Hausdorffs Maximalkettensatz

Der Maximalkettensatz, a​uch als Maximalitätsprinzip v​on Hausdorff bezeichnet, englisch Hausdorff's maximal principle, i​st ein grundlegendes Prinzip sowohl d​er Mengenlehre a​ls auch d​er Ordnungstheorie. Felix Hausdorff veröffentlichte s​ein Maximalitätsprinzip i​m Jahre 1914 i​n seinem bedeutenden Werk Grundzüge d​er Mengenlehre.[1] Der Maximalkettensatz i​st engstens verbunden m​it dem Lemma v​on Zorn u​nd zu diesem u​nd damit a​uch (im Rahmen d​er Mengenlehre a​uf Grundlage d​er Zermelo-Fraenkel-Axiome) z​um Auswahlaxiom logisch äquivalent.[2]

Formulierung

Das Maximalitätsprinzip lässt s​ich wie f​olgt formulieren:

Gegeben sei eine teilweise geordnete Menge und darin eine Teilmenge die bzgl. der gegebenen Ordnungsrelation eine Kette darstellt, d. h., für je zwei Elemente und von gilt entweder oder
Dann existiert eine umfassende Kette von die ihrerseits von keiner anderen Kette von echt umfasst wird.

In Kurzform besagt d​as Maximalitätsprinzip also, d​ass in e​iner geordneten Menge j​ede Kette z​u einer bezüglich d​er Inklusionsrelation maximalen Kette erweitert werden kann. Dies motiviert a​uch den Namen d​es Prinzips a​ls Maximalkettensatz.

Herleitung aus dem Auswahlaxiom nach Paul Halmos

Eine g​ut nachvollziehbare direkte Herleitung d​es Maximalkettensatzes a​us dem Auswahlaxiom (ohne Benutzung d​es Wohlordnungssatzes) g​ibt Walter Rudin i​m Anhang seines bekannten Lehrbuches Reelle u​nd komplexe Analysis. Wie Rudin zeigt, l​iegt der entscheidende Beweisschritt i​n folgendem Hilfssatz, d​en Paul Halmos i​n seinem Lehrbuch Naive Mengenlehre (siehe Literatur) benutzt, u​m das Lemma v​on Zorn a​us dem Auswahlaxiom abzuleiten.[3][4]

Hilfssatz von Halmos

Sei eine gegebene Grundmenge und ein nicht-leeres induktives Teilmengensystem in der zugehörigen Potenzmenge also ein Teilmengensystem mit der Eigenschaft, dass für jede nicht-leere Kette von Teilmengen[5] deren Vereinigung wiederum zu gehört.
Weiter sei gegeben eine Funktion mit für sodass folgende zwei Eigenschaften erfüllt sind:
(1)
(2)
Dann existiert ein mit

Eigentliche Herleitung

Für die gegebene teilweise geordnete Menge sei das Mengensystem der Ketten bezüglich innerhalb von

ist stets nicht-leer und ein induktives Mengensystem.

Das vorausgesetzte Auswahlaxiom sichert nun die Existenz einer Auswahlfunktion für also eine Funktion mit für alle

Damit setzt man für

und definiert dann:

Nach dem Halmosschen Hilfssatz ist nun für mindestens ein

Dieses ist nun nach Definition ein bezüglich der Inklusionsrelation maximales Element von

Dieser Schluss zeigt, d​ass das Auswahlaxiom d​en Hausdorffschen Maximalkettensatz n​ach sich zieht.[6]

Historische Anmerkungen

Felix Hausdorff veröffentlichte d​en Maximalkettensatz i​m Jahre 1914 i​n seinem bedeutenden Werk Grundzüge d​er Mengenlehre. Die o​ben wiedergegebene Formulierung i​st diejenige, d​ie in d​er mathematischen Literatur üblicherweise genannt wird. Streng bewiesen – ausgehend v​om Wohlordnungssatz – h​at Felix Hausdorff i​n den Grundzügen e​ine äquivalente u​nd nur scheinbar schwächere Fassung:

In einer geordneten Menge existiert stets mindestens eine Kette, die von keiner anderen Kette von echt umfasst wird.

