Heberleinbremse
Die Heberleinbremse (nach Jacob Heberlein, Patent 1856) ist eine durchgängige Eisenbahnbremse, die mit einer mechanischen Seilbetätigung ausgeführt wird. Über die Wagendächer, bei Rollwagen durch den Bodenrahmen und bei einigen Bahnen wie der Spreewaldbahn generell unter den Wagenböden, verläuft von der Lokomotive bis zum letzten Wagen des Zuges eine durchgehende Bremsleine. Auf dem Führerstand der Lokomotive gibt es eine Haspel, worauf die überschüssige Leinenlänge aufgetrommelt wird. Jeder Wagen mit Heberlein-Bremseinrichtung hat neben den Führungsrollen für die Bremsleine eine kippbare Kombination aus zwei Rollen. Beim Spannen der Bremsleine wird über diese Rollenkombination und eine Zugstange ein Gewicht angehoben. In jedem Wagen oder Drehgestell befindet sich auf der Achswelle eines Radsatzes eine Reibrolle. Auf der Welle der dazugehörenden zweiten, losen Reibrolle ist eine Kette befestigt, über die durch die Drehbewegung die Bremse im betreffenden Wagen (oder Drehgestell) angelegt wird. Lässt man die Bremsleine nach, senkt sich das Gewicht und zieht die lose Reibrolle gegen die fest auf der Achswelle sitzende. Die lose Reibrolle wird dadurch in Drehung versetzt und zieht die Bremssohlen gegen die Räder. Die Kraft für das Anlegen der Bremse wird damit der Bewegungsenergie der Fahrzeuge entnommen. Zum Lösen der Bremse spannt man die Bremsleine wieder, die losen Reibrollen werden von den festen abgehoben und die Bremse löst aus. Reißt die Bremsleine, legen sämtliche Bremsen im Zug an. Dasselbe passiert auch bei Zugtrennungen. Damit ist die Heberleinbremse selbsttätig wirkend. Ein Nachteil der Heberleinbremse ist ihre Richtungsabhängigkeit. Rollen Wagen nach dem Halten zurück, dann löst die Bremse bei diesen.
- Links im Bild die Betätigungseinrichtung mit zwei festen und einer losen Rolle sowie den Übertragungsstangen zu den Drehgestellen. Vor dem Kopfstück des Drehgestelles das Gewicht zum Andrücken der Reibräder
- Heberleinbremseinrichtung im Drehgestell eines Rollwagens. Mittig auf der Achse die feste Reibrolle, rechts daneben die bewegliche. Beim Nachlassen der Leine drückt das Gewicht die bewegliche Reibrolle auf die fest auf der Achse sitzende und durch die Drehbewegung wird die Bremse angelegt.
- Notbremsschlitten auf dem Dach eines Gepäckwagens. Beim Betätigen der Notbremse wird die Rolle über dem Fenster entriegelt und nach rechts gezogen. Durch das Entspannen der Bremsleine legen alle Bremsen im Zug an.
Aufgrund ihres Wirkungsprinzips weist die Heberleinbremse eine größere zeitliche Verzögerung bis zur Erzielung der Bremswirkung als beispielsweise die Druckluftbremse oder die Saugluftbremse auf. Daher ist bei einem Betriebseinsatz heute auf eine entsprechende Schulung und vorliegende Erfahrung des Triebfahrzeug- und Zugpersonals zu achten. Die Bremsprobe ist nur in der Bewegung durchführbar.
Typisch für die Heberleinbremse sind die gut sichtbaren Seilführungen auf den Wagen. Zur Erleichterung der Zugbildung gibt es Bremsleinen in genormten Längen, die durch ebenso genormte Haken verbunden werden. Diese Verbindungshaken sind so ausgelegt, dass sie über die Führungsrollen laufen können. Problematisch und körperlich schwer ist das Verlegen der Bremsleine über die Dächer und unter den Wagenböden insbesondere bei der Zugbildung und im Rangierdienst.
Abgelöst wurde die Heberleinbremse zunächst durch Saugluft-, endgültig dann durch die Druckluftbremse. In der Übergangszeit wurden Triebfahrzeuge mit mehreren Betätigungseinrichtungen und Wagen mit Leitungen für das zweite Bremssystem versehen. Der Lokführer musste bei bremstechnisch gemischten Zügen beide Bremsen bedienen. Genutzt wurde die Heberleinbremse vorwiegend bei Schmalspurbahnen. Ein Anwender mit Regelspur war am Ende des 19. Jahrhunderts die Halberstadt-Blankenburger Eisenbahn insbesondere auf der seinerzeitigen Zahnradstrecke Blankenburg–Tanne.
Die Heberleinbremse ist wegen ihres Funktionsprinzips (durchgehend und selbsttätig) noch immer eine zugelassene Betriebsbremse bei der Eisenbahn, speziell bei den geringeren Geschwindigkeiten der Schmalspurbahnen.
Bei einigen Schmalspurbahnen in Sachsen können zahlreiche Fahrzeuge mit der Heberleinausrüstung besichtigt werden (Lößnitzgrundbahn, Weißeritztalbahn, Schmalspurbahnmuseum Rittersgrün), bei der Preßnitztalbahn wird regelmäßig mehrmals im Jahr noch Zugbetrieb mit der Heberleinbremse durchgeführt.
Eine im Wirkprinzip zur Heberleinbremse ähnliche ist die kontinuierliche Schraubenradbremse System Schmid, die das ungewollte Lösen der Bremsen beim Zurückrollen verhindert. Die Görlitzer Gewichtsbremse ist nur äußerlich ähnlich. Bei ihr wird die Bremskraft nur durch die sich senkenden Gewichte ohne Ausnutzung der Bewegungsenergie der Fahrzeuge aufgebracht.