Geradezugverschluss
Der Geradezugverschluss (auch Geradzugverschluss) ist eine Bauart des Zylinderverschlusses bei Schusswaffen.
Frühe Modelle
Die ersten Gewehre mit Geradezugverschluss waren die frühen Mannlicher-Armeegewehre (Österreich, Modell 1886, 1888, 1888/90). Bei diesen wurde der Rücklauf des Verschlusses mit einer Stützklappe, die sich im Verschlussgehäuse abstützte, verhindert.[1]
Die Firma Winchester Repeating Arms stellte ab 1895 ein Gewehr System Lee mit Geradezugverschluss und Kastenmagazin in etwa 20.000 Exemplaren her, von denen 15.000 Stück, das Lee-Navy Musket Mod. 1895 im Kaliber .236 USN (6 mm), an die US-Marine geliefert wurden. Bei diesem Gewehr wurde durch das Zurückziehen des Ladehebels der hinter dem Magazin im Verschlussgehäuse abgestützte Verschlussblock zum Entriegeln nach oben geklappt.
Diese und andere Systeme waren dem Zylinderverschluss nach dem Prinzip der Mauser-System-98-Waffen unterlegen, da bei ihnen keine Lockerung festgesessener Hülsen durch primäre Extraktion möglich war. Auch die mechanische Beanspruchung der ungenügend dimensionierten Verriegelungselemente sowie die zu große Distanz zwischen Verschlusskopf und Abstützung des Verschlusses, die beim Schuss zu Vibrationen der Waffe führten, waren einer weiteren Verbreitung dieser Systeme unzuträglich.[1]
Geradezugverschluss auf Grundlage des Drehkopfverschlusses
Diese Bauart greift auf das Verriegelungsprinzip eines Drehkopfverschlusses zurück. Dabei wird der drehbare Verschlusskopf, ähnlich wie beim herkömmlichen Zylinderverschluss, durch die Vorwärtsbewegung desselben in die Verschlusshülse eingeführt. Dies erfolgt, anders als beim Zylinderverschluss nach dem Prinzip des Mauser Systems 98, durch eine lineare Bewegung des Verschlussstücks, ohne die bei Repetiersystemen sonst übliche axiale Drehung mittels des Kammerstängels. Dazu ist in den Verschlusskopf eine Schraubennut eingefräst, in die ein Zapfen in der Aussenhülse des Verschlusses (System Mannlicher) oder direkt am Kammerstängel (Schmidt-Rubin) eingreift und für die axiale Drehung zur Verriegelung des Systems sorgt.[1]
Erfolgreiche Militärgewehre nach diesem Prinzip waren die österreichischen Gewehre mit dem System Mannlicher mit Drehkopfverschluss, allen voran das Mannlicher Modell 1895 nach dem Konstrukteur Ferdinand Ritter von Mannlicher und in der Schweiz der Mannlicherkarabiner 1893. Ab 1889 wurden die in der Schweiz entwickelten Schmidt-Rubin-Geradezugsystem Gewehre Mod. 1889, 1896, 1911, der Karabiner 11 und der später von Adolf Furrer entwickelte Karabiner 31 im Kaliber 7,5 × 55 mm Swiss eingesetzt.
Weniger Erfolg hatte das kanadische Ross-Gewehr Mod. 1905 Mk. II und Mod. 1910 Mk. III, beide wurden schon 1916 ausgemustert. Sein Verschluss konnte falsch zusammengesetzt werden, worauf er nicht richtig verriegelte, was fatale Folgen hatte.
Spätere Varianten
Moderne Formen des Geradezugverschlusses finden sich bei Jagd- und Sportwaffen. So entwickelte der Büchsenmacher Peter Fortner 1984 ein Biathlongewehr mit einem Geradezugverschluss, der auf dem Prinzip des Rollenverschlusses aufbaut. Dieser Verschluss ermöglicht durch den vereinfachten Bewegungsablauf eine schnellere Schussfolge im Wettkampf. Die Konstruktion erwies sich als überaus erfolgreich, und bis 2007 wurden etwa 7000 dieser Waffen hergestellt.[2][3] Ziel der Entwicklung war es, den technischen Rückstand gegenüber den Biathlongewehren des sowjetischen Herstellers Baikal und den Gewehren des Jagdwaffenwerkes Suhl wettzumachen, deren Kniegelenkverschlüsse sehr schnelles Repetieren ermöglichten.[4] Seit der Markteinführung der Blaser R93 im Jahre 1993 hat sich das System bei Jagdbüchsen etabliert und wird von verschiedenen Herstellern verwendet.
Einzelnachweise
- Gewehr. In: Luegers Lexikon der gesamten Technik. 2. Auflage. Band 4, Deutsche Verlags-Anstalt, Leipzig/Stuttgart 1906, S. 465–466. – Vorteile und Nachteile System Mannlicher, Mauser, Krag
- Ulrich Eichstädt: Der Goldschmied. In: Visier, Das internationale Waffenmagazin. Nr. 2. Vogt-Schildt, 2007, S. 40 ff.
- Anschütz Modell 1827 Fortner Sprint, Geradezugverschluss mit Mehrladevorrichtung
- Ulrich Eichstädt: Schnee-Kanonen, acht Biathlongewehre im Test. In: Visier, Das internationale Waffenmagazin. Nr. 2. Pietsch+Scholten, 1993, S. 40 ff.