Strömungsbremsung auch ökologische und landschaftsästhetische Vorteile. Bei der Verwendung von Pflanzen und Baustoffen der Region ergibt sich ein geringer CO2-Ausstoß. Während der weiteren Pflanzenentwicklung wird CO2 gebunden. Insgesamt ergibt sich für ingenieurbiologische Sicherungen eine günstige Klima- und Ökobilanz. (EFIB 2015)
Für einen erfolgreichen Einsatz ingenieurbiologischer Sicherungen sind eine Kombination von Wissen und Fertigkeiten auf den Gebieten Erd- und Wasserbau und Vegetationstechnik sowie vegetationskundliche und landschaftsökologische Kenntnisse erforderlich. Ursprünge der Ingenieurbiologie sind, je nach Naturraum, handwerkliche Sicherungsbauweisen, die durch jahrzehntelange Praxiserfahrung entstanden und optimiert wurden. Ingenieurbiologische Sicherungsbauweisen werden auch als Lebendbau, Lebendverbau oder Grünverbau bezeichnet. Anwendungsbereiche sind (EFIB 2015):
- Schutzwaldbewirtschaftung im Gebirge
- Wildbach- und Lawinenhangverbauung
- Ufer, Vorland- und Deichsicherung an Fließgewässern
- Dünen-, Vorland- und Steilküstensicherung im Küstenschutz
- Sicherung von Böschungen und Hängen im Verkehrswege- und Landschaftsbau
- Oberflächensicherung von Deponien und Halden im Bergbau und der Abfallwirtschaft
Wegen der unterschiedlichen Einsatzbereiche und der Komplexität sind folgende Berufsfelder im Bereich Ingenieurbiologie tätig: Bauingenieurwesen, Bergbau, Biologie, Forst- und Agrarwirtschaft, Flussbau, Geotechnik, Geografie und Geologie, Landschaftsökologie, Umwelt- und Naturschutz, Landschaftsarchitektur, Landschaftsbau und Wasserbau.
Aus dem Handwerk des Lebendbaus hat sich die Ingenieurbiologie durch wissenschaftliche Untersuchungen von Pflanzen auf Problemstandorten sowie durch die Prognose der Wirksamkeit beim Erosionsschutz entwickelt. Neben diesen Themen muss sich die zukünftige Forschung auch mit der Anpassung an Klimaveränderungen beschäftigen.
In Deutschland ist die Ingenieurbiologie in zahlreichen Regelwerken des Erd- Wasser. und Landschaftsbaus verankert u.a.:
- DIN 18918 - Vegetationstechnik im Landschaftsbau – Ingenieurbiologische Sicherungen
- DIN 19657 – Sicherungen an Gewässern, Deichen und Küstendünen
- DIN 19663 – Wildbachverbauung
sowie in den Regelwerken folgender wissenschaftlicher Vereinigungen:
- DWA – Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V.
- FGSV – Forschungsgesellschaft für das Straßen- und Verkehrswesen
- FLL – Forschungsgesellschaft für Landschaftsentwicklung und Landschaftsbau e.V.
Berufsgruppenübergreifend beschäftigt sich die Gesellschaft für Ingenieurbiologie e.V. mit der Anregung von Forschung und Praxis und der Verbreitung von Wissen zur Ingenieurbiologie
Quellen zum Thema:
EFIB Europäische Föderation Ingenieurbiologie 2015: Europäische Richtlinie für Ingenieurbiologie vdf Hochschulverlag Zürich
Zeh, H. 2007: Ingenieurbiologie. Handbuch Bauweisen. vdf Hochschulverlag Zürich
Florineth, F. 2012: Pflanzen statt Beton. Patzer V.
Hacker, E. u. Johannsen, R. 2012: Ingenieurbiologie
Weblinks
- www.efib.org
- Verein für Ingenieurbiologie Schweiz
- www.ingenieurbiologie.com
- www.baunat.boku.ac.at/ibb
- Christoph Graf, Albert Böll, Frank Graf: Pflanzen im Einsatz gegen Erosion und oberflächennahe Rutschungen. (pdf) Ruth Landolt, Eidg. Forschungsanstalt WSL, 2003, abgerufen am 28. März 2021.