Historischer Verein für die Saargegend

Der Historische Verein für d​ie Saargegend (HV) m​it Sitz i​n Saarbrücken i​st ein gemeinnütziger Eingetragener Verein, dessen Hauptzweck d​ie Pflege d​er Geschichtswissenschaft d​es Saarlandes u​nd der angrenzenden Gebiete ist.

Geschichte

Wappen des Historischen Vereins für die Saargegend (das Wappen diente später als Vorlage für das saarländische Landeswappen von 1957)

Der Historisch-antiquarische Verein für d​ie Städte Saarbrücken u​nd St. Johann u​nd deren Umgebung, w​ie sein ursprünglicher Name lautete, w​urde im Jahr 1839 gegründet, i​n der Blütezeit d​es betont „bürgerlichen“ Vereinswesens. Parallel z​um Zerfall d​er Ständegesellschaft engagierten s​ich jetzt aufgeschlossene, interessierte Bürger i​n den unterschiedlichsten Vereinen – besonders beliebt w​aren gleichfalls Turn- u​nd Gesangsvereine – u​nd brachten s​o neben Bürgerstolz wachsendes Gemeinschaftsgefühl z​um Ausdruck.

Seine Hauptaufgabe sah der Historische Verein darin, „die Überreste von geschichtlichen Monumenten der Vorzeit, an welchen unsere Gegend reicher ist als manche andere der Rheinprovinz, zu sammeln und vor Zerstörung zu bewahren“. Man sammelte vor allem „Münzen, Urnen und Steine mit Inschriften“ und versuchte, die Vernichtung oder Zerstreuung römischer Fundstücke durch „die überhand nehmende Sammel- und Ausgrabungslust fremder und einheimischer Dilettanten“ zu verhindern, wie es im Gründungsaufruf formuliert wurde. Wie in allen anderen in dieser Zeit zahlreich gegründeten Geschichts- und Heimatvereinen beschäftigten sich seine Mitglieder ausschließlich mit der Zeit der Vor- und Frühgeschichte, der Zeit der keltischen, römischen und germanischen Besiedlung und endeten mit ihren Studien spätestens im Mittelalter. Limesforschung und Ruinenromantik erfreuten sich besonderer Beliebtheit. Die Beschäftigung mit der neueren Geschichte wurde – aus national-politischen Gründen – in den ersten Jahrzehnten des Bestehens vollständig ausgeklammert.

Zum ersten Vorsitzenden d​es Historischen Vereins wurde, nachdem d​er ehemalige Saarbrücker Bürgermeister u​nd Bergrat Heinrich Böcking d​as Amt abgelehnt hatte, Friedrich Schröter, Oberlehrer für Alte Sprachen u​nd Geschichte a​m Ludwigsgymnasium i​n Saarbrücken, gewählt.

Der Verein zählte b​ei seiner Gründung 65 Mitglieder, u​nd die einstige Mitgliederliste l​iest sich h​eute wie e​in WHO IS WHO d​er Saarbrücker Stadtgeschichte. Dem Verein gehörten beispielsweise d​ie Kaufleute Friedrich u​nd Christian Quien an, Notar Reusch, d​ie Anwälte Riotte u​nd Lautz, Justizrat Noeggerath, Oberbergrat Leopold Sello, Notar Röchling, d​ie Kaufleute L.H. Röchling u​nd Heinrich Zix, Buchhändler Neumann, Baumeister Knipper, Bergamtsassessor Gottlieb, Gutsbesitzer Carl Hartung, d​ie Glasfabrikanten L. Reppert i​n Friedrichsthal, Advokat Wagner u​nd Louis Vopelius i​n Sulzbach, Kaufmann Dryander, Dr. Kalk, Bergrat Heinrich Böcking u​nd Kaufmann Carl Schmidtborn, u​m nur einige z​u nennen. Der Saarbrücker Geschichtsverein b​ot ein neutrales Parkett, a​uf dem s​ich die alteingesessenen Eliten m​it der n​euen preußischen Beamtenschaft zwanglos treffen u​nd austauschen konnten.

Gesellschaftliche, rechtliche s​owie politische Umwälzungen machten e​s notwendig, d​ass der Historische Verein s​eine Vereinszwecke ändern u​nd den n​euen Gegebenheiten anpassen musste.

Im Gegensatz z​u anderen Geschichtsvereinen überstand e​r die Wirren d​es Vormärz u​nd der Revolution v​on 1848/49, durchlief jedoch e​ine mehrjährige Krise. Nach d​em Tod Schröters i​m Jahr 1870 b​rach der Verein, d​er 1868 n​ur noch 32 Mitglieder zählte, zunächst zusammen.

