Herlitz International Trading
Herlitz International Trading AG (kurz auch HIT AG genannt) war in den 1980er und 1990er Jahren ein weltweit tätiges Papierhandelshaus mit Sitz in Ismaning. Ihre Aktien wurden an der Münchner und Berliner Börse geführt.[1]
Geschichte
1974 bis 1988
Die Herlitz International Trading AG wurde im Juli 1983 als Herlitz GmbH & Co. KG gegründet und zwar als 100%ige Tochtergesellschaft der Herlitz AG Berlin. Vorgängerin war die 1974 gegründete Herlitz Consult GmbH, die 1975 den Auftrag erhielt, eine schlüsselfertige Fabrik für Schulhefte in Bagdad zu errichten. Einschließlich einer ebenfalls gebauten Brücke sowie einer kleinen Moschee war dies der größte Einzelauftrag in der Geschichte der Muttergesellschaft Herlitz (Auftragsvolumen: 38 Mio. DM).
1989 bis 1998
Herlitz International Trading (HIT) wurde im Oktober 1989 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Das Grundkapital wurde mehrheitlich weiter von der Herlitz AG gehalten. Durch den Gang an die Börse flossen 1990 der HIT DM 25 Mio. zu, die dazu dienten, das starke Wachstum des Unternehmens zu finanzieren. HIT war zunächst ein reines Papierhandelshaus. Die Produktpalette umfasste neben holzfreien Schreib- und Druckpapieren auch Papiere für den Zeitungs- und Magazindruck.[2] Die Hauptabsatzmärkte in den Anfängen der 1990er Jahre waren Deutschland, Saudi-Arabien und Ägypten, eingeschränkt – durch politische Unruhen – auch Algerien und Iran. HIT gelang es, sich eine breite Beschaffungsbasis zu sichern. 1992 zählten Skandinavien, Deutschland, Nordamerika und Brasilien zu den größten Beschaffungsländern.[3] Im gleichen Jahr wurde die Tochtergesellschaft HIT-Papierverarbeitungsmaschinen-Handels-GmbH (HIT PVM), mit Büros in Ismaning, Berlin und den Niederlanden, gegründet.
Zum September 1993 erwarb HIT eine 50%ige Beteiligung an der Becker Falken Gruppe (in Haan und Peitz) mit dem Ziel die gewerblichen und behördlichen Endverbraucher mit Fotokopierpapier, Briefumschlägen und Ordnern zu beliefern.[4] Aus einer Gesellschaft, die sich ausschließlich mit dem Papierhandel – vorwiegend in den Ländern der Dritten Welt – befasste, entwickelte sich ein kleiner Konzern; ergänzt um Aktivitäten der Produktion für Zeitungsdruckpapier in der Schweiz (Beteiligung an der Papierfabrik Zwingen AG)[5] und in Russland. Die HIT AG wurde zunächst Minderheits-, ab 1995 Mehrheitsaktionär der Volga AG in Nischni Nowgorod.[6] Über die Vertriebsrechte des russischen Zeitungsdruckpapier hinaus übernahm HIT als Miteigentümer das Management der Fabrik.
Die HIT-Aktie stieg ab Januar 1993 bis März 1997 von DM 270 um mehr als 420 % auf DM 1.150, während im gleichen Zeitraum der DAX nur um 200 % stieg. Zu den außerordentlichen Erfolgen der Volga AG äußerte sich der Vorstandsvorsitzende der HIT AG, Gérald Jaslowitzer, im Manager Magazin[6] wie folgt: „Das Holz ist in Russland um 70 Prozent billiger als hierzulande. Die Energiekosten betragen nur ein Fünftel der vergleichbaren Kosten in Skandinavien. Von den Lohnkosten ganz zu schweigen: Ob wir 6000 oder 1000 Beschäftigte haben, spielt im Moment keine Rolle.“ Und Jaslowitzer weiter: „Kein deutsches Unternehmen könne da mithalten. Die Branche könnte mittelfristig in Deutschland verschwinden.“
Dieser Bericht war zwei Tage später ins Russische übersetzt und kursierte in Nischni Nowgorod. Die Holzindustrie und die Energielieferanten forderten ab sofort marktgerechte Preise, die Arbeiter fingen an zu rebellieren.[7] „Jaslowitzer hatte für die größte Katastrophe in der Firmengeschichte gesorgt.“[8] „Insgesamt kostete das Abenteuer Russland den Konzern rund 100 Millionen Mark.“[8]
Im Juli 1997 war die Situation der AO Volga derart angespannt, dass die angestrebte strategische Partnerschaft nicht mehr realisiert werden konnte. Die Liquiditätssituation der AO Volga verschlechterte sich so weit, dass ein ordentlicher Betrieb nicht mehr aufrechtzuerhalten war. Der Aufsichtsrat trennte sich vom Vorstandsvorsitzenden Gérald Jaslowitzer, um dem Vorstand es zu ermöglichen, das Unternehmen auf die Kernkompetenzen zu konzentrieren. Detlef Stronk wurde für die Neuausrichtung der HIT zum Vorsitzenden des Vorstands bestellt. Im Juli 1997 beschlossen Aufsichtsrat und Vorstand das Gesamtengagement bei der AO Volga in Höhe von DM 86,6 Mio. wert zu berichtigen. Alle Verträge mit der AO Volga und die damit verbundenen Pflichten und Risiken wurden beendet. Zum Ende des Jahres 1997 wurden auch die Vorstandsverträge von Klaus-Jürgen Leipold und Antony Doran nicht mehr verlängert.
