Furtum
Das furtum (lateinisch Diebstahl) ist eine Deliktsobligation nach römischem Recht. Sie wird durch die actio furti als Pönalklage geltend gemacht.[1]
Voraussetzungen
Das furtum ist mit dem Diebstahl modernen Verständnisses nur ungenügend vergleichbar. Es umfasste ursprünglich nämlich jede Art einer vorsätzlichen, strafbaren Sachentziehung in eigennütziger Absicht:
“Furtum est contrectatio rei fraudulosa lucri faciendi gratia velipsius rei vel etiam usus eius possessionisve. Quod lege naturali prohibitum est admittere.”
„Diebstahl ist jedes unredliche Antasten in gewinnsüchtiger Absicht, sei es der Sache selbst oder sei es auch des Gebrauches oder des Besitzes. Dies ist nach einem natürlichen
Gesetz verboten.“
Der Tatbestand erfasst somit auch Sachverhalte, die etwa nach heutigem deutschem Recht im Diebstahl, Räuberischer Diebstahl, der Unterschlagung (bzw. Veruntreuung in Österreich), Unbefugter Gebrauch eines Fahrzeugs und im Betrug (etwa im Falle der Verwendung falscher Gewichte oder des Urkundendiebstahles) ihre funktionalen Äquivalente finden. Darüber hinaus war das furtum auch dann anwendbar, wenn das Verhalten nach heutigen Maßstäben überhaupt nicht strafbar ist: So bei vertrags- oder rechtswidrigem Gebrauch einer Sache.[1]
Geschichte
Grundlage für die Entwicklung des gesamten Rechts des furtums sind die Zwölftafelgesetze. Ähnlich wie auch die germanischen Rechte (vgl. Gerüfte) unterscheiden diese danach, ob der Klagegegner noch am Tage der Tat ergriffen wurde, oder das Diebesgut im Rahmen einer der Tat unmittelbar folgenden Haussuchung (quaestio lance et licio) aufgefunden wurde. War dies der Fall, lag ein furtum manifestum vor; der fur manifestus (‚auf frischer Tat betroffene Dieb‘) wurde vor den Magistrat gebracht, ausgepeitscht und anschließend in die Verfügungsgewalt des privaten Strafverfolgers überstellt. Dieser hatte die Möglichkeit, den Dieb zu töten, oder ihn als Sklave zu verkaufen (trans tiberim). Handelte der Dieb gar nachts, oder versuchte er mit Waffengewalt sich der Beute zu erhalten, oder sich der Festnahme zu widersetzen, konnte er auf der Stelle getötet werden, wenn die Nachbarn unmittelbar darauf als Zeugen gerufen wurden. Ertappte man den Dieb nicht auf frischer Tat, konnte der Bestohlene nur auf dem Klageweg eine Geldbuße in Höhe des doppelten Wertes des Gegenstands erstreiten.
Die Unterscheidung zwischen fur manifestus und fur nec manifestus lebte bis ins klassische und spätklassische römische Recht fort mit dem Unterschied, dass in klassischer Zeit der fur manifestus nur noch mit dem vierfachen (quadruplum) Wert des gestohlenen Gegenstandes bestraft wurde. In der hoch- und spätklassischen Zeit wurde zudem der Tatbestand des furtum durch die Bildung anderer Spezialnormen eingeschränkt, so dass nicht mehr alle Tathandlungen einer unerlaubten Sachentziehung unter das furtum subsumiert wurden.[1]
Als ein qualifizierter Fall des furtum wurde seit klassischer Zeit die rapina (lat. ~ ‚Raub‘) behandelt. Hier erfolgte die Wegnahme fremder Sachen durch Gewalt, oder durch ihre Androhung.[1]
Literatur
- Heinrich Honsell: Römisches Recht. 6. Auflage. Springer, Berlin/Heidelberg/New York 2006, ISBN 978-3-540-28118-4, § 59 Diebstahl (furtum).
- Max Kaser: Das Römische Privatrecht. 2. Auflage. C.H. Beck, München/Würzburg 1971, ISBN 3-406-01406-2, §§ 32, 39, 40, 143 Sachentziehung (furtum) und verwandte Delikte.
- Max Kaser, Karl Hackl: Das Römische Zivilprozessrecht. 2. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. C.H. Beck, München/Nördlingen/Reutlingen 1996, ISBN 3-406-40490-1, §§ 3, 5, 18, 19.
Einzelnachweise
- Heinrich Honsell: Römisches Recht. 6. Auflage. Springer, Berlin/Heidelberg/New York 2006, § 59.