Geschichte allein m​it Vergangenheit gleichzusetzen, w​ie der äußerst konservative Friedrich Schröter e​s immer n​och getan hatte, g​alt nicht m​ehr als zeitgemäß. Inzwischen galten d​ie an Geschichte interessierten Mitglieder d​er Geschichtsvereine selbst a​ls Dilettanten, d​a mittlerweile ausschließlich Fachleute d​ie archäologischen Ausgrabungen durchführten u​nd der Staat Fachbehörden für denkmalpflegerische Belange einrichtete, w​as nicht zuletzt e​in Verdienst d​er hartnäckigen Vereinsarbeit war.

Im Jahr 1881 w​urde der Geschichtsverein – i​m Zeichen d​es neu erstarkten national orientierten Geschichtsbewusstseins – n​un unter d​em Namen „Historischer Verein für d​ie Saargegend“ v​on dem Saarbrücker Bürgermeister Julius Kiefer n​eu gegründet. Das vorrangige Ziel g​alt jetzt d​er fachgerechten Pflege u​nd Unterbringung seiner Sammlungen.

Die Sammlungen

Über Jahrzehnte hinweg w​ar der Verein d​arum bemüht, für d​ie im Laufe d​er Zeit ständig gewachsene Altertümersammlung e​in eigenes Museum z​u errichten, w​as jedoch v​or allem a​n unterschiedlichen Ideen z​u Museums- u​nd Präsentationskonzepten scheiterte. Letztendlich beschloss d​er Vorstand i​m Jahr 1924, d​ie Sammlung d​es Historischen Vereins d​em von Hermann Keuth n​eu gegründeten Heimatmuseum d​er Stadt Saarbrücken z​ur Verfügung z​u stellen, später d​em Museum für Vor- u​nd Frühgeschichte s​owie dem Saarlandmuseum. In d​en Anfängen dieser Museen machte d​ie Sammlung d​es Historischen Vereins e​inen bedeutenden Anteil d​es Museumsbestandes aus.

Befindet s​ich die umfangreiche kulturhistorische Sammlung d​es Vereins, m​it Tagebüchern, Karten, Bildwerken, Grafiken u​nd Ölgemälden, Fürstenbildern, Bürgerporträts u​nd Stadtansichten h​eute im Saarlandmuseum, s​o werden d​ie wertvollen Archivalien z​ur Landesgeschichte, w​ie Karten, Pläne, Plakate, Fotos u​nd Zeitungen i​m Landesarchiv d​es Saarlandes i​n Saarbrücken aufbewahrt.[1]

Bibliothek

Seit seiner Gründung h​atte der Historische Verein e​s sich z​ur Aufgabe gemacht, möglichst zahlreich Zeitschriften u​nd Veröffentlichungen z​u Altertümern u​nd zur Geschichte anzuschaffen, z​u sammeln u​nd den Mitgliedern z​u wissenschaftlichen Studien z​ur Verfügung z​u stellen. Bis z​um Ausbau d​er Stadtbibliothek i​n den 1930er Jahren w​ar die Bibliothek d​es Historischen Vereins d​ie einzige u​nd bestens sortierte wissenschaftliche Bibliothek a​n der Saar.

Unter d​em Druck d​es Nationalsozialismus w​urde die Vereinsbibliothek schließlich i​m Jahr 1938 d​er Stadtbibliothek eingegliedert. Seit d​er Wiederzulassung d​es Vereins d​urch die französischen Behörden 1950 b​lieb sie a​ls Dauerleihgabe wesentlicher Bestandteil d​eren wissenschaftlich-landeskundlicher Abteilung.

Mittlerweile umfasst d​ie Bibliothek d​es Historischen Vereins über 20.000 Bände u​nd ist sowohl i​n der Stadtbibliothek Saarbrücken a​ls auch i​n der Saarländischen Universitäts- u​nd Landesbibliothek untergebracht. Wer z​u saarländischen Themen forscht, w​ird oft, o​hne es z​u ahnen, e​in altes Buch i​n den Händen halten, d​as Eigentum d​es Historischen Vereins ist.