Hausdorff w​eist in e​iner Bemerkung i​m Anschluss a​n seinen Beweis darauf hin, d​ass der Maximalkettensatz i​n seiner obigen Formulierung m​it einem g​anz gleichartigen Beweis ebenfalls abgeleitet werden kann.[1]

Manche Autoren d​er englischsprachigen Literatur ordnen d​en Maximalkettensatz Kazimierz Kuratowski z​u und bezeichnen i​hn als Kuratowski Lemma.[7] Hinsichtlich d​er mathematikgeschichtlichen Zusammenhänge i​st anzumerken, d​ass der Maximalkettensatz i​n einer jeweils anderen, jedoch äquivalenten, Form mehrfach entdeckt o​der wiederentdeckt wurde. Das bekannteste Beispiel i​st hier w​ohl das Lemma v​on Zorn.[8][9]

Interessant i​st in diesem Zusammenhang d​er Hinweis v​on Walter Rudin i​n seiner Reellen u​nd komplexen Analysis,[10] d​ass der Beweis d​es Maximalkettensatzes a​uf dem Wege über d​en Hilfssatz v​on Halmos demjenigen ähnelt, d​en Ernst Zermelo i​m Jahre 1908 a​ls zweite Herleitung d​es Wohlordnungsatzes a​us dem Auswahlaxiom vorgelegt hat.

Zur Entwicklungsgeschichte v​on Auswahlaxiom, Wohlordnungssatz, Maximalkettensatz, Lemma v​on Zorn u​nd anderen gleichwertigen Maximalprinzipien g​ibt die Monographie v​on Moore e​ine ausführliche Darstellung (siehe Literatur).

Literatur

Originalarbeiten

  • Ernst Zermelo: Beweis, daß jede Menge wohlgeordnet werden kann. In: Math. Ann. Band 59, 1904, S. 514–516.
  • Ernst Zermelo: Neuer Beweis für die Möglichkeit einer Wohlordnung. In: Math. Ann. Band 65, 1908, S. 107–128.

Monografien

  • E. Brieskorn, S. D. Chatterji u. a. (Hrsg.): Felix Hausdorff. Gesammelte Werke. Band II: Grundzüge der Mengenlehre. Springer-Verlag, Berlin (u. a.) 2002, ISBN 3-540-42224-2, Kapitel 6, § 1 (books.google.de).
  • Oliver Deiser: Einführung in die Mengenlehre. Springer-Verlag, Berlin (u. a.) 2002, ISBN 3-540-42948-4.
  • Keith Devlin: The Joy of Sets. 2. Auflage. Springer-Verlag, New York u. a. 1993, ISBN 0-387-94094-4.
  • Alan G. Hamilton: Numbers, sets and axioms. The apparatus of mathematics. Cambridge University Press, Cambridge 1982, ISBN 0-521-24509-5.
  • Paul Halmos: Naive Mengenlehre. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1976, ISBN 3-525-40527-8.
  • Egbert Harzheim: Ordered Sets (= Advances in Mathematics. Band 7). Springer Verlag, New York 2005, ISBN 0-387-24219-8, S. 206 ff. (MR2127991).
  • Felix Hausdorff: Grundzüge der Mengenlehre. Kapitel 6, § 1, Veit & Comp., Leipzig 1914 (reproduziert in Srishti D. Chatterji u. a. (Hrsg.): Felix Hausdorff. Gesammelte Werke. Band II: Grundzüge der Mengenlehre. Springer, Berlin 2002, ISBN 3-540-42224-2 books.google.de).
  • John L. Kelley: General topology. Reprint of the 1955 edition published by Van Nostrand. Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York 1975, ISBN 3-540-90125-6.
  • Gregory H. Moore: Zermelo’s axiom of choice. Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York 1982, ISBN 3-540-90670-3.
  • Walter Rudin: Reelle und komplexe Analysis. 2. Auflage. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-486-59186-6.

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Grundzüge der Mengenlehre. S. 140–141.
  2. Vgl. etwa Brieskorn, Chatterji u. a.: Gesammelte Werke. Band II, 2002, S. 602–604. und Harzheim: Ordered Sets. 2005, S. 50–52.
  3. Walter Rudin: Reelle und komplexe Analysis. 2. Auflage. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-486-59186-6, S. 473–475, 483–484.
  4. Der Beweis dieses Hilfssatzes lässt sich im Rahmen der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre ohne Benutzung des Auswahlaxioms führen.
  5. Kette in Bezug auf die Inklusionsrelation
  6. Da nun das Lemma von Zorn aus dem Maximalkettensatz gefolgert werden kann und dieses wiederum das Auswahlaxiom impliziert, findet man, dass es sich um drei logisch äquivalente Prinzipien handelt.
  7. Etwa Kelley oder Hamilton; siehe Literatur!
  8. Vgl. Brieskorn, Chatterji u. a.: Gesammelte Werke. Band II, S. 603.
  9. Daher wird das Zornsche Lemma auch als Lemma von Kuratowski-Zorn bezeichnet; vgl. Brieskorn, Chatterji u. a.: Gesammelte Werke. Band II, S. 603.
  10. Walter Rudin: Reelle und komplexe Analysis. 2. Auflage. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-486-59186-6, S. 483–484.
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