Geschäftszahlen für die Jahre 1988 bis 1998
Geschäftsjahr | Umsatzerlöse in Mio. DM | Jahresüberschuss/ Jahresfehlbetrag in Mio. DM | Mitarbeiter | Aufsichtsrats- Vorsitzender | Vorstands- Vorsitzender |
---|---|---|---|---|---|
1988 | 120 | + 2,0 | 32 | Günter Herlitz | Gérald Jaslowitzer |
1989 | 160 | + 5,0 | 35 | Günter Herlitz | Gérald Jaslowitzer |
1990 | 233 | + 7,0 | 40 | Günter Herlitz | Gérald Jaslowitzer |
1991 | 232 | + 4,9 | 42 | Günter Herlitz | Gérald Jaslowitzer |
1992 | 216 | + 4,4 | 55 | Günter Herlitz | Gérald Jaslowitzer |
1993 | 290 | + 7,3 | 408 | Günter Herlitz | Gérald Jaslowitzer |
1994 | 426 | + 11,2 | 459 | Günter Herlitz | Gérald Jaslowitzer |
1995 | 713 | + 19,4 | 400 | Günter Herlitz (bis 20. Juni 1995) Peter Herlitz (ab 20. Juni 1995) | Gérald Jaslowitzer |
1996 | 495 | - 1,4 | 119 | Peter Herlitz | Gérald Jaslowitzer |
1997 | 449 | - 86,9 | 103 | Peter Herlitz (bis 22. Okt. 1997) Karel de Vries (ab 7. Nov. 1997) | Gérald Jaslowitzer (bis 7. Juli 1997) Detlef Stronk (ab 7. Juli 1997)[9] Detlef Stronk (ab 1. Sept. 1997)[10] |
1998 | 301 | - 7,5 | 70 | Karel de Vries | Detlef Stronk |
(Quellen: Geschäftsberichte der jeweiligen Jahre)[11]
1999 bis heute
Ernst Schennen wurde 1999 neuer Vorstandsvorsitzender. Die Umsätze schrumpften im selben Jahr auf 163 Mio. DM.[12]
Die Herlitz AG verkaufte 2000 ihre restlichen Anteile an der Herlitz International Trading AG an die Blake International Limited (British Virgin Islands). Das Unternehmen wurde umfirmiert in HIT International Trading, der Sitz der Gesellschaft wurde nach Berlin verlegt.
Seit 2003 gehört die ehemalige Tochtergesellschaft der Herlitz AG zu 55 Prozent zur kanadischen Gruppe MFC Bancorp Ltd. Die Anteile werden unmittelbar von deren in Wien ansässiger Tochterfirma MFC Commodities GmbH gehalten. Vorstand und Aufsichtsrat von HIT wurden mit MFC-Mitarbeitern besetzt und das gesamt HIT-Geschäft ohne Gegenleistung bereits an eine neu gegründete Tochtergesellschaft der HIT, die HPT GmbH in Wien, übertragen. Das Geschäft wird in den Räumen von MFC betrieben, die auch die kaufmännische Verwaltung einschließlich des Finanzwesens übernimmt.
Die Aktivitäten wurden immer mehr zurückgefahren. Die Umsatzerlöse beliefen sich 2006 nur noch auf EUR 28.000,-[13].
Einzelnachweise
- Wertpapier Kenn-Nr. 605 290
- Geschäftsbericht 1990: Herlitz International Trading AG
- Geschäftsbericht 1992: Herlitz International Trading AG, S. 18–20
- Geschäftsbericht 1993: Herlitz International Trading AG, S. 17–18
- Geschäftsbericht 1995: Herlitz International Trading AG, S. 4 und 11
- Manager Magazin, Nr. 3/1995, S. 169–170
- Berliner Morgenpost, 16. Juli 1997: Russische Erfahrungen – Über die Probleme deutscher Investoren.
- Manager Magazin, November 1998, S. 41–46
- Gemäß § 111 II AktG wurde das Aufsichtsratsmitglied Detlef Stronk zum Beauftragten des Aufsichtsrats ernannt und zur Beratung und Unterstützung des Vorstands in die HIT entsandt
- Gemäß § 105 II AktG
- Geschäftsberichte aus den Jahren 1988 bis 1998 der Herlitz International Trading AG
- Geschäftsbericht 1999: Herlitz International Trading AG
- Geschäftsbericht 2006: HIT International Trading AG