Herakut
Herakut ist ein deutsches Künstlerduo aus der Streetartszene, bestehend aus Jasmin Siddiqui und Falk Lehmann. Seit 2004[1] sind sie international tätig und schaffen unter anderem Wandgemälde im öffentlichen Raum.[1]
Leben und Karriere
Sowohl Siddiqui als auch Lehmann waren schon vor ihrer Begegnung und der Fusion ihrer Talente im Bereich der Streetart tätig.
Jasmin Siddiqui wurde als Tochter eines Pakistaners und einer Deutschen 1981[1] in Frankfurt am Main geboren. Aufgrund ihrer Herkunft hatte sie oft mit Vorurteilen zu kämpfen, vor allem in der Schulzeit reduzierten viele Mitschüler sie auf ihre Hautfarbe. Aus Frust und Unzufriedenheit über dieses Schubladendenken fing sie an, Graffiti zu erstellen und schuf sich so ihre eigene Welt. Zudem zeigte Siddiqui große Begeisterung für die Graffitikünstler, welche die grauen und tristen Mauern der Stadt mit Farbe schmückten. Dem Wunsch ihrer Eltern folgend, begann sie ein Studium für Kommunikationsdesign. Allerdings stellte sie schnell fest, dass dieses keine Zukunft für sie darstellte. Stattdessen fühlte sie sich in der Graffitiszene zu Hause, in der sie mit Anfang zwanzig dann auch aktiv wurde. Hera, der Name der griechischen Göttin, wurde von nun an zu Siddiquis Pseudonym und Künstlernamen. Er stellt den Gegensatz und die Verwandlung von der einst schüchternen und zurückhaltenden zu der starken und selbstbewussten Frau dar, die sie heute in der Männerdomäne verkörpert.
Falk Lehmann wurde 1977 im thüringischen Schmalkalden geboren. Im Alter von 14 Jahren wurde Lehmanns Interesse für die Graffitiszene geweckt und seit 1994 malt er unter dem Pseudonym Akut. Nach dem Abitur studierte Lehmann zunächst Architektur an der FH Erfurt, wechselte nach dem Vordiplom jedoch zur Visuellen Kommunikation an der Bauhaus-Universität in Weimar. Vor der Zusammenarbeit mit Siddiqui war Lehmann seit 2001 mit seiner Graffiti Crew „Ma’Claim“ aktiv. Die Gruppe – bestehend aus "Akut", "Case", "Rusk" und "Tasso" – hatte sich durch einen bis dato in Deutschland noch kaum verbreiteten hyperrealistischen Stil in der Szene einen Namen gemacht.[2]
2004 begegneten sich Siddiqui und Lehmann auf einem Urban-Art-Festival in Spanien.[3] Nach gemeinsamer Gestaltung einer Wand beschlossen die beiden Künstler, ihr Talent und ihre Namen zu vereinen. Hera und Akut waren nun Herakut. Seither folgte eine enge Zusammenarbeit des Duos und eine enge Freundschaft.[4]
Mehrere Wochen im Jahr sind Siddiqui und Lehmann weltweit unterwegs, um neue Plätze und Orte für ihre Werke zu finden. Im Februar 2014 wurden sie von der Organisation AptART eingeladen für drei Wochen in das Flüchtlingslager Zaatari in Jordanien zu reisen, um dort mit syrischen Kindern die weißen Container und Wände des Lagers in farbenfrohe Gemälde zu verwandeln.[4][5][6] Anfangs waren nur drei Wandgemälde geplant. Letztlich entstanden mit Hilfe der Kinder insgesamt acht Murals. In der Ausstellung „Colours Of Resilience“ in Frankfurt-Sachsenhausen konnte man die Resultate der Arbeit in Jordanien auf Fotos, Skizzen und Leinwänden anschauen.
