Indizienprozess
Ein Indizienprozess ist ein Verfahren, in dem das Gericht bei seiner Entscheidungsfindung allein auf Beweisanzeichen angewiesen ist.[1]
Der Bundesgerichtshof beschreibt die Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung im Zivilprozess gemäß § 286 ZPO aufgrund von Indizien in seiner Anastasia-Entscheidung:[2][3] „Hauptstück des Indizienbeweises ist also nicht die eigentliche Indizientatsache, sondern der daran anknüpfende weitere Denkprozess, Kraft dessen auf das Gegebensein der rechtserheblichen weiteren Tatsache geschlossen wird.“
In strafprozessualer Hinsicht ergeben sich für eine solche Situation keine Besonderheiten. Es findet eine normale Beweisaufnahme statt, in der sonstige zulässige Beweismittel in den Prozess eingeführt werden. Auf dieser Grundlage kann das Gericht gemäß § 261 StPO zu einer Überzeugung über die Schuld des Angeklagten gelangen.
Liegen mehrere Beweisanzeichen vor, so genügt es allerdings nicht, sie jeweils einzeln abzuhandeln; erforderlich ist vielmehr eine Gesamtwürdigung. Auch wenn keine der jeweiligen Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreicht, besteht die Möglichkeit, dass sie in ihrer Gesamtheit dem Gericht die erforderliche Überzeugung vermitteln können.[4] Danach ist auch eine Verurteilung bei einem Mord ohne Leiche möglich.[5]
Beruht die Überzeugung des Gerichts auf einer Vielzahl von Indizien, so ist es im Interesse der Verständlichkeit des Urteils dringend angezeigt, diese Indizien nicht in den Feststellungen, sondern ausschließlich im Rahmen der Beweiswürdigung abzuhandeln (§ 267 StPO).[6][7]
Weblinks
- Thomas Fischer: Der Beweis und die Überzeugung Die Zeit, 15. September 2015.
Einzelnachweise
- Was ist ein Indizienprozess? Der Spiegel, 15. März 2000.
- BGH, Urteil vom 17. Februar 1970 - III ZR 139/67 = BGHZ 53, 245.
- Martin Rath: 40 Jahre Lehrbuchfall „Anastasia:“ Die russische Prinzessin, die keine war Legal Tribune Online, 12. September 2010.
- BGH, Urteil vom 25. November 1982 - 4 StR 564/82 Rdnr. 5 m.w.N.
- Mord ohne Leiche: BGH bestätigt Urteil gegen Ehemann Stuttgarter Nachrichten, 19. Januar 2017.
- BGH, Beschluss vom 25. Juli 2017 – 3 StR 111/17
- Strafurteil – und die Darstellung der Indizien rechtslupe.de, 16. Oktober 2017.