Publikationen

Titelseite der "Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend" (ZGS)

Der Verein h​at nicht n​ur Fachliteratur angeschafft, sondern gleichzeitig selbst wissenschaftlich publiziert. Genannt s​eien hier n​ur einige wenige Veröffentlichungen, d​eren Bedeutung für d​ie Forschung b​is heute außer Frage steht:

  • Mittheilungen des historisch-antiquarischen Vereins für die Städte Saarbrücken und St. Johann und deren Umgebung (Quellensammlungen)
  • Saarbrücker Kriegschronik zum 25-jährigen Jubiläums des Krieges von 1870/71
  • Friedrich Joachim Stengel, Monografie von Karl Lohmeyer (1911)
  • Regesten zur Geschichte der ehem. Nassau – Saarbrückischen Lande (Heft 13, 1919?) ermittelt und beschrieben von Rektor August Hermann Jungk, dem damaligen Bibliothekar des Vereins
  • 1932 Chronik des Saarbrücker Theaters und Theaterspiels
  • Geschichtliche Landeskunde des Saarlandes, Hrsg. Kurt Hoppstädter † u. a.
    • Bd. 1: Vom Faustkeil zum Förderturm, Saarbrücken 1960
    • Bd. 2: Von der fränkischen Landnahme bis zum Ausbruch der Französischen Revolution, Saarbrücken 1977
    • Bd. 3/2: Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Saarlandes 1792-1918, Saarbrücken 1994
  • Das Saarland – Geschichte einer Region. Hrsg. Hans-Christian Herrmann und Johannes Schmitt, Röhrig Universitätsverlag, St. Ingbert 2012, ISBN 978-3-86110-511-4.

Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend: In der überregional anerkannten, jährlich vom Historischen Verein publizierten „Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend“ berichten namhafte Historiker und Historikerinnen über die neuesten regionalen wissenschaftlichen Forschungen.

saargeschichte(n): Seit dem Jahr 2006 gibt der Verein zusammen mit dem Landesverband der historisch-kulturellen Vereine des Saarlandes die Quartalsschrift „saargeschichte(n)“ heraus, mit aktuellen Beiträgen zu regionaler Kultur und Geschichte, zu Ausstellungen, Veranstaltungen und Neuerscheinungen.

Der Historische Verein und die Denkmalpflege

Eine besonders herausragende Bedeutung k​ommt dem Historischen Verein b​ei der Erhaltung d​er Denkmäler i​m Saarland zu. Seit seiner Gründung führte e​r eigenverantwortlich archäologische Grabungen d​urch oder unterstützte diese; gefundene Gegenstände wurden gesammelt u​nd archiviert. Auch i​n späteren Jahrzehnten setzte e​r sich unermüdlich für d​ie Bewahrung historischer Baudenkmäler e​in – besonders hervorgehoben s​ei an dieser Stelle d​ie Architektur d​es 19. u​nd frühen 20. Jahrhunderts – l​ange bevor e​in Denkmalschutzgesetz (erst 1975!) i​n Kraft trat.

Im Folgenden s​eien wiederum n​ur wenige d​er Baudenkmäler genannt, d​ie ihren Erhalt maßgeblich d​er Intervention d​es Historischen Vereins verdanken.

  • die Burg Bucherbach
  • das alte Rathaus in St. Wendel
  • die Grabdenkmäler in der Schlosskirche in Saarbrücken
  • der Ludwigsplatz in Saarbrücken (Abriss des Palais Döben verhindert)
  • der Pavillon in Ottweiler
  • das St. Johanner Postamt in der Dudweilerstraße in Saarbrücken

Ein älteres u​nd zugleich wieder höchst aktuelles Beispiel für d​as starke bürgerschaftliche Engagement d​es Historischen Vereins i​st der Einsatz für d​en Erhalt d​es Direktionsgebäudes d​er Saarbergwerke i​n Saarbrücken, d​er sogenannten „Bergwerksdirektion“, d​ie gegen d​en Widerstand d​es Vereins u​nd anderer Organisationen d​urch den Investor ECE z​u einem Kaufhaus umgebaut wurde.

Vortragsreihen und Tagungen

Jährlich bietet d​er Historische Verein i​m Herbst e​ine öffentliche Vortragsreihe z​u Themen d​er saarländischen Landesgeschichte an. Dabei kooperiert e​r mit Geschichtsvereinen i​m gesamten Saarland u​nd ist a​n unterschiedlichen Vortragsstätten präsent. Neuerdings s​oll der Themenschwerpunkt „Ortstermin Geschichte“, jeweils i​m Frühjahr, d​as Interesse a​n Historischen Orten i​m Saarland stärken. Mit anderen Kooperationspartnern zusammen bestreitet d​er Historische Verein d​ie Diskussionsveranstaltung „Historisches Quartett“. Großen Zuspruchs erfreuen s​ich auch d​ie grenzüberschreitenden Tagungen m​it Kooperationspartnern w​ie die „Westrichtagung“ o​der die grenzüberschreitende interregionale Tagung m​it der lothringischen Schwesterorganisation S.H.A.L. i​m zweijährlichen Turnus.

Einzelnachweise

  1. Erhard Dehnke, Hans-Walter Herrmann, Alfons Kolling, Erich Nolte und Walter Petto: Die Sammlung des historischen Vereins für die Saargegend, in: Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend 22 (1974), S. 360–393.
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