Herakut ist international hoch angesehen, Jim Carrey hatte das Künstlerduo beauftragte, sein Haus anzumalen.[7]
Eine Zeit lang nutzte das Duo Lehmanns Elternhaus im Thüringer Wald als Atelier.[8][9] Seit 2015 leben und arbeiten sie in Berlin.[10]
Motive und Gestaltung
Die Bandbreite von Herakuts Arbeiten reicht von kleinen Collagen, aufwändigen Installationen über Leinwandarbeiten bis hin zu riesigen Murals auf Häuserfassaden.[11] Figuren und Gesichter, meist Fabelwesen aus Mensch und Tier prangen auf Gebäuden auf der ganzen Welt. Ein besonderer Blickfang sind dabei vor allem die großen Augen mit ihrem melancholischen Ausdruck.[8][12]
Aufgrund ihres verschiedenen künstlerischen Stils kommen Hera und Akut auch jeweils unterschiedliche Aufgaben im Rahmen ihrer Zusammenarbeit zu: während Siddiqui für die groben Umrisse zuständig ist, übernimmt Lehmann den Feinschliff. Für die Grobfassung bedient sich Hera überwiegend Pinseln und Farbrollen, Akut hingegen arbeitet die fotorealistischen Merkmale der Figuren ausschließlich mit der Sprühdose aus.[13]
Zu Herakuts persönlicher Handschrift zählt immer ein poetischer Spruch, der einerseits Aufschluss über die Persönlichkeit des dargestellten Charakters gibt, andererseits aber auch zum Nachdenken über allgemeine sozial- und gesellschaftskritische Themen anregen soll. Zudem werden die kurzen Texte in verschiedene Sprachen übersetzt, je nachdem in welchem Land sich das Mural befindet. So sollen die Botschaften von möglichst vielen Menschen verstanden werden.[1][14]
- "Art Doesn't Help People, People Help People" (Lüneburg, Wandfärberstraße)
- "Monkey see, Monkey do" (Berlin, Alt-Stralau)
- "There is something better than perfection" (Frankfurt, Stiftstraße)
- "As long ase you are standing.." (Berlin, Moabit)
- "My home might be no palace..", 2018, Luckauer Straße 14, Berlin-Kreuzberg
- "See me", 2019, Lewishamstraße 15, Berlin-Charlottenburg
Intention
Auch wenn einige von ihren Werken in Kunstgalerien im Rahmen von Ausstellungen zu finden sind, so ist und bleibt der urbane Raum ihr bevorzugter Ausstellungsort.[15]
In erster Linie verfolgen die Künstler die Absicht, den Betrachter mit ihren märchenhaften Figuren zu inspirieren und ihre Fantasie zu beflügeln. Herakuts Bilder wirken oftmals sehr trist und düster. So sollen ihre Wandmalereien die Funktion eines Spiegels, der unverfälscht die nicht immer farbenfrohe Realität abbildet, übernehmen.[16][17]
Zudem teilen sowohl Siddiqui als auch Lehmann die Ansicht „There ist something better than perfection“. So lautet auch die Beischrift eines ihrer Werke an einer Frankfurter Hausfassade, welches eine Mutter mit ihrem Kind zeigt. Auf dem Kopf tragen sie eine goldglänzende Maske, symbolisch für das perfekte Dasein stehend. Perfektion sei nicht das Maß aller Dinge, stattdessen seien Werte wie Barmherzigkeit, Wohltätigkeit oder Nächstenliebe essentielle Bestandteile unseres Lebens. Auch Streetart und die Arbeiten Herakuts zeugen keineswegs von Perfektion. Es gibt kein Richtig oder Falsch, was durch ihre Kunst direkt vermittelt würde.[4]
The Giant Storybook-Projekt
The Giant Storybook beschreibt Herakuts bislang größtes und aufwendigstes Projekt. Sie wollen ein Kinderbuch gestalten, publizieren und veröffentlichen. Seit September 2012 reist das Künstlerduo dazu um die ganze Welt und besprüht dort Hauswände, Mauern und Fassaden, welche später den Inhalt ihres Storybooks ausmachen. Das Resultat dieses Projekts soll eine Geschichte sein, die nicht an einem Standort zu finden ist, sondern auf der ganzen Welt von Menschen gelesen und entdeckt werden könne. Ein Projekt mit einer grenzübergreifenden Geschichte.[15]
Die Hauptfiguren des Storybooks stellen dabei zwei Geschwister dar, das kleine Mädchen Lily und ihr Bruder Jay, die in unterschiedlichen Welten aufwachsen. Während Jay in einer Welt von Perfektion gefangen ist und durch das Gestalten von Graffiti eine Rebellion beginnt, befindet sich Lily in einer Parallelwelt ihres Bruders. Auch sie fühlt sich dort nicht wohl und flieht um Jay zu finden. Auch wenn das Grundgerüst steht, entwickelt sich die Geschichte des Storybooks sowie dessen Charaktere mit jeder Seite und jedem Mural kontinuierlich weiter. Ein essentieller Bestandteil sind dabei die Reaktionen der Menschen auf der Straße. Je nachdem wie die Außenwirkung ausfällt, ändern Herakut auch noch im Nachhinein die Bedeutung eines einzelnen Murals oder einer Figur im Kontext der Geschichte.[16]
Mit ihrem Storybook möchten Herakut vermitteln, dass es „Themen und Ideen gibt, die alle Menschen auf der Welt gleichsam beschäftigen und verbinden, unabhängig von Heimatland und Lebensumständen“.[15] Statt stets nach Unterschieden zu suchen, sollten sich die Menschen vielmehr darauf besinnen, was sie gemeinsam haben.
Literatur
Herakut: The perfect merge. Publikat, Mainaschaff 2008, ISBN 978-3-939566-24-3.
Weblinks
Einzelnachweise
- info – HERAKUT. Abgerufen am 15. März 2018 (englisch).
- Falk Lehmann, Steffen Petermann: Ma’Claim: finest photorealistic graffiti. Publikat, Mainaschaff 2006, ISBN 978-3-939566-01-4.
- Herakut: The perfect merge. Publikat, Mainaschaff 2008, ISBN 978-3-939566-24-3, S. 200.
- Katharina Schol, Frankfurt: Graffitikünstler „Herakut“: Mit Farbe Mut machen. In: FAZ.NET. 17. Juni 2014, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 8. Dezember 2017]).
- Herakut in Jordan | street art united states. Abgerufen am 15. März 2018 (amerikanisches Englisch).
- Herakut & aptART: Malen für den Frieden in Syrien | ARTE Creative. (Nicht mehr online verfügbar.) Ehemals im Original; abgerufen am 8. Dezember 2017. (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Claudia Henzler: Mannheim: Kann Graffiti ein Stadt-Image retten? Abgerufen am 25. Juli 2020.
- Galerie Kronsbein. Abgerufen am 8. Dezember 2017.
- Zwei Berliner Sprayer verschönern die Welt. (bz-berlin.de [abgerufen am 8. Dezember 2017]).
- Silvia Perdoni: Street-Art: Das Museum für die Spraydose. In: Berliner-Kurier.de. (berliner-kurier.de [abgerufen am 15. März 2018]).
- Herakut. In: URBAN-ART & LIFE-STYLE. 12. August 2016 (i-love-urbanart.com [abgerufen am 8. Dezember 2017]).
- Johannes Hollmann, Janina Rathelbeck: Da wirst Du große Augen machen… Abgerufen am 8. Dezember 2017 (englisch).
- DW Deutsch: Das deutsche Graffiti-Duo Herakut | Euromaxx – Atelier Straße. 14. September 2013, abgerufen am 8. Dezember 2017.
- Herakut Mural in Mannheim – The Giant Storybook Project. In: Stadt.Wand.Kunst. 2. Juli 2014 (stadt-wand-kunst.de [abgerufen am 8. Dezember 2017]).
- Ein Graffiti-Märchen erobert die Welt. In: BRIGITTE. 5. November 2013 (brigitte.de [abgerufen am 8. Dezember 2017]).
- Deutsche Welle: Streetart-Projekt „Giant Storybook“. 2. Oktober 2013, abgerufen am 8. Dezember 2017.
- Herakut: „Für den Triumph des Bösen reicht es, wenn die Guten nichts tun.“ In: ZEITjUNG. 1. Dezember 2015 (zeitjung.de [abgerufen am 8. Dezember 2017]).